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Schwer vermittelbar

Foto: Tierheim Sill

Immer mehr Kampfhunde landen im Tierheim – weil die Hundebesitzer überfordert sind.

von Eva Maria Gapp

Es ist ein großes Problem“, sagt Christian Piffer, stellvertretender Direktor des Tierärztlichen Dienstes in Bozen. „Immer mehr Kampfhunde werden bei uns abgegeben. Sie bleiben dann oft jahrelang im Tierheim, weil sie keine Familie aufnehmen will,“ sagt er. Dabei handelt es sich vor allem um Pitbulls und American Staffordshire Terrier. „Diese gelten leider als schwer vermittelbar“, sagt er. Selbst junge Hunde, eineinhalb Jahre alt, würden sich schwer tun, eine geeignete Familie zu finden. Für das Tierheim in der Sill hat das Konsequenzen: „Diese Hunde belegen auf lange Zeit Plätze und behindern damit die Funktion, Tiere zeitweilig aufzunehmen“, so Piffer. Giulia Morosetti, Hundepsychologin und diplomierte Hundeerzieherin im Tierheim Sill, ist traurig über diese Entwicklung: „Früher gab es dieses Phänomen noch nicht. Seit etwa fünf Jahren stehen wir vor diesem Problem, dass immer mehr Kampfhunde abgegeben werden. In den Tierheimen sieht man fast nur mehr diese Hunde“, sagt sie. Immer mehr Kampfhunde landen in Südtirol also im Tierheim. Doch warum werden sie überhaupt abgegeben?

Hunde als Haustiere sind beliebt wie noch nie. Es herrscht regelrecht ein Hunde-Boom in Südtirol. Über 40.000 Hunde gibt es hierzulande. Tendenz steigend. Dabei haben es den Südtirolern vor allem Kampfhunde angetan. Das weiß auch Piffer: „Sie liegen ganz klar im Trend. Viele schaffen sich solche Hunde an, weil es Mode ist. Pitbulls werden oft als Prestigeobjekte gesehen.“ Vor allem junge Leute sehe man häufig mit dieser Hunderasse. Die negative Seite daran ist aber, dass viele mit diesen Tieren überfordert sind: „Viele sind völlig ahnungslos. Sie denken, sie hätten einen Labrador gekauft, dabei handelt es sich um einen Charakterhund und nicht jeder weiß, wie man sie erzieht“, sagt er. Die Folge ist: Diese Hunde landen dann vielfach bei Christian Piffer und seinen Kollegen im Tierheim. „Sie sagen dann, sie kommen mit dem Hund nicht zu Recht, er ist ihnen zu aggressiv oder in der Familie wird plötzlich jemand allergisch“, so Piffer. Ob es sich dabei um eine Ausrede handelt, könne er nicht beurteilen.

Hinzu kommt, viele würden diese Hunde auch unterschätzen: „Wenn sie noch Welpen sind, schauen sie sehr süß aus. Viele bedenken aber nicht, dass diese Hunde später auch besitzergreifend sein können. Wenn man das nicht weiß und sie nicht dahingehend erzieht, dass sie nicht immer die Rolle des Verteidigers einnehmen müssen, kann dies für die Besitzer sehr fordernd sein. Nicht alle Hundebesitzer halten das aus“, sagt Giulia Morosetti.

Hannes Conci, Hundetrainer und Coach für Hundebesitzer kennt das Problem, dass viele Kampfhunde im Tierheim landen. Er hat tagtäglich mit Hundebesitzern und ihren Problemhunden zu tun. Er weiß, dass viele überfordert sind. Viele würden sich aber laut Conci ohnehin nur einen solchen Hund anschaffen, weil es heutzutage „cool“ ist: „Diese Hunde fungieren für viele nur als Statussymbol. Wenn ich mit meinem Pitbull mit Nietenhalsband herumlaufe, errege ich Aufmerksamkeit. Das gefällt vielen. Von der Rasse oder seinem Charakter haben die meisten aber keine Ahnung“, sagt er. Genau das sei aber problematisch. „Man muss sich bewusst sein, dass es sich bei Kampfhunden, wie Pitbulls und American Staffordshire Terrier um Wachhunde-Rassen handelt. Sie sind dafür gezüchtet worden, um aufzupassen. Diese Hunde haben immer einen großen Wachinstinkt und wenn man diese in schwache Hände gibt, entwickelt der Hund diesen Instinkt so stark, dass er gefährlich wird“, erklärt er. Deshalb sei es wichtig, dass der Hundebesitzer von Anfang an die Führungsposition übernimmt.

