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Macht_Hungrig

(v.l.) Gabriel Pirpamer, Florian Andres und Lukas Roner: Es geht darum, ein Gefühl zu bekommen für die politische Welt, in der wir leben.

„Macht_Hungrig“ heißt das ambitionierte Projekt dreier Studenten aus Bozen. Eine Woche lang wollen sie in einer Hütte am Timmelsjoch versuchen, eine Gesellschaft zu simulieren. Dabei werden die Teilnehmer die Möglichkeit haben, am eigenen Leib zu erfahren, wie sich Regierungsarbeit, Ressourcenknappheit und die Eingliederung in soziale Schichten anfühlt. Ein Gespräch mit den Organisatoren Lukas Roner, Florian Andres und Gabriel Pirpamer.

Tageszeitung: Wie ist es zur Idee des Projekts gekommen?

Lukas Roner: Ursprünglich war es meine Idee. Etwas, das ich schon lange im Kopf hatte. Ich habe gleich Florian und Gabriel kontaktiert und dann ging die große Arbeit erst los. Zusammen haben wir dann das Projekt ausgearbeitet.

Florian Andres: Was dich gestört hat, war, dass wir immer endlos über Politik diskutiert haben, aber es nie wirklich die Möglichkeit für junge Menschen gab, Politik wirklich zu leben. So etwas einmal konkret, praktisch auszuprobieren. Dafür wollten wir ein Konzept schaffen.

Lukas: Ich fand das immer sehr frustrierend. Man redet und redet über die Politik, die Gesellschaft, was man selbst besser machen würde. Aber am Ende des Tages hat man eben nur geredet. Es fehlt das Ventil zum Ausleben solcher Dinge.

Wie lang hat es dann gedauert, bis ihr das Konzept entwickelt habt?

Gabriel Pripamer: Das erste Treffen war schon sehr produktiv. Das Grundkonzept hatten wir relativ schnell beisammen. Wenn ich mich recht erinnere, war es eine sehr lange Nacht. Aber wir feilen immer noch an einigen Details.

Florian: Wir sind darauf mit unserer Idee zum Jugenddienst Bozen Land, haben sie dort vorgestellt und um Hilfe gebeten, das Ganze umzusetzen, da wir ja doch sozusagen nur drei Studenten sind. Sie waren glücklicherweise bereit, uns zu unterstützen und haben uns sogar jemanden zur Verfügung gestellt, der das Projekt mit uns durchführen wird.

Am Anfang werden die Teilnehmer erst einmal alle auf der Hütte ankommen. Wie schafft man es dann, eine Gesellschaft daraus zu formen?

Lukas: Wir haben versucht, ein möglichst genaues Abbild der Gesellschaft zu schaffen. Natürlich kommt man mit 20 Personen nicht an die Komplexität der echten Welt heran. Wir sind dabei von mehreren Ebenen ausgegangen. Da gäbe es zum einen die soziale, die finanzielle und die realpolitische Ebene, zu welchen wir uns jeweils verschiedene Konzepte überlegt haben.

Was ist konkret der erste Schritt, um die Woche zu starten?

Florian: Am ersten Tag werden die sozialen Schichten verlost. Jeder Teilnehmer bekommt völlig zufällig eine soziale Schicht zugeteilt, welche dann über das tägliche Einkommen des jeweiligen Teilnehmers bestimmt. Es wird viele Arme, einige aus dem Mittelstand und wenige Reiche geben. Das bildet natürlich das erste und auch eines der größten Konfliktpotentiale. Und dann wird es auch gleich schon die ersten Wahlen geben. Jeder kann sich aufstellen lassen oder sich zu Parteien zusammenschließen.

Also die Basis bildet eine Demokratie?

Lukas: Ja genau. Eine einfache repräsentative Demokratie. Durch die ersten Wahlen bildet sich ein Parlament und innerhalb dieses Parlaments die Regierung.

Gabriel: Der oder Die Sieger/in der Wahl wird zum Regierungschef, der/die zum einen den Überblick über die Finanzen hat und die Ministerposten besetzt. Da gäbe es den Arbeitsminister, der die Aufgaben zuweist, welche im Laufe der Woche fällig werden, sprich Holz holen oder kochen. Den Ressourcen-Minister, der Luxusgüter, welche nur begrenzt vorhanden sein werden, verteilt. Den Freizeit Minister, der für das Unterhaltungsprogramm zuständig sein wird.

Florian: Es gibt da noch viele kleine Details, die allen Teilnehmern zu Beginn ausführlich erklärt werden. Aber grundsätzlich haben wir eine Regierung, die die Pflicht hat, das Hüttenleben zu organisieren. Allen anderen steht es grundsätzlich frei zu tun, was sie wollen. Es wird Arbeit geben, um sich etwas dazu zu verdienen. Und natürlich, sollte man nicht zufrieden sein mit der Regierung, kann man einen politischen Wechsel anstreben. Ein fixer Bestandteil jedes Tages ist der sogenannte Putsch, dem sich jede Regierung stellen muss.

Ihr wollt den Strömungen dann also freien Lauf lassen. Bildet die parlamentarische Demokratie eine Grundregel?

