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„Ich werde Südtirol streichen“

Falkensteiner-Hotel in Reischach (Rendering/Thun)

Wie viel Tourismus verträgt das Pustertal noch? Und wie viel sind die Gäste bereit zu ertragen? Der Schriftverkehr eines Urlaubers aus Deutschland mit den hiesigen Politikern zeigt die große Kluft zwischen Schein und Sein.

von Silke Hinterwaldner

„Ich bin ziemlich erschüttert“, sagt Axel Müller. Der Arzt aus Magdeburg hatte im Frühsommer wie so oft seinen Urlaub im Pustertal verbracht, genauer gesagt in Reischach. Dort war er auf eine riesige Baustelle in der Seilbahnstraße aufmerksam geworden.

Mit Erstaunen stellte er fest, dass noch ein neues Hotel in Reischach gebaut wird: das Fünf-Sterne Haus der Gruppe Falkensteiner. Dabei, meint Müller, seien die Straßen heute schon überlastet, genauso wie andere Infrastrukturen, es fehle an Fachpersonal, es ziele alles auf eine Ausbeutung von Natur durch Massentourismus ab. Weil er sich Sorgen um Südtirol macht, schrieb der Arzt aus Magdeburg einige Politiker im Land an: den Landeshauptmann, den Bürgermeister von Bruneck und die Grünen im Landtag.

Die Antworten, die er erhalten hat, erschüttern ihn allerdings. Zum einen, weil alles, was er anmahnt, offensichtlich längst bekannt ist und man trotzdem keine Kurskorrektur vornimmt. Das geht aus der Antwort der Grünen Abgeordneten im Landtag hervor. Zum anderen aber auch, weil manche Antworten einfach nur inhaltsleer sind. So schreibt etwa der für den Tourismus zuständige Landesrat Arnold Schuler im Auftrag des Landeshauptmannes. Im Brief heißt es:

„Ich möchte unterstreichen, dass wir hier in Südtirol sehr bemüht sind, Themen wie Nachhaltigkeit, schonender Umgang mit den Ressourcen und Umweltschutz zu diskutieren und Lösungen auszuarbeiten. Es gilt nun die Interessen aller zu bündeln und im Sinne einer umweltfreundlichen und nachhaltigen Denkweise die richtigen Maßnahmen zu setzen. Mit diesem Bewusstsein arbeiten wir täglich. Dabei geht es um Themen wie nachhaltige Mobilitätskonzepte, Regionalität, Erhaltung bereits vorhandener Strukturen statt Ausweisung neuer Tourismuszonen und damit neuer Bauten, kontrolliertes und begrenztes Wachsen auch von touristischen Einrichtungen, Steigerung der Qualität und nicht der Quantität, Stärkung und weitere Aufwertung der Synergien zwischen Landwirtschaft und Tourismus.“

Das sind alles schöne Worte, aber keine echte Antwort auf die vielen brennenden Fragen, die Axel Müller gestellt hat. Roland Griessmair, Bürgermeister von Bruneck, geht dabei schon etwas tiefer. Dass seine Stadt „dem Massentourismus geopfert“ werde, lässt er nicht gelten. Schließlich handle es sich bei der Falkensteiner-Gruppe „nicht um irgendeinen internationalen Konzern, der lediglich auf Profit ausgerichtet ist, sondern das Unternehmen der Gebrüder Falkensteiner ist im Pustertal sowohl gesellschaftlich als auch sozial tief verwurzelt und ist ein Vorzeigeunternehmen unseres Landes“. Aber an den Problemen durch vielleicht zu viel Tourismus und zu viel Verkehr ändert sich dadurch nichts. Dazu sagt Roland Griessmair:

„Tatsache ist, dass das Verkehrsaufkommen steigt. Dem kann ich nicht widersprechen. Die Wichtigkeit dieses Themas wurde von der Politik schon vor Jahren erkannt. In den letzten zehn Jahren hat sich in unserer Stadt und auch darüber hinaus sehr viel Positives getan. Durch den Bau von Umfahrungsstraßen werden nun Staus weitgehend vermieden. Selbstverständlich gibt es in der Hochsaison weiterhin Spitzentage, an denen es trotzdem zu Staus und Wartezeiten kommt. Wenn man zehn oder zwanzig Jahre zurückdenkt, wie sich die Autoschlangen durch die Ortschaften schlängelten, so ist die Umweltbelastung heute trotz des erhöhten Verkehrsaufkommens sehr viel geringer.“

