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„Risiko gleich Null“

Ein deutsches Unternehmen will in Vahrn ein 8.000 Meter tiefes Loch bohren, um damit Erdwärme als Energiequelle zu nutzen. Die Hintergründe zum 54 Millionen Euro teuren Projekt.

von Markus Rufin

Geothermie ist an und für sich eine weit verbreitete Form der Energiegewinnung. Dabei wird Wärme an die Oberfläche gepumpt. Das Problem: Diese Technik verbraucht sehr viel Strom.

Eine mögliche Alternative sind sehr tiefe Bohrungen. Ein Energieträger wird durch Rohre mehrere 1.000 Meter tief in die Erde transportiert. Dort wird er so heiß, dass die Flüssigkeit von selbst wieder aufsteigt und Energie spendet. Dadurch wird also kein Strom verbraucht, die Wärme könnte dauerhaft gefördert werden.

Nun schreibt die „Welt am Sonntag“, dass ausgerechnet in Vahrn, neben dem Fernheizwerk ein 8.000 Meter tiefes Loch genau dafür gegraben wird. Auftraggeber ist demzufolge ein Konsortium, das vom deutschen Unternehmen „Geocalor-D“geführt wird.

Die „WaS“befragte dazu Hans Hildebrand, einen der Firmen-Chefs, die im Konsortium vertreten sind.  Dieser erklärt, dass man bei der Bohrung die Wärme im trockenen Gestein nutzen wolle.

Es gibt zwar Stadtwerke, beispielsweise in Deutschland, die ein ähnliches System nutzen, aber eine 8.000 Meter tiefe Bohrung sei ein völliges Novum, schreibt die Welt am Sonntag. Löcher, die bisher derart tief waren, wurden nur zu Forschungszwecken benutzt. Lediglich bei Öl- und Gasförderung seien solche Tiefen üblich. Nur zum Vergleich: Die tiefste Bohrung der Welt auf der russischen Halbinsel Kola reichte rund zwölf Kilometer unter die Oberfläche.

Warum wird ein solches Pilotprojekt also ausgerechnet in Vahrn durchgeführt? „Das ganze hat eine Vorgeschichte“, erklärt Alexander Tauber, Gemeinderat und Alleinverwalter der Fernwärme Konsortial GmbH. „In Südtirol wurden vor circa zehn Jahren mehrere Tiefenbohrer angekauft, einer davon auch in Vahrn. Das Konsortium, das die Bohrung durchführen will, hat in Vahrn den perfekten Standort gesehen, weil ein Grundstück neben dem Fernheizwerk zur Verfügung steht und dieses im Verbundsystem des Werkes aufgenommen werden kann.“Dadurch müsste das Konsortium keine Fernleitungen mehr bauen, sondern könnte einfach das Werk nutzen.

Natürlich soll auch die Gemeinde beziehungsweise die Stadtwerke von den Bohrungen profitieren. Tauber erklärt: „Wenn die Bohrung erfolgreich ist, würden die Stadtwerke und damit auch die Brixner und Vahrner Bevölkerung über sehr günstigen Strom verfügen.“

Derzeit wird in Brixen und in Vahrn mit Gas beziehungsweise Hackschnitzeln geheizt. Der Preis für die Wärme, die das Konsortium liefert beläuft sich laut Welt am Sonntag auf jenem für Wärme aus Biomasse. Ein entsprechender langjähriger Vertrag wurde bereits unterzeichnet. Zudem gibt es eine lose Vertragsbindung zur Abnahme von Elektrizität.

Die Stadtwerke selbst seien nur anhand dieser Verträge am Projekt beteiligt, weder Kosten noch Arbeiten werden übernommen. Selbst wenn das Projekt scheitert, übernimmt das Konsortium die Zuschüttung des Loches.

Noch bis März haben beide Parteien die Möglichkeit, aus dem Vertrag auszusteigen. Bis dahin sucht das deutsche Konsortium nach Investoren. Hans Hildebrand zeigt sich im Gespräch mit der Welt am Sonntag aber zuversichtlich. Auch Südtiroler Banken werden als Investoren gesucht.

Doch nicht nur für die Brixner Bevölkerung könnte das Pilotprojekt von Vorteil sein. „Gelingt die Erschließung tiefer Gesteinswärmeströme, stünde der Welt zudem eine Quelle erneuerbarer Energie zur Verfügung, die in Elektrizität umgewandelt werden kann“, schreibt die Welt am Sonntag.

