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Wo bleiben die Frauen?

Foto: 123RF.comEine aktuelle Studie zeigt, in der Südtiroler Gemeindepolitik sind Frauen immer noch deutlich unterrepräsentiert. Woran das liegt.

von Eva Maria Gapp

Ein Blick auf die politische Landkarte Südtirols zeigt: Frauen sind in der Politik nach wie vor unterrepräsentiert. Besonders ausgeprägt ist das auf kommunaler Ebene. Und obwohl Frauen sehr wohl bereit wären, sich in kommunalpolitischen Ämtern und Funktionen zu engagieren, sind sie in der Unterzahl. Woran liegt das? Das hat erstmals eine aktuelle repräsentative Studie der Eurac untersucht, bei der 485 Südtiroler Politikerinnen auf Gemeindeebene befragt wurden. Das sind: 11 Bürgermeisterinnen, 26 Vize-Bürgermeisterinnen, 160 Referentinnen und 288 Gemeinderätinnen. Aufgrund der hohen Rücklaufquote von über 60 Prozent gilt die Studie als repräsentativ.

Die TAGESZEITUNG hat bereits vor der eigentlichen Präsentation der Studie mit einem der drei Autoren gesprochen: Dem Eurac-Forscher und stellvertretenden Institutsleiter für Public Management, Josef Johann Bernhart. Warum sind Frauen in der Gemeindepolitik immer noch deutlich unterrepräsentiert? „Das hängt zum einen damit zusammen, dass Frauen nicht Frauen wählen. Frauen haben eine geringere Erfolgswahrscheinlichkeit gewählt zu werden, als Männer. Das heißt: Auch wenn 50 Prozent Frauen zur Wahl stehen würden, würden nur 40 Prozent Frauen gewählt“, sagt er. Das könnte damit zusammenhängen, dass sie sich selbst „typische weibliche“ Eigenschaften zuschreiben: „Einfühlsam, kooperativ und kompromissbereit sind Eigenschaften, welche die befragten Frauen als eher weiblich bezeichnen. Während machtbewusst, durchsetzungsfähig und entscheidungsfreudig für sie als eher männlich gelten. Das könnte wiederum dazu führen, dass Frauen dann auch bei der Wahl sagen, in der Politik braucht es entscheidungsfreudige und durchsetzungsfähigere Menschen. Deshalb wähle ich einen Mann“, erklärt Bernhart.

Ein weiterer Faktor ist laut Bernhart das komplizierte Quotensystem bei den Gemeinderatswahlen, das auch dazu führt, dass weniger Frauen in der Gemeindepolitik zur Wahl stehen: Laut Bernhart würden dies aber nur die wenigsten wissen: „Tritt etwa eine Partei in einer Gemeinde mit 1.500 Gemeinderatsmitgliedern an, kann sie auf ihre Liste zwischen drei und 23 Personen aufstellen. Es reicht eine Frau, wenn die Anzahl der Männer nicht mehr als Zwei Drittel, also 16 Kandidaten beträgt und die restlichen Plätze einfach frei gelassen werden“, erzählt er. Denn die Quote berechnet sich nicht auf die effektiv aufgestellten Personen, sondern auf die maximal 23 aufstellbaren Menschen. Das wiederum führt dazu, dass Frauen eine geringere Chance haben, stärker auf die Kandidatenliste und somit in die Gemeindepolitik zu kommen. „Wenn Frauen in die Gemeindepolitik wollen, haben sie bereits im Vorhinein mit Erschwernissen zu kämpfen, die Männer nicht haben“, sagt Bernhart und fügt hinzu: „Wenn man die Quote auf die tatsächliche Anzahl der Kandidaten berechnen würde, und nicht auf die maximal mögliche Kandidatenanzahl, könnte man bewirken, dass mehr Frauen in die Politik gewählt werden.“

Zudem ist es auch so, dass Frauen in der Regel weniger lange in der Gemeindepolitik bleiben, als Männer. „Nur ein Drittel der befragten Frauen glaubt, dass sie in fünf Jahren noch in der Gemeindepolitik tätig sein wird“, sagt er. Das hängt vor allem mit der Mehrfachbelastung zusammen, mit denen diese Frauen konfrontiert sind. „Neben der Politik gehen Frauen mehrheitlich auch noch einem Beruf nach, kümmern sich um die Familie und um ehrenamtliche Tätigkeiten. Das stellt eine große Herausforderung dar“, sagt er. 62 Prozent der Mandatarinnen sind im Angestelltenverhältnis und lassen sich gar nicht freistellen. Weitere Gründe sind, welche die Frauen in der Befragung offen nennen konnten: „Mehrere Jahre in der Gemeindepolitik reichen“, „man sollte nicht zu lange drinnen sein“, „die Motivation fehlt“, „man sollte für andere Platz machen“, „enormer Zeitaufwand“, „zu stressig“ und „zu wenig Zeit für die eigene Familie und Freunde“.

Zudem finden 59 Prozent der Frauen, dass sie es schwerer als Männer haben, ein politisches Amt in der Gemeinde zu erringen. Was die Quotenregelung von Frauen in der Gemeindewahlordnung anbelangt, sind Frauen ungeteilter Meinung für eine solche Regelung: 44 Prozent sind positiv eingestellt, knapp ein Viertel ist gegen die Quote. „Sie wollen vielleicht nicht als Quotenfrau bezeichnet werden“, sagt Bernhart. Was laut den Autoren auch interessant ist: „49 Prozent der befragten Frauen haben angegeben, dass sie eher nicht das Gefühl haben, dass sie vor allem deshalb als Bürgermeisterin bzw. Referentin vorgeschlagen und gewählt wurden, weil man unbedingt eine Frau gebraucht hat.“

Die Studie:

Im Rahmen dieser Eurac-Studie wurde untersucht, wie die Situation der Frauen in der Südtirol Gemeindepolitik ist. Konkret wurde analysiert: Wie hoch der Frauenanteil in der Gemeindepolitik ist, warum Frauen nach wie vor deutlich unterrepräsentiert sind und mit welchen Herausforderungen sie kämpfen müssen. Dafür wurden verschiedene Methoden herangezogen: Es erfolgte eine Literaturstudie, die amtlichen Wahlergebnisse und Zuständigkeitsbereiche wurden analysiert, sowie eine Online-Befragung von 485 Politikerinnen (11 Bürgermeisterinnen, 26 Vize-Bürgermeisterinnen, 160 Referentinnen und 288 Gemeinderätinnen) durchgeführt. Dabei gab es sowohl offene als auch geschlossene Fragen. Aufgrund einer über 60-prozentigen Rücklaufquote ist die Studie repräsentativ. Am 6. Juni wird sie in der Eurac vorgestellt.

Frauenanteil in der Gemeindepolitik:

In Südtirol gibt es 116 Gemeinden. Laut der aktuellen Studie der Eurac gibt es den geringsten Frauenanteil bei den Bürgermeistern: Von 116 waren es zum Zeitpunkt der Studie elf Frauen. Der Anteil der Vizebürgermeisterinnen beträgt knapp 23 Prozent, während der Anteil der Männer bei rund 77 Prozent liegt. Im Gemeinderat sind rund 21 Prozent Frauen, der Männeranteil liegt bei rund 79 Prozent. Am stärksten repräsentiert sind Frauen aber im Gemeindeausschuss. Dort sind fast 45 Prozent Frauen vertreten. Laut der Autoren liegt dies unter anderem an der Frauenquote.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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