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Tote Knochen

Friedrich Fliri, Jäger aus dem Jagdrevier Naturns, verabschiedet sich mit einer singulären Aktion vom Trophäenkult – und plädiert für die Rückkehr der Jagd zu ihren ursprünglichen Zielen.

von Karin Gamper

„Jäger gibt seine Trophäen (ca. 40 Stück) gegen Spende für wohltätigen Zweck ab.”

Dieses kurze Inserat schaltete Friedrich Fliri in der Dezember-Ausgabe der Jägerzeitung, dem Magazin des Südtiroler Jagdverbandes. Innerhalb weniger Tage waren sämtliche Geweihe an den Mann gebracht. Den Erlös, 300 Euro, hat der Jäger aus Naturns an die Kinderkrebshilfe Peter Pan gespendet.

Eine großzügige Geste.

Doch warum befreit sich ein bekennender Jäger von all seinen Trophäen, die er im Laufe von 30 Jahren angesammelt hat, auf die er stolz war und die bis dato sein Heim dekorierten?

Friedrich Fliri möchte seine Spendenaktion mit einer Botschaft an die Südtiroler Jägerschaft verbinden. „Ich bin mit unserem Jagdsystem nicht mehr einverstanden und lehne auch den überhand nehmenden Trophäenkult ab”, sagt der Naturnser. Immer mehr Jäger gebe es, und immer mehr von ihnen seien lediglich auf das Geweih des Rotwilds aus. Je mächtiger, umso besser. Fliri: „Das ist zur Modeerscheinung geworden und ein wesentlicher Grund, weswegen sich der Neid wie ein roter Faden durch die Südtiroler Jägerschaft zieht”. Der ursprüngliche Zweck der Jagd – die Wildregulierung –  und damit die eigentliche Jagd-Berechtigung seien weitgehend verloren gegangen.

Friedrich Fliri: „Die Rotwild-Bestände sind vor allem im Westen des Landes hoch und das ist für viele Bergbauern existenzbedrohend. Der Wald kann sich nicht mehr erneuern. Aber viele Reviere vermeiden zu viele Abschüsse von männlichem Rotwild, weil sie die Tiere und damit das Geweih möglichst lange wachsen lassen möchten”. Allein im Vinschgau mit Nationalpark würden jährlich 6.000 Stück Rotwild gezählt, die Dunkelziffer liege wohl um 2.000 bis 3.000 Stück höher, wobei die Kälber, die jedes Jahr zur Welt kommen, in diesen Zählungen noch nicht erfasst seien. Experten halten laut Fliri vier Stück Rotwild pro 100 Hektar für tolerierbar. „Jetzt sind es etwa acht bis neun Stück pro Hektar”, schätzt der Jäger.

Friedrich Fliri hofft, dass er durch seine Spendenaktion zumindest einige seiner Jagdkollegen zum Nachdenken anregt.

Der Jäger aus Naturns weiß, dass er mit seinen Ansichten auf Kritik stoßen wird: „Davon gehe ich aus, aber es ist mir ein Anliegen auf die Auswüchse im Südtiroler Jagdsystem hinzuweisen und wer weiß, vielleicht finde ich ja einige Nachahmer. Dann wäre mein Ziel erreicht”.

Auf die Jagd wird Friedrich Fliri übrigens auch weiterhin gehen: „Aber die Trophäen”, so betont er, “die interessieren mich nicht mehr, denn am Ende handelt es sich ohnehin nur um tote Knochen”.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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