Zudem bemängelt Conci, dass bei diesen Hunden immer nur davon geredet wird, dass sie sehr viel Auslauf brauchen. „Die Kopfarbeit ist aber genauso wichtig, nur wissen das die wenigsten. Einen Pitbull oder American Staffordshire Terrier allein mit Bewegung auszulasten, geht fast nicht. Das sind Athleten und sehr arbeitswillige Tiere. Man müss ihnen auch Übungen geben, wo sie ihren Kopf anstrengen müssen“, sagt er. Die meisten würden sich aber auch nicht näher mit dem Hund auseinandersetzen wollen: „Viele haben nicht die Zeit oder den Willen, sich auch wirklich mit dem Hund und seinen Problemen zu beschäftigen. Sie bringen ihn dann einfach ins Tierheim, weil es für sie leichter ist“, sagt er. Für den Hund sei dies aber keine Hilfe. Im Gegenteil. Das Problem werde dadurch nicht gelöst: „Im Tierheim haben sie meist nicht die nötige Zeit, um das Problem zu behandeln, was auch verständlich ist. Deshalb werden auch viele Hunde nicht mehr weitervermittelt“, sagt er. Laut Conci würden aber auch viele Züchter und Tierschutzorganisationen zu wenig darauf Acht geben, zu welchen Besitzer der Hund schlussendlich kommt: „Eine Familie hat mir erst vor kurzem erzählt, dass ihnen ein italienischer Schäferhund vermittelt wurde, der sehr arbeitswillig ist. Sie waren total überfordert“, sagt er.

Traurig ist Conci aber auch darüber, wenn er etwa davon erfährt, dass Hundeschulen den Hundebesitzern mitteilen, dass es keine Chance mehr für einen sogenannten Problemhund gibt. Denn laut Conci kann man jedem Hund helfen: „Erst vor kurzem hat mich ein Hundebesitzer angerufen und mir gesagt, dass es einen Vorfall mit seinem Hund, einem American Staffordshire Terrier gegeben hat. Seine Hundeschule hat ihn dann vor die Wahl gestellt: entweder einschläfern oder beim Tierheim abgeben. Das kann ich nicht verstehen. Ich bin mir sicher, dass 99 Prozent aller Hunde resozialisiert werden können, und das unabhängig davon, wie sie sich verhalten oder wie alt sie sind“, sagt er. Deshalb ist der erfahrene Hundetrainer auch der Meinung: „Grundsätzlich kommt kein Hund gefährlich auf die Welt. Er wird erst dazu gemacht. Es ist immer eine Frag der Erziehung“, sagt er.

Da ihm dieses Thema am Herzen liegt und diesen Hunden helfen will, möchte er zukünftig ein Projekt starten. „Ich würde gerne potenzielle Problemhunde zu mir nehmen und sie so erziehen, dass sie wieder von einer Familie aufgenommen werden können“, sagt er. Zudem möchte er mit anderen Hundetrainern einen verpflichtenden Hundeführerschein einführen. „Das Ziel soll sein, dass jeder Hundebesitzer, der einen Hund als Freizeitbeschäftigung hat, einen Grundkurs in der Hundeerziehung macht“, sagt er. Dadurch würden laut Conci auch viel weniger Hunde im Tierheim landen. „Es wäre ein Ansatz, um diesem Problem entgegenzuwirken“, sagt er. Außerdem empfiehlt er jeden zukünftigen Hundebesitzer, vor jedem Kauf eine Hundeberatung in Anspruch zu nehmen: „Denn dort erfahren sie, für was der jeweilige Hund gezüchtet wurde und sie können sich selbst darüber Gedanken machen, welche Ansprüche man selbst an den Hund hat“, sagt er. Das sei sehr wichtig.

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