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Die Schadenersatz-Lawine

Foto: Südtiroler Volksbank

Der nächste Paukenschlag: Das Bankenschiedsgericht hat die Volksbank dazu verdonnert, weiteren fünf Aktionären Schadenersatz zu zahlen – insgesamt rund 150.000 Euro.

von Heinrich Schwarz

Die Lawine ist definitiv losgegangen. Die Südtiroler Volksbank ist vom Bankenschiedsgericht in kurzer Zeit bereits in acht Fällen zu Schadenersatz-Zahlungen an Aktionäre verdonnert worden. Fünf Fälle sind in diesen Tagen hinzugekommen.

Zur Erinnerung: Im vergangenen November hatte das Bankenschiedsgericht – eine kostenlose Anlaufstelle der italienischen Börsenaufsichtsbehörde Consob für Kleinanleger bei Streitigkeiten mit einer Bank – entschieden, dass die Volksbank einer Aktionärin wegen des niedrigen Wertes der Volksbank-Aktie eine Entschädigung in Höhe von 16.250 Euro zahlen muss.

Das Expertenkollegium des Bankenschiedsgerichtes war zum Schluss gekommen, dass das Investment in Volksbank-Aktien für die Kundin nicht angemessen gewesen sei und das Produktblatt objektiv nicht sehr klar und in gewissen Aspekten irreführend. Die Volksbank wurde zur Schadenersatzzahlung verdonnert, weil davon ausgegangen werden müsse, dass die Anlegerin die Aktienkäufe nicht getätigt hätte, wenn die Volksbank ihre Verpflichtungen korrekt eingehalten hätte.

Bei der Bemessung der Entschädigung ging das Schiedsgericht überraschend vor: Vom investierten Kapital wurden die Dividenden der letzten Jahre und der aktuelle Wert der Volksbank-Aktien abgezogen, allerdings wurde der auf der Handelsplattform angegebene Aktienpreis von 11,90 Euro für „nicht ausreichend glaubwürdig“ erklärt. Weil ein Verkauf um 11,90 Euro pro Aktie kaum möglich sei, senkte das Bankenschiedsgericht den realisierbaren Wert kurzerhand um 50 Prozent auf 5,95 Euro.

Im Januar waren zwei Entscheidungen des Bankenschiedsgerichtes gegen die Volksbank zum selben Thema hinzugekommen. Einem Aktionär wurde eine Entschädigung von 30.300 Euro zugesprochen, weil die Volksbank ihre Informationspflichten hinsichtlich Finanzprodukt und Risikograd nicht korrekt erfüllt habe. Und einer Aktionärin wurden 6.100 Euro an Schadenersatz zugesprochen – in diesem Fall wegen der nicht-korrekten Erfüllung der Informationspflichten und weil die Angemessenheits-Überprüfung teilweise nicht in Ordnung gewesen sei.

Bei diesen Fällen wurde die gleiche Berechnungsmethode mit der 50-Prozent-Kürzung des aktuellen Aktienpreises angewandt.

Weil noch zahlreiche weitere Streitigkeiten rund um die Volksbank-Aktie beim Bankenschiedsgericht behängen, waren die nächsten Entscheidungen nur eine Frage der Zeit. Auf der Website der Consob wurden nun fünf gleichzeitig veröffentlicht. Es geht – wie bei den ersten Fällen – um Aktienkäufe zwischen den Jahren 2008 und 2015, wobei die Situationen der einzelnen Aktionäre in den Details unterschiedlich sind.

Die in diesen fünf neuen Fällen festgelegte Entschädigung beträgt insgesamt rund 150.000 Euro. Damit kommt man bereits auf eine Gesamtsumme von mehr als 200.000 Euro. In allen Fällen wurde die genannte 50-Prozent-Kürzung des aktuellen Aktienpreises für die Berechnung der Entschädigung angewandt.

Im ersten der fünf neuen Fälle kam das Bankenschiedsgericht zum Schluss, dass die Volksbank beim Aktienverkauf nicht die Regeln in Bezug auf die Informationspflicht und die Angemessenheits-Prüfung eingehalten habe. Dem Volksbank-Aktionär, der nicht allzu viele Aktien hält, wurde ein Schadenersatz von rund 800 Euro zugesprochen.

Im zweiten Fall beläuft sich der vom Expertenkollegium festgelegte Schadenersatz zugunsten einer Aktionärin auf 4.317 Euro. Wiederum seien die Informationspflichten nicht korrekt erfüllt worden. Teilweise wird auch das Verhalten der Bank hinsichtlich der Angemessenheit der Aktienkäufe beanstandet.

Ins Geld geht es beim dritten und vierten aktuellen Fall: Die festgelegten Entschädigungen an eine Aktionärin bzw. einen Aktionär betragen 41.600 Euro bzw. 101.627 Euro. In den Vorhaltungen des Schiedsgerichtes geht es jeweils um die Informationspflichten und in Teilen um die Angemessenheits-Überprüfung.

Im fünften aktuellen Fall schließlich wurde einem Kleinstaktionär eine Schadenersatzzahlung von 2.100 Euro zugesprochen. Auch hier sieht das Expertenkollegium die Bestimmungen hinsichtlich Informationspflichten und Angemessenheit nicht korrekt berücksichtigt.

Demnächst dürften weitere Entscheidungen des Bankenschiedsgerichtes in der Volksbank-Causa folgen. Weil die bisherigen Beanstandungen gegen die Volksbank so weitreichend sind, ist davon auszugehen, dass wieder zugunsten der Aktionäre entschieden wird.

Die Volksbank hatte bereits zuletzt erklärt, dass die Entscheidungen des Bankenschiedsgerichtes nicht bindend seien und man sie nicht umsetzen werde. Man sei mit den Begründungen der Entscheidungen nicht einverstanden, verfüge über fundierte Rechtsgutachten und werde im Falle von Klagen alle Rechtsmittel ausschöpfen.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (7)

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    Das Urteil dieses Schiedsgerichtes ist nicht bindend. Schauen wir, wie ein richtiges Gericht entscheiden wird. Sichere Wertpapiere sind Obligationen. Da weiß man, was man verdient und das Kapital kommt zurück. Aktien sind eben dem Markt unterworfen. Der Wert kann steigen aber auch sinken, Dividenden können verschieden hoch ausfallen. Käufer von Aktien sind jedenfalls nicht „Kunden“ wie im Artikel beschrieben, sondern Miteigentümer, wenn meist nur in beschiedenem Umfang. Jeder, der Aktien kauft sollte dies bedenken. Hätte die Volksbank jetzt die Drucksachen, mit denen sie den Aktienkauf bewirbt nicht klar formuliert wäre dies gravierend.

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