Lukas: Die Teilnehmer können sich das so verstellen: Auf der Hütte wird es sein wie im realen Leben, nur wesentlich dynamischer. Die Demokratie ist keinesfalls gesichert und kann von jeder Regierung beliebig auch abgeschafft werden. Mit allen folgenden Konsequenzen. Aber im Grunde genommen ist unsere reale Demokratie gleich unsicher, wie die simulierte auf der Hütte.

Aber der zuvor angesprochene Putsch, der gehört zu den „fixen“ Regeln?

Lukas: Genau. Einige wenige Regeln gibt es natürlich. Die Regierung muss jeden Tag alle Teilnehmer fragen, ob jemand putschen will und sich gegebenenfalls einem Misstrauensvotum stellen. Bei Erfolg wird der Putschführer zum neuen Regierungschef. Und zusätzlich kann er auch die sozialen Schichten umstrukturieren. Aber auch nur begrenzt, denn die zufällige Einteilung zu Beginn der Woche ist auch fix.

Was für Schwierigkeiten erwartet ihr euch in der Woche?

Lukas: Wir haben bewusst einige Konflikte gesetzt und wissen ungefähr was problematisch werden kann. Ich denke die Ressourcenknappheit birgt das größte Konfliktpotential. Die Teilnehmer werden dazu aufgefordert, alle Konsumgüter daheim zu lassen. Auch ein Raucher soll sich keine Zigaretten mitnehmen. Wir werden alles zur Verfügung stellen, aber nur begrenzt.

Florian: Ich denke die größte Schwierigkeit für uns ist einfach, dass wir so etwas noch nie in der Praxis gemacht haben. Wir haben alles theoretisch durchgedacht, aber wenn wir dann dort sind, werden wir auch mit den Teilnehmern das Projekt gemeinsam weiterdenken müssen. Da kommen sicher noch viele Dinge auf uns zu, an die wir noch gar nicht gedacht haben. Aber es ist ein Pilot Projekt, das wir noch weiter entwickeln wollen. Ein Experiment eben. Wir wissen selbst nicht, was passieren wird.

Welche Rolle werdet ihr während der Woche einnehmen? Habt ihr eine Führungsfunktion?

Gabriel: Diese wird nur darin bestehen, am ersten Tag die Regeln zu erklären. Danach sind wir ganz normale Teilnehmer.

Florian: In der echten Welt gibt es auch keine höhere Macht, die die Gesellschaft koordiniert. Deswegen haben wir uns auch dafür entschieden, das Projekt auf einer Hütte zu veranstalten. Es soll keine äußeren Einflüsse geben. Wir sind dann nur auf uns allein gestellt.

An wen richtet sich das Experiment?

Florian: Junge Erwachsene ab 18.

Lukas: Menschen die sich motiviert fühlen, die Interesse zeigen, sind genau richtig. Man muss nicht zwingend eine politische Idee im Kopf haben.

Wie würdet ihr damit umgehen, wenn sehr radikale Ideen eingebracht werden?

Lukas: Ein freies Spielfeld an Ideen ist uns sehr wichtig. Es gibt gewisse Grenzen. Gewalt aller Art ist natürlich streng verboten. Aber ansonsten ist von Kommunismus bis zur Abschaffung des Männerwahlrechts, bis hin zu einem Kopftuchzwang alles erlaubt.

Florian: Je verschiedener die Teilnehmer, desto interessanter.

Habt ihr eigene Vorstellungen, die ihr mitnehmt?

Gabriel: Ich denke die hat jeder. Zumindest von uns drei. Ob jeder ein ausgeklügeltes politisches System mitbringt, weiß ich nicht. Aber jeder hat wohl eine Grundidee.

Was passiert nach dem Projekt? Gibt es Pläne für die Zukunft?

Lukas: Wir wollen schon während des Projekts, die Erfahrungen der Teilnehmer umfangreich dokumentieren und diese dann anschließend auch auswerten.

Gabriel: Am letzten Tag auf der Hütte ist es wichtig, sich mit allen zusammenzusetzen und zu besprechen, wie das Ganze abgelaufen ist. Anhand der Erfahrungen wollen wir das Projekt weiterentwickeln.

Florian: Im Idealfall schaffen wir es auch einen Bericht oder eine Praxisreflektion zu schreiben, den man veröffentlichen oder gar einigen Politikern zukommen lassen könnte.

Was ist das Ziel des Experiments?

Lukas: Den Menschen näher zu bringen, wie dynamisch das System ist, in dem wir leben. Es soll kein Bildungsauftrag eingeflochten werden, der zu weiteren langen Diskussionen bezüglich einer idealen Gesellschaft führt. Vielmehr geht es darum, ein Gefühl zu bekommen für die politische Welt, in der wir leben.

Interview: Jakob Schwazer

 

Info

Macht_Hungrig findet vom 26.08 bis zum 01.09.2019 im Berghof Eggheim Kaser am Timmelsjoch statt. Informationen auf Facebook, Instagram: „Macht_Hungrig“ Anmeldungen unter: [email protected]

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