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„Man braucht nur die Rezeptnummer“

Der Hausarzt Eugen Sleiter erklärt, wo und wie man ab sofort sein Rezept erhält – und wie sich sein Arbeitsalltag durch das Coronavirus verändert hat.

von Eva Maria Gapp

Bevor der Hausarzt Eugen Sleiter zu seiner Frau und seinen Kindern geht, hat er sich bereits zwei Mal umgezogen. „In Zeiten wie diesen muss man besonders vorsichtig sein, und lieber auf Nummer sicher gehen“, sagt er.

Zumal die Hausärzte, wie Sleiter immer wieder betont, nicht genügend Atemschutzmasken und Schutzanzüge haben. „Uns wird immer wieder versprochen, dass wir neue bekommen, bis jetzt ist aber nichts passiert“, bemängelt er. Sleiter muss deshalb mit den wenigen Masken arbeiten, die er noch hat: „Ich setze oft tagelang die gleiche Maske auf, obwohl man sie eigentlich alle sechs Stunden wechseln müsste“, sagt er.

In der Praxis sei man dadurch einer permanenten Gefahr ausgesetzt. „Auch für meine Familie ist diese ganze Situation nicht einfach. Sie wissen, welchem Risiko ich ausgesetzt bin und machen sich Sorgen. Ich möchte ja auch nicht meine Kinder und meine Frau anstecken, weshalb wir derzeit auch getrennt schlafen“, erzählt er. Zudem versucht er den Patientenkontakt auf ein Minimum zu reduzieren: „Ich versuche so viel wie möglich per Telefon oder per E-Mail abzuwickeln. Dann schaue ich auch immer drauf, dass ich die Praxis gut durchlüfte.“

Am kritischsten sind laut Sleiter aber die Hausbesuche: „Du weißt im Grunde nie, ob der Patient mit dem Virus infiziert ist oder nicht. Wenn man dann auch noch nicht ausreichend geschützt ist, ist das sehr gefährlich. Deswegen diskutieren wir Hausärzte mit dem Sanitätsbetrieb, dass ein eigenes Team für Risikopatienten aktiviert wird, das dann die Hausbesuche macht. Denn wenn das so weitergeht, münden wir in eine Katastrophe“, so Sleiter.

Die Ärztekammerpräsidentin Monica Oberrauch hat deswegen vor kurzem dem Gesundheitslandesrat ein Ultimatum gesetzt: Entweder wird die Schutzkleidung geliefert – oder viele Patienten könnten vor verschlossenen Arztpraxen stehen.

Und auch die Patienten selbst wissen: Die Arztpraxen sind in Zeiten wie diesen ein nicht ganz unriskanter Ort. Wer Medikamentennachschub braucht, riskiert unter Umständen eine Ansteckung und wenn es sich um ältere und ohnehin schon kränkelnde Menschen handelt, ist das gefährlich.

Deshalb ist es seit Neuestem möglich, sich sein Rezept telefonisch oder auf elektronischem Wege zu holen. Wer also ein Rezept braucht, muss nicht mehr in die Praxis kommen. Sleiter erklärt das neue Prozedere: „Während der Coronavirus-Krise genügt für die Ausstellung von Rezepten ab sofort ein Anruf beim Arzt und dieser übermittelt per E-Mail, Telefon, Fax, SMS oder WhatsApp die Nummer des Rezepts. Jedes Rezept hat eine eigene Nummer. Mit dieser Nummer kann der Patient die Medikamente in der Apotheke abholen, ohne das gedruckte Rezept mitzuhaben.“ Man braucht es also nicht mehr auszudrucken. „Die Nummer reicht völlig“, betont Sleiter. Der Apotheker gibt vor Ort nur mehr die Nummer in seinem Computer ein, und schon sieht er das Rezept.

„Sollte es dem Patienten oder der Patientin nicht möglich sein, in die Apotheke zu gehen, kann man auch jemand in Vertretung schicken – etwa Angehörige oder eine Betreuungsperson“, erklärt Sleiter.

Wer Medikamente für eine andere Person abholt, muss lediglich die Steuerkarte des Patienten mitnehmen und die Nummer kennen. Und sollte jemand keine E-Mail besitzen oder sonst Schwierigkeiten haben, ist es auch möglich, die Nummer des Rezepts an den Enkel oder einer sonstigen Vertrauensperson zu schicken. „Das ist gar kein Problem“, versichert Sleiter. In dieser Notsituation seien auch die Privacy-Regeln gelockert – und zwar zum Wohlbefinden der Patienten.

Außerdem besteht die Möglichkeit, so Sleiter, die Nummer des Rezepts nicht nur an den Patienten per E-Mail zu schicken, sondern auch direkt an die vom Patienten gewählte Apotheke. Einige Südtiroler Apotheken bringen derzeit auch Medikamente nach Hause.

Doch diese Erleichterung – das Rezept nicht mehr abholen zu müssen – gilt nicht für alle Patienten. „Menschen, die ihre Medikamente auf einem roten Rezept verschrieben bekommen, müssen nach wie vor in die Praxis. Darunter fallen blutverdünnende Medikamente oder bestimmte Schmerzmittel“, erzählt er. Denn bei diesen Rezepten gebe es diese spezifische Nummer nicht.

Dann gebe es auch noch die Rezepte der Klasse C. Darunter fallen all jene Arzneimittel, die der Patient selbst bezahlen muss. Das sind zum Beispiel: Augentropfen, Schmerzgels, aber auch Schlafmittel. Auch hier muss der Patient nach wie vor in die Praxis kommen. Um aber das Ansteckungsrisiko so gering wie nur möglich zu halten, empfiehlt Sleiter den Patienten, ihn vorher zu kontaktieren, damit er das Rezept für die Abholung vorbereiten kann. „Der Patient braucht dann nur drei Mal läuten, das haben wir so ausgemacht, und an der Tür übergebe ich dann ganz schnell das Rezept.“

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