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Die Volksbank-Bombe

Foto: Südtiroler Volksbank

Die Südtiroler Volksbank muss einer Aktionärin wegen des niedrigen Aktienpreises eine hohe Entschädigung zahlen. Der Präzedenzfall könnte der Bank einen hohen zweistelligen Millionenschaden verursachen.

von Heinrich Schwarz

Das Bankenschiedsgericht hat den Verbraucherschutz auf eine neue Ebene gehoben. Die Anlaufstelle, die vor drei Jahren von der italienischen Börsenaufsichtsbehörde Consob ins Leben gerufen wurde, ermöglicht es Kleinanlegern, Streitigkeiten mit einer Bank von einer unabhängigen Stelle klären zu lassen. Kostenlos.

Die Entscheidungen des Bankenschiedsgerichtes – inzwischen sind es über 2.000 – werden auf der eigenen Website veröffentlicht. Allerdings nicht gänzlich transparent, denn die Namen der Finanzinstitute werden anonymisiert. Mit den richtigen Suchbegriffen lassen sich bestimmte Banken unter Umständen aber doch finden.

So ist die TAGESZEITUNG auf eine brisante Entscheidung gestoßen, die die Südtiroler Volksbank betreffen muss. Die Verbraucherzentrale Südtirol (VZS) bestätigt, dass es sich um die Volksbank handelt. Sie hat den Fall, den eine Volksbank-Aktionärin angestoßen hatte, betreut.

Die Entscheidung des Bankenschiedsgerichtes – getroffen von einem fünfköpfigen Expertenkollegium – stammt vom 25. September 2019. Darin wird die Volksbank zu einer Entschädigungszahlung in Höhe von 16.251,48 Euro an eine Aktionärin verdonnert.

Wie kam es dazu?

Die Aktionärin hatte in den Jahren 2013 und bei der Kapitalerhöhung 2015 insgesamt 1.242 Volksbank-Aktien erworben. Zu einem Gegenwert von 23.786,40 Euro – also im Schnitt 19,15 Euro pro Aktie.

Angesichts des daraufhin fallenden Aktienkurses beklagte sich die Aktionärin allerdings, dass sich die Bank beim Verkauf der Aktien nicht an die Bestimmungen gehalten habe. Und zwar unter anderem in Bezug auf die Erstellung des geeigneten Risikoprofils der Anlegerin für den Kauf von Aktien und in Bezug auf die Informationen auf dem Produktblatt.

Nach einer erfolglosen Beschwerde bei der Volksbank wandte sich die Aktionärin an das Bankenschiedsgericht und forderte eine Schadenersatzzahlung ein.

Die Volksbank verteidigte sich im Verfahren damit, dass die Aktienverkäufe im Hinblick auf das Risikoprofil der Kundin angemessen gewesen seien. Weiters seien auf dem Produktblatt die vorgesehenen Informationen enthalten gewesen.

In seiner Entscheidung schreibt das Bankenschiedsgericht, dass der Rekurs der Aktionärin teilweise angenommen werden könne. Die Beschwerden hinsichtlich des unangemessenen Risikoprofils, der nicht-korrekten Informationen und zum Risikograd der Aktie seien nämlich begründet.

Die Details:

Das Expertenkollegium kommt zum Schluss, dass ein Investment in Aktien keinesfalls angemessen für einen Anleger mit einer mittleren-niedrigen Risikoneigung sei. Zudem handle es sich bei den Volksbank-Aktien um illiquide Wertpapiere, die von der Bank selbst mit „hohem Risiko“ klassifiziert worden seien.

Zum Produktblatt mit den Charakteristiken der verkauften Volksbank-Aktien lässt das Bankenschiedsgericht kein gutes Haar an der Traditionsbank: „Das Kollegium kommt nicht umhin festzustellen, dass das Produktblatt objektiv nicht sehr klar und in gewissen Aspekten irreführend ist.“ Gemeint ist der Liquiditätsgrad der Aktien.

Das Schiedsgericht nimmt Bezug auf eine interessante Aussage im Produktblatt der Volksbank. Demnach sei der Ausgabepreis der Aktien der Mindestpreis, unter den der Handelspreis auf der Handelsplattform nicht fallen darf.

Für das Schiedsgericht ist diese Aussage „ziemlich mehrdeutig“. Auch weil es zumindest beim mittleren Anleger die Meinung hervorrufe, dass es möglich sei, über die Handelsplattform jederzeit seine Aktien zum Ausgabepreis verkaufen zu können. „Was offensichtlich nicht der Fall ist“, so das Expertenkollegium.

Fazit: Die Volksbank müsse Schadenersatz zahlen. Denn im konkreten Fall müsse davon ausgegangen werden, dass die Anlegerin die beanstandeten Investitionen nicht getätigt hätte, wenn die Volksbank ihre Verpflichtungen korrekt eingehalten hätte.

Präsident Otmar Michaeler und Generaldirektor Johannes Schneebacher

Bei der Bemessung der Entschädigung für die Aktionärin ist das Bankenschiedsgericht folgendermaßen vorgegangen: Vom investierten Kapital (23.786,40 Euro) wurden die Dividenden der letzten Jahre (703,74 Euro) und der aktuelle Wert der Aktien abgezogen.

