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„Einer meiner schwersten Fälle“

Die Anwälte Valenti und Tonon nach der Haftprüfung (Foto: TZ/Lisi Lang)

Mit Alberto Valenti übernimmt einer der profiliertesten Strafanwälte die Verteidigung von Stefan Lechner. Er setzt auf ein psychiatrisches Gutachten mit einer (möglichen) teilweisen Zurechnungsfähigkeit.

Von Thomas Vikoler

Mit ihm hat eigentlich keiner gerechnet in diesem auf dem Papier aussichtlosen Strafverfahren. Doch dann bekam Alberto Valenti am vergangenen Dienstag Besuch von der Familie von Stefan Lechner aus Ehrenburg, Gemeinde Kiens, in seiner Kanzlei in der Bozner Silbergasse.

„Sie wollten unbedingt den Valenti“, scherzt Lechners zweiter Vertrauensanwalt neben dem bisherigen Pflichtverteidiger Alessandro Tonon.

Alberto Valenti ist perfekt zweisprachig (er ist im Vinschgau aufgewachsen), 79 Jahre alt und weiterhin einer der profiliertesten Strafanwälte in Südtirol.

Er hat in seiner langen Laufbahn 32 Schwurgerichtsprozesse absolviert, den Priester Don Carli vom Vorwurf der sexuellen Gewalt verteidigt und vor wenigen Wochen am Oberlandesgericht einen Freispruch für die beiden Schwazer-Sportärzte Pierluigi Fiorella und Giuseppe Fischetto erwirkt.

Mit schweren Verkehrsunfällen hat Valenti ebenfalls Erfahrung:

Er verteidigte einen Südtiroler, der auf der Autobahn A22 einen Verkehrsunfall mit fünf Toten verursacht hatte.

Und nun der Fall Stefan Lechner. „Es ist, psychologisch gesehen, sicher einer meiner schwersten Fälle“, sagt Anwalt Valenti. Mit dem zunächst vorrangigen Ziel, auf seinen Mandanten dahingehend einzuwirken, nicht aufzugeben und sich dem Unfassbarem zu stellen. „Von außen betrachtet hatte ich auch eine negative Einstellung, von innen schaut alles anders aus“, bemerkt der Vertrauensverteidiger.

Mit Stefan Lechner hat er bisher lediglich kurz gesprochen, aber die Schilderungen der Familienangehörigen über dessen schwierige Vergangenheiten haben Valenti auf eine Idee gebracht: Ein psychiatrisches Gutachten zur Klärung der Zurechnungsfähigkeit des Todesrasers von Luttach zum Zeitpunkt des Horror-Unfalls. Ein entsprechender Antrag könnte im Zuge des Beweissicherungsverfahrens gestellt werden, das die Staatsanwaltschaft demnächst mit einem Antrag für ein Gerichtsgutachten zur Unfalldynamik (insbesondere der Geschwindigkeit von Lechners Audi TT) anstoßen wird.

Laut seinem Anwalt litt der heute 27-Jährige früh an psychischer Instabilität, er war in der Schule ein Mobbing-Opfer hat sich in der Gesellschaft schwer zurechtgefunden, was sich u.a. in wiederholten Schul- und Arbeitsplatzwechseln äußerte. Offenbar gibt es auch eine enge Mutterbindung.

Das Ziel Valentis ist damit vorgegeben: Bei einer von einem Gerichtsgutachter festgestellten teilweisen Zurechnungsfähigkeit wäre eine Strafreduzierung von bis zu einem Drittel verbunden. Zusätzlich zum Drittel für das verkürzte Verfahren, das Lechners Verteidiger mit Sicherheit beantragen werden.

In diesem Fall könnte dem zuletzt bei einer Belüftungsfirma Beschäftigten vor einem längeren Gefängnisaufenthalt verschont bleiben.

Zu den Aufgaben von Verteidiger Valentis  werden auch Verhandlungen mit der Autoversicherung Lechners (Assimoco) zur Bezahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld an die Hinterbliebenen der (derzeit) sieben Todesopfer und die elf Verletzten zu zahlen. „Ich fürchte, dass die Abdeckung von zehn Millionen Euro nicht reichen wird“, sagt der Anwalt.

Doch im Moment stünden aber andere Fragen im Vordergrund, so Valenti.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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