In den Augen von Axel Müller bewegt sich das Tourismusland Südtirol nicht in die richtige Richtung. Er fragt sich weiterhin: „An welchen Schlangen soll ich dann während der Saison – und auch in der Nebensaison – anstehen? Mit wie vielen Mittouristen belebe ich die Stadtgasse, versuche, in eine Ausstellung zu gelangen oder hoffe, mit dem ja nun in kürzerem Takt fahrenden City-Bus mitzukommen?“ Ihm scheint das tatsächlich alles zu viel zu werden. Er kommt nach seinem Südtirol-Urlaub heuer und nach dem wenig erhellenden Schriftverkehr mit den Politikern zum Schluss: „Letztlich werde ich Südtirol aus meinen Reiseplänen streichen, da wir tatsächlich näher gelegene Ziele haben und diese versuchen, den Rest Natur, den wir noch haben, zu erhalten.“

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (104)

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  • andreas

    Typisch Deutscher, welcher annimmt, die Welt belehren zu müssen.
    Den BER, Cargolifter, Lausitzring, usw. nicht auf die Reihe kriegen, 21% AFD Wähler, aber anderen Ländern erklären wollen, wie die Welt funktioniert.
    Aber ab Morgen hat er wahrscheinlich eine Ministerpräsident von der AFD, an den kann er sich dann wenden, um die Probleme in seiner Heimat Brandenburg zu lösen.

    Lustig ist aber, dass Touristen sich beklagen, dass irgendwo zu viele Touristen sind.
    Dieser Herr nimmt wohl auch an, dass er das Recht hat, da zu sein und dass die anderen zuhause bleiben sollen.

    • unglaublich

      Das mit dem Belehren ist lustig. Ganz besonders, wenn das Andreas sagt. 🙂 🙂

    • george

      Nein, ‚andreas‘, nicht typisch Deutscher. Inzwischen sehen das Italiener so, Hiesige so, Spanier so, Skandinavier so usw. Typisch ist einzig und allein, dass wir das Problem längst schon kennen und unsere Regierenden, Machtinhaber und Verbindungsleute ganz einfach das nicht wahrhaben wollen und immer mit noch mehr Rummel und Erschließung aufwarten. Damit meinen sie punkten zu können.
      Auch bei dir ‚andreas‘ sind es immer nur die anderen, die zu kritisieren und zu raunzen haben, sonst scheint für dich ja fast alles in Ordnung zu sein, obwohl das Umfeld und die Umwelt fast tagtäglich das Gegenteil aufzeigen. Nichts als schöne Worte und Beschwichtigungen, aber kaum entsprechende Maßnahmen. Die Natur belehrt uns einer anderen Anschauung. Aber auch hier wir von euch alles nur auf Einmaligkeiten herabgebrochen, wo bald nur mehr Dauerzustand herrscht.

      • asterix

        @george, leider sind hinter unseren Regierenden ganz andere Figuren die die Fäden ziehen. Längst ist die SVP zu einem rechten Selbstbedienungsladen für Wirtschaft, Tourismus und besonders den Weinbergweg geworden.

    • tiroler

      Dieser Axel ist doch Ossi, oder?
      Er sollte Kohl dankbar sein dass er überhaupt in den Urlaub fahren darf, anstatt Südtirol zu kritisieren. Denke mal dass er vor der eigenen Haustür genug zu kehren hat…

  • bernhart

    Hallo Leute seid Ihr alle mit dem falschen Fuss aufgestanden, was sollen diese ganze Anschuldigungen und Beleidigungen.
    Fakt ist die Obergrenze im Tourismus ist erreicht. Der Billig-Tourismus ist unser Problem.
    Fakensteiner ist eine Gruppe welche auf Qualität setzt und das ist gut. Wirt müssen unseren Gästen mehr bieten als nur unser schönes Land, es braucht Unterhaltungen- Führungen und vor allem Beigleitung das menschliche fehlt,der persönliche Kontakt den es früher noch gab ist verloren gegangen.Ich lade den Herrn Müller ein in den Obervinschgau zu kommen , dieser ist noch nicht so touristisch erschlossen.

    • andreas

      Stimmt doch so gar nicht.
      Südtirol und Billigtourismus ist ein Widerspruch in sich, da es bei uns nicht billig ist.
      Auch ist das Persönliche und Gastfreundschaft unsere Stärke gegenüber Österreich.

      Nebenbei ist diese abwertende Art von „Billigtourismus“ zu schreiben nicht sonderlich zielführend, da es abwertend und überheblich ist.
      Früher wollte z.B. auch keiner die Motorradfahrer, da sie nur saufen und Radau machen. Nun sind sie teilweise die beliebtesten Gäste, da sie saufen und Radau machen, aber Geld haben.

      • bernhart

        warst du mal in Urlaub andres?? wahrscheinlich mit verschlossenen Augen, denn die meisten Urlauber lernen „nur das Personal“ kennen, das persönliche bleibt auf der Strecke.
        Soweit ich informiert bin wurden bei uns keine Ausnahmen gemacht Moto ober Auto, aber Aussnahmen bestätigen die Regeln.

