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Wie Elvis Presley

Davide Brancaglion (Foto: TZ/Vikoler)

Der Casapound-Aktivist Davide Brancaglion wird im Bozner Bella-Ciao-Prozess vom Vorwurf der Körperverletzung freigesprochen. Mit der Zweifelsformel. Die Zivilpartei hofft dennoch, dass das Verfahren wiederaufgenommen wird.

Von Thomas Vikoler

Personen, deren „Ehre oder Freiheit“ in Gefahr ist, dürfen gegenüber der Gerichtsbehörde lügen oder schweigen. Das sagt der 1930 eingeführte Strafrechtsartikel 384 zur Straffreiheit, der 2007 von einem Urteil der Kassation bestätigt wurde. Wer etwa an einer Schlägerei beteiligt war (was potentiell ein Strafdelikt ist), kann zum Schutz seiner „Ehre und Freiheit“, weil er sich damit selbst belasten könnte, in einem Polizeiprotokoll oder vor Gericht die Unwahrheit sagen. Oder gar nichts sagen.

Das taten drei Aktivisten der faschistischen Gruppierung Casapound nach einer Schlägerei, die sich am 13. Jänner 2016 nicht unweit des Casapound-Sitzes in Bozen ereignete. Ein 17-Jähriger, Sohn einer leitenden Staatsbeamtin, wurde dabei erheblich verletzt. Er erklärte in seiner Anzeige, er sei verprügelt worden, weil er auf seinem Handy eine Version der Partisanen-Hymne Bella Ciao abgespielt habe.

Die politische Polizei Digos identifizierte Davide Brancaglion, damals Stadtviertelrat von Casapound in Don Bosco, als Aggressor. Drei weitere Casapoundler, darunter Gemeinderat Andrea Bonazza, waren zuvor von Digos-Beamten zum Vorfall befragt worden. Ihre Antwort: Sie könnten nichts dazu sagen, weil sie nicht dort gewesen seien.

Wie es nun aussieht, kann niemand etwas Genaueres zur Dynamik der Schlägerei sagen. Denn gestern, kurz nach 13.00 Uhr, verkündete Einzelrichter Carlo Busato am Landesgericht das Urteil im Strafverfahren gegen Brancaglion zum Vorwurf der Körperverletzung.

Der Angeklagte war, im grauen Anzug und mit schwarzer Krawatte, anwesend und küsste nach der Urteilsverkündung seinen Verteidiger Federico Fava überschwänglich.

Richter Busato hatte ihn soeben, wenn auch mit der Zweifelsformel, frei gesprochen. Anschließend wollte sich Brancaglion, der inzwischen die Bozner Buchhandlung des casapoundnahen Buchverlags Altaforte betreut, nicht zum Freispruch äußern.

Aber sein Verteidiger: „Mein Mandant ist von niemanden als Täter identifiziert worden, auch nicht vom Opfer, das ihn als glatzköpfig beschrieben hatte. Dabei trug er damals eine 1950iger-Jahre-Frisur im Stil von Elvis Presley“.

Auch ein Zeuge, für dessen Anhörung die Beweisaufnahme zuletzt neu aufgemacht worden war, verwickelte sich, was das Aussehen des Täters betrifft, in Widersprüche. Vom Abspielen von Bella Ciao will er nichts mitbekommen haben.

Doch es besteht dennoch die theoretische Möglichkeit, dass das Verfahren neu aufgerollt wird. Richter Busato verfügte nämlich, dass die Zeugenaussagen von Andrea Bonazza und seiner beiden Kumpanen an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet werden. Zwecks Prüfung einer strafrechtlichen Verantwortlichkeit (Falschaussage). „Wir werden gegen den Freispruch keine Berufung einlegen und erwarten, dass die Staatsanwaltschaft aktiv wird“, erklärte Maria Carmela Carriere, die Anwältin der Zivilpartei. Sie hatte von Brancaglion 16.500 Euro Schadenersatz gefordert.

Sein Verteidiger Fava ist davon überzeugt, dass der Fall mit dem gestrigen Urteil abgeschlossen ist: Die drei als Zeugen befragten Casapoundler würden – mit Verweis auf Artikel 384 – auch in Zukunft keine Aussagen machen, die ihre „Ehre und Freiheit“ berühren könnten.

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