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Abgesagte Impf-Aktion

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Der Dienst für Hygiene am Krankenhaus Bruneck läuft derzeit mit nur zwei anstatt sieben Ärzten. Deshalb muss die Impf-Aktion am Montag abgesagt werden. Die Hintergründe.

von Silke Hinterwaldner

Livia Borsoi kommt aus Padua. Trotzdem spricht die Ärztin wunderbar Deutsch. Das hat einen einfachen Grund: Sie hat ihre Facharztausbildung in Wien absolviert, mit Unterstützung des Landes Südtirol und mit der Verpflichtung, danach in den Sanitätsbetrieb zurückzukommen.

Seitdem arbeitet Livia Borsoi in Dienst für Hygiene am Krankenhaus in Bruneck. Leider gibt es jedoch nur sehr wenige Mediziner, die diesen Weg einschlagen. Mit gravierenden Folgen für die medizinische Versorgung der Bevölkerung, ganz besonders in der Peripherie. Der Stellenplan im Hygienedienst sieht sieben Ärzte vor, derzeit sind jedoch tatsächlich nur zwei Ärzte im Dienst. Der Grund: Zwei italienische Ärzte haben im April gekündigt, weil sie in Novara und in Parma eine unbefristete Stelle angeboten bekommen haben. Zwei Ärzte sind derzeit im Urlaub. Und eine Stelle ist schon länger unbesetzt. Das heißt: Mit nur zwei Ärzten kann der Betrieb nicht wie vorgesehen am Laufen gehalten werden. Die Außenstellen in den Sprengeln von Pikolein, Welsberg, Innichen und Sand in Taufers sind deshalb nicht mehr wie üblich einmal in der Woche mit einem Arzt besetzt, sondern nur ein oder zwei Mal im Monat. Wenn dann noch Aktionen wie  „Impfen nach Feierabend“ hinzukommen, steigt der Druck weiter. Deshalb wurde die landesweite Initiative im Pustertal kurzerhand abgesagt. Während in den anderen Landesteilen am Montag  zwischen 17.00 bis 19.30 Uhr geimpft wird, müssen die Pusterer auf diesen Service verzichten.

Das ist aber nicht das einzige Problem, das durch den Ärztenotstand im Sanitätsbetrieb Bruneck verursacht wird. Viele Ambulatorien in den Außenstellen bleiben längerfristig geschlossen. Dort kann man normalerweise impfen, die Parkgenehmigung für Invaliden oder die Führerscheinerneuerung durchführen lassen. Jetzt muss man oft nach Bruneck kommen, wenn man etwas davon braucht. Die Folge: Gerade das Impfen fällt deshalb nicht selten flach, eben weil zu umständlich.

„Wir können nicht mehr alle Grundleistungsdienste anbieten“, sagt Livia Borsoi. Sie erklärt: Mit nur zwei Ärzten im Dienst muss einer für eine mögliche Leichenschau in Bruneck vor Ort bleiben, der zweite muss in den Ambulatorien der Bezirkshauptstadt präsent sein.

Aber warum ist das so? Warum gehen viele Ärzte wieder weg oder kommen gar nicht erst an ein Krankenhaus wie jenes von Bruneck? „Wir sind nicht interessant für italienische Ärzte“, erklärt Livia Borsoi, „sie bekommen auch anderswo eine Stelle. Dort sind die Anforderungen nicht so hoch wie hier.“ Eine zentrale Rolle spielt die Sprachkompetenz: Innerhalb der vorgeschriebenen drei Jahre schafft es kaum ein junger Arzt die deutsche Sprache so gut zu erlernen, um auf das geforderte Niveau C1 zu kommen. Deshalb der Vorschlag: Entweder die Ansprüche auf B2 herunterschrauben oder die Frist auf fünf Jahre verlängern.

Auf jeden Fall aber, sagt Borsoi, sollte man die jungen Ärzte stärker dabei unterstützen Deutsch zu erlernen: „Denn es ist eine enorme Verschwendung an Ressourcen, wenn die jungen Ärzte hier ausgebildet werden und dann wieder gehen, sobald sie ein Angebot bekommen.“ Die jungen Ärzte seien mit den Anforderungen derzeit schlicht überfordert – manche sogar verzweifelt: Unmittelbar nach der Ausbildung müssen sie sich zunächst erst einarbeiten und sollten nebenbei noch Sprachkurse absolvieren – die außerdem kaum in Bruneck und Umgebung angeboten werden. Wer das alles in drei Jahren nicht schafft, bekommt keine unbefristete Stelle und muss wieder gehen – das ist für viele frustrierend.

„Wir haben mit den Gewerkschaften und den zuständigen Stellen mehrere Möglichkeiten durchdiskutiert, um die Situation zu verbessern“, sagt Livia Borsoi, „jedoch wurde davon bisher nichts umgesetzt. Auf diese Weise werden wir gegen den akuten Ärztemangel ganz bestimmt nicht ankommen.“

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