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Herta Müller zu Gast

Nobelpreisträgerin Herta Müller:„Ich mag das Wort Heimat nicht.“ (Foto: von Becker)

Nach 10 Jahren ist Herta Müller wieder Gast der Literaturtage Lana und eröffnet am 3. September das Festival auf dem Lande, das in seiner 34. Ausgabe dem Thema Heimat gewidmet ist und literarisch einem Gefühl nachgeht, das zwischen Mythos und Utopie wandelt.

„Ich mag das Wort Heimat nicht,“ sagt Herta Müller und schreibt: „Wenn ich mich zu Hause fühle, brauche ich keine ‚Heimat’. Und wenn ich mich nicht zu Hause fühle, auch nicht”.

Wenn die Nobelpreisträgerin die Literaturtage Lana 2019 eröffnet, kommt mit dem Begriff gleich ein ganzes Feld voll überreizter und ebenso müder Widersprüche ins Rutschen. Wort und Gefühl driften da auseinander, haben nichts miteinander zu tun. Steht der rumänisch-deutschen Autorin das Wort „Heimat“ ins Haus, wird es ungemütlich.

Wird es zum Thema der 34. Literaturtage Lana, tut sich ein vermintes Gebiet auf und wird, übersät von Bildern und Un-Bildern, schnell enges Gehege, „Niemandsland, Verwilderung, gestörtes Gelände alter Geschichten“ (Esther Kinsky). Unentwegt bewegt es dabei ein Denken und Gefühl, in dem Topos, Mythos, Utopie und Ideologie eng zusammen- und ineinanderwirken und für „Heimat“ Realität, Fiktion oder Phantasma entwerfen. Dabei vermögen sie, bei all seinen Entwicklungen und Windungen, dem Wort eine verlässliche Beständigkeit zu geben, die sich so verhält, als wäre sie dem Wort und seinem Wert schon immer, von Natur oder einem intrinsischen Bedürfnis heraus, mitgegeben und nicht gerade Teil seiner von langer Hand eingeschriebenen Bedeutung. Wer immer aber von „Heimat“ spricht, greift auf alte Bilder zurück und betritt nie geschichtslosen Boden.

Was macht das Wort so verfänglich, dass es manchen nur in seiner Negation erträglich ist? Und was macht ein Gefühl dafür so empfänglich – das eines Glücks ebenso wie das des Schreckens – , dass es damit eine Sinnsuche anstiftet? Was tut dieses Wort im Kopf?

Es gibt den Begriff „Heimat“ nur im Deutschen und er ist kaum zu übersetzen in eine andere Sprache. Belastet v.a. durch seinen Gebrauch durch die Nazis, haftet ihm die Bedeutung des Völkischen ebenso wie das Heil des Exklusiven immer noch an. Darin wird er zu einem klebrigen Brei, in dem Patrioten aller Länder rühren und „Heimat“ als selbstverständliches und voraussetzbares Gut für einen Teil der Bevölkerung annehmen.

Genauso aber trifft es auch zu, dass das Wort für eine Suche steht oder für eine Erinnerung an etwas, das es einmal gab und vielleicht auch nie, oder an das, was wir nicht loswerden, und dass eine Heimsuche, mitunter in der Frage nach der Sprache und Schrift, die Frage nach uns selber ist, nach etwas Vergessenem oder nach Verlorenem und wir wollen damit „die Zeit einholen, in der wir nicht da waren“ (Melinda Nadj-Abonji).

Vielleicht liegt darin das Sehnsuchtsmoment und nicht allein eine Zeit, sondern „Heimat ist, wo noch niemand war.“ Ernst Bloch beschrieb damit den besseren Ort, den wir erst erreichen müssen, und stellt damit die Frage nach etwas, was erst zu finden und herzustellen ist als das, was „Heimat“ heißen könnte.

2019 jähren sich 3 historische Ereignisse, die für Südtirol eine bedeutende Rolle gespielt und das Land wesentlich geprägt haben. Mit dem Vertrag von St. Germain 1919 wurde Südtirol nach dem Ersten Weltkrieg der Siegermacht Italien zugesprochen. 1939 unterzeichneten Hitler und Mussolini ein Optionsabkommen, mit dem sich Deutschsüdtirolerinnen und Ladiner für Italien oder für das Deutsche Reich entscheiden mussten. Und schließlich fand vor 50 Jahren der Paketabschluss des sog. „Autonomiestatuts“ statt, das die Grundlage des Minderheitenschutzes in Südtirol ist.

Wie „Heimat“ dabei zum politischen Spielball wurde und das Grenzland bis heute hin auch ideologisch zu bestimmen versucht, ist eine der Fragen dieses dreifachen Gedenkjahres.

In Lana wird sie literarisch gestellt.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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