Du befindest dich hier: Home » Wirtschaft » „Bürger werden nicht aufgeklärt“

„Bürger werden nicht aufgeklärt“

Foto: 123RF.com

Derzeit trifft ganz Europa Vorkehrungen, um das 5G-Mobilfunknetz einzuführen. Doch nicht alle sind davon begeistert. Die Bürgerwelle Südtirol will gar ein Referendum durchführen, um den Ausbau des Mobilfunknetzes zu stoppen.

von Markus Rufin

Diskussionen um Strahlungen durch das Mobilfunknetz sind wie ein Glaubenskrieg. Während manche davon überzeugt sind, dass Handy-Strahlungen Krankheiten wie Krebs oder Migräne verursachen können, verweisen andere immer wieder darauf, dass solche Annahmen nicht wissenschaftlich belegbar sind.

Das Thema wird letzthin wieder häufiger diskutiert. Hintergrund ist die Einführung des 5G-Mobilfunknetzes, auf das sich die Länder in Europa derzeit vorbereiten. 5G ist ein neuer, sehr flexibler Übertragungsstandard, der alle heute bestehenden Standards ersetzen soll bzw. kann: Mobilfunk, Radio, Fernsehen usw. Klar also, dass viele darüber erfreut sind, dass das neue Mobilfunknetz eingeführt wird.

Aber ebenso wird über die Gefährlichkeit von 5G gesprochen. Vor allem in Deutschland und der Schweiz weisen viele Organisationen darauf hin. Medienberichte zum Thema haben sich in den letzten Monaten gehäuft.

Hierzulande scheint das Thema an vielen Personen einfach vorbeizugehen. Dabei ist Italien eine Art Vorreiter im Bereich 5G. Als eines der ersten Länder in Europa verkaufte Italien die Lizenzen für wahnsinnig hohe Summen. Je nach Frequenzbereich bezahlten die Unternehmen bis zu 1,7 Milliarden Euro.

Dass man eine solch wichtige Änderung nicht mitbekommt, ärgert auch Francesco Imbesi von der Bürgerwelle. Sein Verband, der Teil der Verbraucherzentrale Südtirol ist, setzt sich intensiv gegen die Verbreitung von Elektrosmog ein. „Das ist eigentlich ein überaus wichtiges Thema, aber die Bürger wissen darüber nichts“, sagt Imbesi.

Die Bürgerwelle ist Teil der gesamtstaatlichen Bewegung zum Stopp des Ausbaus des 5G-Netzes. Diese gesamtstaatliche Bewegung fordert eine wissenschaftliche Voruntersuchung dieser Technologie. Bisher wurde das neue Netz nämlich nicht untersucht. „Wir haben die Lizenzen bereits gekauft, ohne medizinische Untersuchungen vorzunehmen. Dabei wurden sogar Gesetze verletzt“, unterstreicht Imbesi.

Als Teil des gesamtstaatlichen Netzwerks möchte auch die Bürgerwelle die Bevölkerung über 5G umfassend aufklären. Dieser Prozess läuft bereits. Am Dienstag gab es beispielsweise ein öffentliches Treffen des gesamtstaatlichen Netzwerkes in Trient und auch in Bozen gab es ein geschlossenes Treffen.

Derzeit berät das Netzwerk, wie die Aufklärung der Bürger und vor allem der Gemeinderäte vorangetrieben werden soll. Denn vor allem die politischen Institutionen sind es, die etwas gegen den Ausbau des 5G-Netzes unternehmen können.

In allen Regionen Italiens wurden Gemeinden dazu verpflichtet, 5G umzusetzen. Obwohl laut Imbesi starker Wiederstand in diesen Gemeinden besteht, ist Ministerpräsident Luigi di Maio mit „poteri speciali“ausgestattet. Das bedeutet, die Gemeinden müssen sich an die Vorgaben halten.

Nur in Südtirol wurde keine Gemeinde zu solchen Maßnahmen verpflichtet. „Die Landesregierung handelt aber offenbar im vorrauseilendem Gehorsam“, meint Imbesi. „Sie spricht in der Regierungserklärung klar davon, dass Südtirol ein ,smart Country‘ werden muss und damit das 5G-Netz ausbaut.“

In Meran und Bozen wurden laut Imbesi teilweise sogar Infrastrukturen gebaut. Trotz Nachfragen der Bürgerwelle wurde aber nicht genau mitgeteilt, was genau gebaut wurde.

Das alles führt dazu, dass Imbesi und seine Bewegung noch skeptischer gegenüber des 5G-Netzes sind: „Nach unserem Informationsstand können wir diese Technologie nicht als positiv ansehen. Über 2G, 3G und 4G wissen wir bereits, dass diese schädlich sind. Das ist durch Studien belegt. Nur über 5G wissen wir noch nicht Bescheid, da es dazu noch keine Studien gibt.“

Das bestätigt auch Markus Haller geschäftsführender Direktor der Abteilung medizinische Strahlenphysik im Südtirol Sanitätsbetrieb. Allerdings widerspricht er Imbesi darin, dass die anderen Frequenzen schädlich sind: „Es handelt sich immer um Mikrowellen in minimaler Intensität.“

Die Antennen, die durch den Ausbau des 5G-Netzes dazu gebaut werden, könnten zur Erhöhung der Strahlung zwar beitragen, Haller glaubt aber, dass man das unter Kontrolle hätte.

Das Amt für Strahlenschutz überprüfe ständig ob die geltenden Grenzwerte eingehalten werden – unabhängig davon um welche Frequenzen es sich handelt.

Haller geht zwar nicht so weit, die elektromagnetischen Wellen als unschädlich zu bezeichnen, erklärt aber, dass der aktuelle Wissensstand zu dieser Schlussfolgerung führt: „Man kann nicht beweisen, dass es schädlich ist, genauso kann man aber auch nicht beweisen, dass es nicht schädlich ist. Aktuell gibt es keine bewiesene Geschädigten.“

Beim Rauchen wisse man beispielsweise, dass es krebserregend ist. Über elektromagnetische Wellen könne man das nicht sagen. „Wenn ich sage, dass diese Wellen wahrscheinlich krebserregend sind, dann kann das stimmen, kann es aber auch nicht stimmen“, führt Haller aus.

Man müsse aber nur schauen, wie viele Menschen auf der Welt ein Handy benutzen, um zu erkennen, dass die Gefahr vermutlich nicht so gravierend ist. „Es gibt keine Person, bei der man klar sagen kann, dass sie gesundheitliche Schäden wegen eines Handys oder wegen einer Antenne davongetragen hat.“

Dennoch möchte die Bewegung um Francesco Imbesi in naher Zukunft ein Referendum zum Ausbau des 5G-Netzes durchführen. Zuerst soll aber die Bevölkerung umfangreich aufgeklärt werden. Erst dann will die Bewegung erreichen, dass der Ausbau gestoppt wird.

 

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (6)

Lesen Sie die Netiquette und die Nutzerbedingungen

  • andreas

    Gut tun die Strahlen gewiss nicht, dies ist aber der Preis des Fortschritts. Wer diesen nicht zahlen will, muss halt dorthin gehen, wo es keine Telefonnetze gibt.
    Sich über das schlechte Netz und gleichzeitig die Strahlen beklagen, passt halt nicht zusammen.

Kommentar abgeben

Du musst dich EINLOGGEN um einen Kommentar abzugeben.

2024 ® © Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH/Srl Impressum | Privacy Policy | Netiquette & Nutzerbedingungen | AGB | Privacy-Einstellungen

Nach oben scrollen