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Geschichte oder Häppchen

Aperitif mit Häppchen, Knödel und Jazz-Konzerte: Viele Veranstaltungen finden Platz im Jubiläums-Kalender der Unesco-Stiftung. Ausgeschlossen wurden nur eine Buchvorstellung und eine Ausstellung von Michael Wachtler. Die offizielle Begründung: zu wenig wissenschaftlich.

von Silke Hinterwaldner

Michael Wachtler ist wieder einmal verärgert. Aus gutem Grund: Das Welterbe Unesco besteht heuer seit zehn Jahren, das Jubiläum wird ausgiebig gefeiert mit allerhand Veranstaltungen. Nur: Jene des Forschers und Besitzers des Dolomythos in Innichen finden dabei keine Erwähnung.

Bereits im Vorfeld des Symposiums im Juni im Gadertal hatte Michael Wachtler einen Dämpfer bekommen: Zuerst war er als Gastredner eingeladen – und dann wieder ausgeladen worden. Wohl, weil politisch nicht opportun. Nun folgt der zweite Streich.

Für Freitag, den 9. August, hat er eine Buchvorstellung auf seinem Programm. „Die Entstehung der Dolomiten“ wird präsentiert. Gleichzeitig wird im Dolomythos eine aufwändige Sonderschau über die „Geschichte der Dolomitenerforschung“ gezeigt. Aber diese beiden Veranstaltungen finden im Kalender der Jubiläumsfeierlichkeiten keinen Platz. Auf eine Anfrage von Wachtler im März antwortete Marcella Morandini, Direktorin der Dolomiten Unesco-Stiftung: „Diesen Initiativen fehlen die nötige wissenschaftliche Vertiefung und ausreichend Literaturhinweise.“

Auf der anderen Seite aber finden weit weniger wissenschaftliche Events Erwähnung in der langen Liste der Unesco-Feierlichkeiten. Unter den 140 Initiativen, die im Kalender vorkommen, gibt es Aperitif mit Häppchen unter dem Latemar, organisiert vom Tourismusverein Obereggen, oder unterhalb des Popera darf Michelin-Koch Alessandro Gilmozzi sein Können zum Besten geben. In den Kalender aufgenommen wurde auch „Auguri Dolomiti“, eine Reihe von Jazz- und Musikkonzerten in unberührter Natur mit „Videomapping auf die majestätische Pisciadu-Wand“. Und nicht zuletzt wird die Erschließung des Welterbes mit Straßen und Hotels gefeiert. „Die Dolomiten. Geschichten von Menschen, Tieren und Bergen“, welche den Bau der Dolomitenstraße folgendermaßen verherrlicht: „Wo eine Straße hinkommt, kann man Hotels bauen. Und je mehr Straßen es gibt, desto besser bestätigt sich die Schönheit der Gegend.“ Und heute „wurden diese Berge in das Welterbe aufgenommen und sie gehören zu den belebtesten, am meisten fotografierten, und berühmtesten dieser Erde“.

Michael Wachtler geht es um Grundsätzliches. So macht er auch darauf aufmerksam, dass am Piz da Peres, am äußersten Rand des Welterbes, heuer im Sommer wieder einmal Bagger graben, um neue Lifte und Skipisten zu errichten. Umgekehrt aber würde man ihn, sobald er einen interessanten Stein aufhebt und mit nach Hause in sein Museum nimmt, wie einen Verbrecher behandeln. Ausdruck dafür war das Gerichtsverfahren, in dem das Land die Fossilien aus Innichen zurückverlangt hat. „Ich gelte als Quergeist und Nestbeschmutzer“, sagt Wachtler, wohl deshalb werde er systematisch aus allen öffentlichen Veranstaltungen ausgegrenzt. Dabei wirft er immer wieder kritisch Umweltfragen auf, um darauf aufmerksam zu machen, dass man nicht vom rechten Weg abkommen soll.

Auch deshalb sagt er, dass auffallend oft die Tourismusorganisationen, von der IDM bis zur  Trentiner Tourismusmarketing-Gesellschaft visittrento, das Sagen im Weltnaturerbe hätten. Wachtler meint: „Der Eindruck scheint nicht abwegig, dass die Tourismusindustrie die Stiftung Dolomiten Unesco-Welterbe unter ihre Kontrolle gebracht hat, um damit eine Rechtfertigung ihrer grenzenlosen Vermarktungsoffensiven zu erhalten.“ Dabei sollte doch vielmehr eine nachhaltige Entwicklung im Vordergrund stehen.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (4)

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  • george

    Weil dort erdgeschichtlich besonders wichtige und interessante Fossilien lagern, die durch Baggereingriffe von Leuten, die davon keine Ahnung haben und auch nichts verstehen, unwiederbringlich zerstört werden können.

  • saustall_kritiker

    Ja immer häufiger ist der Unterschied zwischen den maßgeblichen Stellen bei uns und den Mafiosi südlicher Prägung nicht mehr so leicht zu erkennen, Nur weil Wachtler wendiger und oft klüger ist als viele unserer Kulturbürokraten, wird er ausgegrenzt, wo es nur geht. Dass Wachtler hier bei den Unesco-Aktivitäten nicht mitmachen kann, wo andererseits alle möglichen Möchtegern-Kulturtreibenden dabei sind, ist das letzte typische Beispiel dafür. Weil er darauf hingewiesen hat, dass mitten im Kulturerbe gebaggert wird? Der einzige noch verbliebene Unterschied ist wohl, dass er nicht, wie im Süden üblich, auch noch auf offener Straße erschossen wird ….. Ihm geht es ähnlich wie den bayerischen Findern des Ötzi, denen man nicht mal einen Finderlohn gegönnt hat, nur weil sie sich trauten einen solchen zu verlangen und denen die Wahrheit ins Gesicht zu sagen. Mit fadenscheinigen juridischen Argumenten, denen jeder Hauch von Hausverstand fehlte, hat man das abgelehnt. Mittlerweile ist wohl auch der ehemalige Landeshauptmann draufgekommen, was man hierzulande von Justiz und Gerichten noch halten soll (jedesmal ein anderes Urteil zum selben Sachverhalt). Wenn ich an diese Sachen denke, fällt mir unwillkürlich der Spruch des erst nach dem Tode rehabilierten Südtiroler Dichters Norbert C. Kaser ein: Dem F… graust.

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