      • leser

        Anderle
        Ja ich finde das persönliche der südtiroler gastfreundschaft auch immer gut besonders wenn ich ins restaurant gehe wo mich der polnische jellner anstammelt, an der theke bei der albanischen kellnerin mit händen und füssen erklären muss was ich trinken will und aus der küche der pakistanische abspüler und afrikanische koch angrinst
        Ja anderle hohen standard haben wir da hat die tourismuswerbung recht und du natürlich auch
        Um diesen standard zu halten machen unsere tourismusprofis laufend meetings und podiumsdiskussionen mit deutschen gastrednern damit wirs lernen

      • ostern

        @andreas
        …….schon deswegen mache ich lieber in Österreich Urlaub,
        weil mir DIESE Gastfreundschaft lieber ist, und nicht die vielen,
        aber natürlich nicht alle, geldgierigen Südtiroler Gastwirte.
        Noch dazu ist das Personal vielfach aus Österreich und nicht
        wie hier in Südtirol aus überall her..
        In Südtirol, hauptsache, das Personal ist billig!!!!!

    • george

      Da könnte ‚bernhart‘ wohl eingen die nackte Wahrheit gesagt haben, sodass sie sofort polemisch zurückschlagen bzw. vom Thema abzulenken versuchen.

  • equalizer

    Es ist eine wertvolle (Marketing-) Gespflogenheit in einem modernen und seriösen Unternehmen, Reklamationen oder Kritiken von Kunden ernst zu nehmen, sich dafür zu bedanken, sie zu hinterfragen und in einer Selbstreflexion zu bewerten und Schlüsse daraus zu ziehen. Dann aber, sollte die Anmerkung des Kunden berechtigt sein, gilt es Massnahmen zu setzen, um den Misstand zu beseitigen.
    Auf Kritiken mit herablassender, arroganter, mit nichtssagenden Floskeln, oder gar in beleidigender Art zu reagieren, ist nicht nur kontraproduktiv, sondern niveaulos und Zeugnis von Dummheit. Hier ist nicht nur der eine oder andere Komentator, sondern leider auch zum Teil die verantwortlichten politischen Vertreter gemeint.

  • prof

    Interessant ist,daß ihr euch ja anscheinend beim richtigen Namen kennt.

  • meraner

    Hoffentlich ist das Sommerloch der Medien bald vorbei. Denn nur so kann man sich erklären, dass einem Leserbrief von irgend einem Touristen eine ganze Seite in der Printausgabe gewidmet wird. Manchmal wäre es niveauvoller die Seite einfach leer zu lassen.

  • george

    Es fragt sich wirklich, wer hier die „Erbschleicher“ sind und unser Land inzwischen menschlich wie gesellschaftlich so verzogen haben. Bescheidenheit ist sicher einem Großteil der Südtiroler inzwischen zum Femdwort geworden. Damit ist das Wohlbefinden in Südtirol sicher nicht größer geworden.

  • tiroler

    Hier fehlt nur noch Reinholds Liste. Dann sind die Vollpfosten veteint…

  • andreas

    Ein Deutscher aus einem rückständigen Bundesland kommt nach Südtirol, sieht eine Baustelle die ihm nicht passt, meint wenn er da ist, müssten die Straßen frei sein, schreibt an x Südtiroler Politiker, bekommt sogar eine Antwort, was nicht logisch ist und will dann Südtirol erklären, wie es sich wirtschaftlich zu entwickeln hat…..

    Na ja, am deutschen Wesen, soll wohl wieder mal die Welt genesen.
    Dieselben Drohungen wie beim „Wunder von Mals“.

    Das wäre so als würde man in seine Stammkneipe gehen und dem Wirt erklären, dass er gefälligst weniger Tische aufstellen und weniger Gäste einlassen soll, da man mehr Platz und mehr Ruhe haben möchte, man gibt ja sein hart verdientes Geld dort aus.
    Anscheinend kapieren manche diese Anmaßung nicht recht.

  • andreas

    Und noch was, da sich hier einige widersprechen.

    Seid doch froh, wenn der Deutsche nicht mehr kommt.
    Ihr wollt doch eine Obergrenze und den Tourismus reduzieren.
    Eigentlich müsste man ihm als Dank ein Diplom für diese nachhaltige Entscheidung im Sinne von Südtirol überreichen.

    • leser

      Anderle
      das mit dem diplom ist grundsätzlich richtig
      Aber dann wäre dein ämterlejob einer der ersten der nicht mehr bezahlt werden kann und dann müssten wir proleten und arbeiter dich auch nich durchfüttern
      Also mir wär das gar nicht recht

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