Diesbezüglich hat das Schiedsgericht allerdings eine weitere Bombe parat. Um den aktuellen Wert der Aktien festzulegen, müsse Folgendes beachtet werden: „Obwohl die Aktien auf der Handelsplattform Hi-Mtf gehandelt werden können, kann der realisierbare Einheitswert nicht einfach mit dem angegebenen Preis auf dieser Plattform gleichgesetzt werden.“

Dieser Preis (er beträgt 11,90 Euro) könne nicht ausreichend glaubwürdig sein, um ihn für eine Bewertung der Aktien heranzuziehen. Zumindest nicht, wenn es – wie im konkreten Fall – eine geringe Bewegung auf der Handelsplattform gebe.

Bekanntlich hält sich der Handel mit Volksbank-Aktien zwischen Anlegern sehr in Grenzen. Das Bankenschiedsgericht hat sich am 19. Juli 2019 ein Bild davon verschafft: An diesem Tag habe nur ein Handel stattgefunden.

Das Schiedsgericht hat kurzerhand festgelegt, dass der realisierbare Wert für die 1.242 Aktien der Anlegerin 7.389,90 Euro beträgt. Das sind umgerechnet schlappe 5,95 Euro pro Aktie! Also die Hälfte des Wertes, den die Volksbank derzeit auf ihrer Handelsplattform angibt. Und nicht einmal ein ganzes Drittel des Preises, um den die Volksbank-Aktien bei der letzten Kapitalerhöhung im Jahr 2015 (19,20 Euro) verkauft wurden. Das Schiedsgericht hat der Aktionärin inklusive monetärer Aufwertung somit eine Schadenersatzzahlung von 16.251,48 Euro zugesprochen. Weiters muss die Volksbank der Aktionärin die Zinsen ab Einreichung des Rekurses zahlen.

Interessante Info am Rande: Würde die Aktionärin ihre Volksbank-Aktien jetzt doch zum Einzelpreis von 11,90 Euro verkaufen können, hätte sie inklusive der Entschädigung deutlich über 30.000 Euro in der Hand und somit gegenüber den ursprünglich investierten 23.786 Euro einen hohen Gewinn.

Diese bahnbrechende Entscheidung des Bankenschiedsgerichtes könnte für die Volksbank schwerwiegende Folgen haben, die weit über die Entschädigung für die einzelne Aktionärin hinausgehen. Es handelt sich nämlich um einen Präzedenzfall, den theoretisch tausende bis zehntausende Volksbank-Aktionäre für sich nutzen könnten, um ebenfalls eine Entschädigung geltend zu machen.

Bei der Verbraucherzentrale teilt man diese Einschätzung. Geschäftsführer Walther Andreaus sagt: „Diese Entscheidung ist harter Tobak für die Volksbank. Das könnte eine teure Angelegenheit werden. Es gibt je nach Anleger zwar unterschiedliche Situationen, aber wir glauben, dass sogar die Mehrzahl der Aktionäre entschädigt werden muss, denn das Bankenschiedsgericht hat gleich mehrere Fehler festgestellt. Und beim Schiedsgericht handelt es sich um ein wichtiges Organ, das mit höchsten Experten im Finanzbereich besetzt ist.“

Walther Andreaus

Jetzt könne sich jeder Aktionär, der in den letzten zehn Jahren Volksbank-Aktien gekauft hat oder die zehnjährige Verjährungsfrist unterbrochen hat, eine Beschwerde bei der Volksbank und anschließend kostenlos einen Rekurs beim Schiedsgericht einreichen.

„Wir haben versucht, mit der Volksbank Verhandlungen zu führen, aber sie ist nicht bereit, eine generelle Lösung für alle Aktionäre zu finden“, erklärt Andreaus. Damit bleibe nur der genannte Weg. „Man kann dadurch feststellen lassen, wie hoch die Entschädigung sein kann“, so Andreaus. Die VZS stehe unterstützend zur Seite.

Ein paar Zahlen, um das mögliche Ausmaß der Volksbank-Bombe zu verstehen: An der Kapitalerhöhung 2012 nahmen 19.000 Anleger teil und kauften Aktien im Wert von 63,6 Millionen Euro (damals zu 18,35 Euro pro Aktie). 2015 waren es über 27.000 Anleger bei insgesamt 95,7 Millionen Euro.

Die TAGESZEITUNG hat die Volksbank mit der Entscheidung des Bankenschiedsgerichtes konfrontiert.

Sie sagt: „Es handelt sich nicht um ein Gerichtsurteil, sondern um einen Schiedsspruch, der für die Bank nicht bindend ist. Die Argumentation des Schiedsgerichtes ist sehr generell formuliert und lässt viele Fragen offen. Insofern sind wir mit dem Ergebnis nicht einverstanden.“

Die Volksbank kündigt an, alle zur Verfügung stehenden Optionen zu prüfen – „unter anderem auch weitere rechtliche Schritte. Wir sind sehr zuversichtlich, dass wir die vorgebrachten Argumente entkräften werden.“

Wie hoch schätzt die Volksbank das Risiko von weiteren Entschädigungszahlungen ein?

„Wir halten das Risiko für überschaubar.“

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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