Du befindest dich hier: Home » News » Der Plagiator

Der Plagiator

Christian Alber gerät immer mehr unter Druck: Der Religionsinspektor hat offenbar nicht nur die Broschüre für die muslimischen Kinder abgeschrieben.

von Matthias Kofler und Artur Oberhofer

Der Landesrat selbst räumte gegenüber der TAGESZEITUNG ein, er habe „gekocht vor Zorn“. Und es sieht derzeit nicht danach aus, dass sich Philipp Achammer so schnell wieder beruhigen wird.

Der Grund: Die Geschichte mit der haarsträubenden Schul-Broschüre für muslimische Kinder, in der getrennter Schwimmunterricht und Prüfungs- und Ausflugsverbote während des Ramadan empfohlen wurden, wird von Tag zu Tag bunter – und brisanter.

Es war schon krass, dass der Religionsinspektor Christian Alber die umstrittene Broschüre in Eigenregie – offenbar ohne Wissen und Segen seiner Vorgesetzten – an die Schulen verschickt hat.

Als erschwerend kam hinzu, dass Alber die Broschüre zu 95 Prozent aus einem Flyer des Bundeslandes Rheinland-Pfalz abgekupfert hat. Ohne Quellenverweis und ohne Genehmigung des rheinland-pfälzischen Bildungsministeriums.

Der Religionsinspektor als Plagiator!

Und jetzt deutet alles darauf hin, dass es im Schulamt Usus, Broschüren und Handreichungen einfach ohne Quellenangabe zu übernehmen und als geistige Werke der Marke Eigenbau unter die Leute zu bringen.

Der TAGESZEITUNG wurde gestern die Broschüre „10 gute Gründe für den Religionsunterricht“ übermittelt. Auch diese Broschüre wurde nachweislich abgekupfert. Das Original stammt aus dem Amt für Religionsunterricht der Evangelischen Kirche der Pfalz sowie der Evangelischen Landeskirche in Baden.

Auf der Homepage des Deutschen Bundesamtes heißt es hingegen, das „neue Informationsblatt“ zum Religionsunterricht sei gemeinsam mit dem Amt für Katechese und Religionsunterricht der Diözese Bozen-Brixen erarbeitet worden.

Dabei ist der Text schon zuvor wortgleich in Rheinland-Pfalz und in Baden-Württemberg erschienen. Auch die Aufmachung und das Bildmaterial sind identisch. Im Südtiroler Flyer, der vom Amt für Religionsunterricht und vom Inspektorat für Grund- und Sekundarschule publiziert wurde, findet sich jedoch kein Verweis auf die Quelle. Nur der Titel ist in der pfälzischen und in der badischen Version etwas kürzer: „10 Gute Gründe für Reli.“

In allen drei Broschüren heißt es etwa unter Regel 9 „Der Religionsunterricht hilft, mit Brüchen und Scheitern umzugehen“ wortidentisch: „Das Leben ist mehr als Erfolg. Im Religionsunterricht lernen Kinder und Jugendliche, mit Scheitern und Niederlagen sowie mit den Grenzen
menschlicher Möglichkeiten umzugehen.“

Auch beim Islam-Flyer hat Christian Alber die Texte eins zu eins übernommen, wenngleich er dort einige wichtige Passagen des Originals herausgestrichen hat. Der Religionsinspektor gerät immer mehr unter Druck. Schon seit längerem steht seine Berufung in Frage, da ihm die für den Inspektoren-Posten notwendige Direktorenprüfung fehlt.

Ist es beim Land üblich, dass Texte wortgleich von bundesdeutschen Broschüren übernommen und dann als eigene Produktionen verschickt werden?

Die TAGESZEITUNG hat beim Deutschen Schulamt nachgefragt. Dort ist die Verwunderung über das neuerliche Plagiat groß. Man werde den Sachverhalt „zu Hundert Prozent prüfen“, heißt es aus dem Schulamt.

„Wir werden die Vorwürfe prüfen und aufklären“, stellt Landesschuldirektorin Sigrun Falkensteiner unmissverständlich klar.

Der Inspektor für den Religionsunterricht Christian Alber hat gestern Nachmittag darum ersucht, vorerst von allen institutionellen Aufgaben entbunden zu werden.