Die Erklärung: Mit der Erdwärmeströmung ist es möglich, eine energetische Leistung zu aktivieren, die keiner zusätzlichen Energiezufuhr bedarf. Bis zu 60 Megawatt CO2-freie Energie soll dadurch entstehen. Das entspricht einem mittelgroßen Windpark. Diese Bohrungen könnten überall auf der Welt durchgeführt werden, da sie platzsparend sind. Im Prinzip wird nur ein Rohr in die Erde gebohrt.

Doch es stellt sich auch die Frage nach den Risiken. Laut Welt am Sonntag bezweifeln Experten, dass die Wärmeförderung in solchen Tiefen überhaupt möglich ist. Aber nicht nur das. Bei großen geothermischen Bohrungen in Basel kam es zu heftigen Erdstößen, die die Technologie in Verruf brachten.

Seismische Reaktionen seien aber keine zu befürchten, so Hildebrand, da man andere Techniken verwende. Und auch Tauber betont, dass die Belastung für die Bevölkerung vor Ort „gleich null“sei: „Ob die Wärmeförderung erfolgreich ist oder nicht, ist für uns nicht wichtig, da wir finanziell nicht daran beteiligt sind. Wenn sie aber erfolgreich ist, bekommen wir billige Wärme. Nur ein kleines Gebäude würde stehen bleiben.“Tauber selbst sei kein Ingenieur und könne daher nichts zu der technischen Sicherheit sagen, aber Techniker der Stadtwerke Brixen haben dem Projekt ebenso zugestimmt.

Auch die Bauzeit halte sich in Grenzen, sodass die Belastungen tragbar sind. „Derzeit rechnet das Konsortium mit einer Bauzeit von 1,5 Jahren“, erklärt Tauber. Das Pilot-Projekt soll laut Welt am Sonntag rund 54 Millionen Euro kosten. Sämtliche Kosten werden vom deutschen Konsortium übernommen.

Im Vahrner Gemeinderat war durch eine Vorstellung der Fernwärme Konsortial GmbH bereits bekannt, dass ein Geothermie-Projekt im Entstehen ist. Wann genau der Bau beginnt, ist derzeit noch nicht klar. Im Gespräch mit der Welt am Sonntag sagt Hildebrand, dass das „Geohil-Kraftwerk“– so der Name des Projektes – bereits 2021 die Produktion aufnehmen soll. Das bedeutet, im Sommer 2020 könnte bereits gebaut werden. Erst im März wird aber die endgültige Entscheidung fallen.

Sollte das Pilot-Projekt Erfolg haben, könnte die Nachfrage schnell steigen. Hildebrand beschäftigt sich jedenfalls bereits mit weiteren Standorten in der Schweiz und in Deutschland. Dort könnten dann Großkraftwerke mit mehreren Hundert Megawatt Leistung entstehen.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (22)

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  • andreas

    Man muss schon recht gierig sein, um solche Bohrungen in einem dicht besiedelten Gebiet zuzulassen
    Dass ein deutsche Unternehmen gerade in Südtirol sein Glück versucht, liegt wohl nicht unbedingt an der Nähe zum Fernheizwerk, aber wohl eher, dass sie in Deutschland für diese Tiefe wohl keine Genehmigung bekommen.

    Und wenn jemand auf die Idee kommt, das Risiko mit Null zu bezeichnen, ist das doch reine Augenauswischerei, da bis jetzt keiner so einfältig war, in bewohnten Gebieten so tief zu bohren bzw. in Basel es schon bei geringeren Tiefen zu Problemen kam.

    Auch die Techniker der Stadtwerke Brixen dürften nicht die Kenntnisse und Erfahrung haben, um hier zu entscheiden.

    • leser

      Anderle du pfosse da geht es nicht um dürfen oder nicht dürfen sondern darum dass diese technologie kommerziell sich nicht rechnet und daher keine zukunft hat und nach südtirol kommen diese herren weil sie meinen einen trottl gefunden zu haben der ihnen das bezahlt so einfach ist das
      Anderle man sollte nicht von etwas reden von dem man nichts versteht und um etwas gesagt zu haben

  • @alice.it

    Als negatives Beispiel für „günstigen Strom“ in Südtirol haben wir schon die ALPERIA.

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