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Kein Hausbesuch

Dario Giannelli

Ein Bozner Turnus-Arzt verweigert einen Hausbesuch, die Patientin stirbt. Dennoch spricht ihn das Oberlandesgericht vom Vorwurf der Amtsunterlassung frei.

„Der verursachte Schmerz kommt in der Urteilsbegründung nicht vor. Dennoch soll diese traurige Geschichte nun einen Abschluss finden.“ So lautet das Fazit des Zeugen, der dem Verfahren gegen den Bozner Turnus-Arzt Alfonso Pecoraro mit seiner Aussage im Berufungsprozess am Bozner Oberlandesgericht eine neue Wendung gegeben hat.

Beim Zeugen handelt es sich um den früheren Bozner RAI-Journalisten Dario Giannelli, dessen Mutter am 18. Juli 2012 verstarb.

Wenige Stunden vor ihrem Tod verständigte er den Bereitschafts-Arzt, und schilderte ihm den prekären gesundheitlichen Zustand der betagten Frau. Pecoraro verweigerte einen Hausbesuch und empfahl dem Anrufer, für seine Mutter in der Apotheke das Medikament Buscopan zu besorgen. Und gegebenenfalls die Rettung zu verständigen.

Diese Aussagen bestätigte Giannelli als Zeuge im Berufungsprozess am Oberlandesgericht. Pecoraro war 2016 am Landesgericht vom Vorwurf der Amtsunterlassung freigesprochen worden. Weil sein Verhalten keine Straftat darstelle, wie es im Urteil hieß. Die Staatsanwaltschaft legte Berufung dagegen ein.

Das Oberlandesgericht sprach Pecoraro im Juli dieses Jahres erneut frei  – diesmal mit einer äußerst kuriosen Formel: Die Amtsunterlassung ist demnach – auch durch die Aussagen des Zeugen Giannelli – erwiesen, wegen besonderer Geringfügigkeit („tenuità“) der Straftat sei der der Arzt aber freizusprechen. Die Geringfügigkeit wird in der nun vorliegenden Urteilsbegründung damit erklärt, dass der Schmerz der Patientin durch eine Morphium-Spritze des später herbeigeilten Notarztes gelindert worden sei. Eine solche hätte der Turnus-Arzt, wie das OLG schreibt, aber nicht verabreichen können.

Die Mutter des Journalisten verstarb rund eineinhalb Stunden nach dem Anruf bei Pecoraro.

Das Oberlandesgericht hält nun aber zumindest fest, dass der Bereitschafts-Arzt nach den detaillierten Angaben Giannellis zu einem Hausbesuch verpflichtet gewesen wäre.

Die Kassation hatte zuvor wegen weit geringfügiger Fälle – eine Mutter, die wegen eines Bauchwehs eines Kindes – Schuldsprüche gegen Ärzte wegen Amtsunterlassung bestätigt. (tom)

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