Die Landesschuldirektorin ersucht um eine sachliche Diskussion: „Die Broschüre zum Umgang mit muslimischen Kindern und Jugendlichen in den Schulen des Landes wurde bereits zurückgezogen und wird überarbeitet. Bleiben soll ein sachlicher, auf die Schüler gerichteter Diskurs in den Schulen.“

Bildungslandesrat Philipp Achammer erklärte auf Nachfrage: „Ich habe Bildungsdirektor Gustav Tschenett beauftragt, alle im Raum stehenden Vorwürfe und Vermutungen unmissverständlich zu klären und mir dann sofort Bericht zu erstatten.“ Auf die Frage, ob es nun Konsequenzen in Form eines Rauswurfs von Inspektor Alber gibt, antwortet Achammer: „Bis zur Überprüfung des Sachverhalts lasse ich alles offen.“

Es gibt bereits eine Reaktion der Freiheitlichen Ulli Mair. Sie stellt sich die Frage, ob „Landesrat Achammer das Schulamt eigentlich noch unter Kontrolle“ habe und kritisiert den Umstand, dass „man sich in Südtirol bei der Vermittlung von Werten, Kultur und Religion ausgerechnet an linksgrün regierten Bundesländern und deren evangelischen Kirchen orientiert“. Dies, so Ulli Mair, sage „einiges über die heutige Ausrichtung der Regierungspartei SVP und des zuständigen Landesrates aus.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (53)

Lesen Sie die Netiquette und die Nutzerbedingungen

  • unglaublich

    Wer solch einen Quatsch einfach in eine Broschüre integriert, das meiste scheint ja abgeschrieben zu sein, sollte sich fragen, was er überhaupt auf dieser Arbeitsstelle tut.
    Und für seine Vorgesetzten könnte die Frage lauten, wie die Ernennung zum Schulinspektor abläuft.

  • andreas

    Schön, wenn man Bomben auch mal platzen lässt…. 🙂 🙂
    Aber Erfahrung lässt sich halt durch nichts ersetzen.
    https://www.tageszeitung.it/2016/07/04/die-blaupause/

    Rheinland-Pfalz ist nebenbei SPD/FDP und Baden-Württemberg Grüne/CDU und wer Kretschmann als linksgrün bezeichnet, hat offensichtlich wenig Ahnung von seiner Politik.

  • criticus

    Es ist unter Lehrern kein Geheimnis, dass nicht die Schüler das Problem sind, sondern die ach so vielen Angestellten in den Schulinspektoraten (ob Berufsschule oder Oberschulen usw.) Tagtäglich fällt denen etwas ein, was im Schulalltag schwer umzusetzen ist. Das Schönste ist dann, man beseitigt nicht einfach das verursachte Problem, nein um es zu erhalten werden neue Probleme geschaffen. Und alles muss ja von den Lehrern schriftlich festgelegt werden. Da soll man sich noch um den Schüler oder der Schülerin kümmern, bzw. auf deren Probleme eingehen. Unter Achammer ist alles schlimmer geworden. Interessant auch, bei den italienischen Lehrern gibt es solche unsinnige Probleme nicht. Haben die etwa mehr Hausverstand oder keinen „Dompfblouderer“

  • esmeralda

    An sachlicher Diskussion ist hier keiner interessiert. Die Rechtspopulisten bringen in schöner Regelmäßigkeit einen „Skandal“ aufs Parkett, die Zeitung springt auf das Thema auf und die Retter des Abendlandes stürzen sich dann wie die Bluthunde drauf, um daran ihre Vorurteile zu befriedigen und damit ihre persönlichen Unzulänglichkeiten zu kompensieren.

  • tiroler

    in diesem Falle muss der Boss (Achhammer)sofort zurücktreten

  • heinz

    Ich kann nicht erkennen, was am Inhalt dieser Broschüre so verwerflich sein soll. Erstens handelt es sich um keine Vorschrift, sondern lediglich um Tipps für das Lehrpersonal im Umgang mit Schülerinnen und Schülern muslimischen Glaubens. Zweitens ist für die Integrationsbereitschaft von Eltern und Kindern mit Migrationshintergrund äußerst wichtig, dass auch ihnen mit Respekt und Wertschätzung begegnet wird.

  • heinz

    Und wenn schon so eine Empfehlungsrundschrift in Rheinland Pfalz offiziell im Bildungsbundesamt hinterlegt ist, wie kann dann der selbe Inhalt unseren Herr Landesrat vor Zorn erzittern lassen? Was will man denn, dass alle Einwanderer Lederhosen tragen und Goaßl schnöllen?

Kommentar abgeben

Du musst dich EINLOGGEN um einen Kommentar abzugeben.

2024 ® © Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH/Srl Impressum | Privacy Policy | Netiquette & Nutzerbedingungen | AGB | Privacy-Einstellungen

Nach oben scrollen