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Vermögen und Verwandtschaft

Wie bestimmen Frauen innerhalb des Familiengeflechts über ihre Finanzen – früher und heute? Darüber diskutieren die Historikerin Siglinde Clementi und die Frauenrechtsexpertin Marcella Pirrone im Frauenarchiv Bozen.

Unabhängigkeit bedeutet (auch), frei über Vermögen, Besitz und Geld verfügen zu können. Dies galt und gilt nicht nur für Frauen. Dennoch sind, zumindest in historischer Perspektive, für sie die Möglichkeiten dazu eingeschränkter. Ist es heute gewiss leichter für Frauen, eigenständig ein Einkommen zu verdienen und darüber zu verfügen, sind damit zusammenhängende Fragen in der Praxis dennoch bisweilen ein Pulverfass latenter Konflikte, die vor allem innerhalb der Familie immer wieder neu ausgehandelt werden müssen. Das gilt selbstredend auch für die Vergangenheit.

Welche Vorlagen bieten und boten hierfür rechtliche Regelungen, welche Möglichkeiten gibt und gab es in diesem Spannungsfeld, wie gestaltet und gestaltete sich die Rechtspraxis?

Über diese Fragen sprechen die Rechtsanwältin und Frauenrechtsexpertin Marcella Pirrone und die Historikerin Siglinde Clementi vom Kompetenzzentrum für Regionalgeschichte der Freien Universität Bozen. Clementi hat zusammen mit der britischen Historikerin Janine Maegraith kürzlich das Themenheft „Vermögen und Verwandtschaft / Patrimonio e parentela“ der Bozner Zeitschrift„Geschichte und Region / Storia e regione“ herausgebracht, in dem das Verhältnis zwischen Rechtsnorm und Rechtspraxis im Umgang mit dem Familienvermögen untersucht wurde. Sechs Analysen aus verschiedenen Regionen, untern anderem zum historischen Tirol, zeigen die Bandbreite historischer Möglichkeiten innerfamiliärer Finanzgebarung auf.

Die Heirat und das Erbe stellten zentrale und brisante Momente der Vermögensübertragung unter Verwandten dar und wurden deshalb auch penibel durch Verträge, Testamente und Vereinbarungen geregelt. Diese dienten nicht nur der innerfamiliären Besitzaufteilung und der finanziellen Absicherung der Frauen, sondern boten auch die Möglichkeit, weitreichende Familienbande zu knüpfen. Dabei war das Konfliktpotential groß: Verschiedene Interessenslagen trafen aufeinander und mussten im Austausch zwischen Generationen und Geschlechtern geregelt werden.

So unterschiedlich die Handlungsspielräume für Frauen in der Vergangenheit waren, so facettenreich ist die Situation noch heute, wenngleich sich die Konfliktzonen verschoben haben dürften: Zwar sind auch gegenwärtig Erbschaftsfragen und Ehereglements trotz der romantischen Überhöhung von Ehe- und Familienbeziehungen noch wichtig als Basis für das finanzielle Arrangement von Familien, das Konfliktspektrum hat sich aber wesentlich erweitert. Die „neuen“ Fragen kreisen um den Themenkomplex Trennung, Scheidung und Unterhalt für Partner und Kinder, um die noch immer ungeklärte Problematik der (unbezahlten) Pflegearbeit, um die schwierige Vereinbarkeit von Beruf und Familie, um die finanzielle Sicherheit von Jungfamilien oder die Altersarmut.

Der Diskussionsabend mit Siglinde Clementi und Marcella Pirrone sowie die Präsentation des Themenheftes von “Geschichte und Region/Storia e regione” „Vermögen und Verwandtschaft/Patrimonio e parentela“ finden am 23. Oktober 2019, um 18 Uhr im Frauenarchiv Bozen statt. Die gemeinsame Veranstaltung von „Geschichte und Region/Storia e regione“, dem Kompetenzzentrum für Regionalgeschichte der unibz und dem Frauenarchiv Bozen ist öffentlich und frei zugänglich.

 

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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