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„Lasse mir nichts vorschreiben“

Am Dienstag soll im EU-Parlament die entscheidende Abstimmung zur Urheberrechtsreform stattfinden. Was Herbert Dorfmann von der Reform hält.

Tageszeitung: Herr Dorfmann, heute wird die EU-Urheberrechtsreform im EU-Parlament behandelt. Was halten Sie von der Reform?

Herbert Dorfmann: Meine persönliche Meinung ist, dass es ein Urheberrecht im Internet braucht und das auch Sinn ergibt. Aber auch die Bedenken, die es zum ehemaligen Artikel 13 – jetzt ist es ja der Artikel 17 – gibt, sollte man Ernst nehmen. Es wurden jetzt eine Reihe von Abänderungsanträgen ausgearbeitet, die versuchen diesen Artikel zu verändern. Denen werde ich auch zustimmen. Sollten diese Anträge angenommen werden, stellt sich die Frage, ob es überhaupt zu einer Schlussabstimmung kommt, da die Reform ja wieder mit dem EU-Rat verhandelt werden muss.

Derzeit scheint die Debatte um die Reform zu einem Glaubenskrieg geworden zu sein: Künstler, Verleger und Fotografen wollen die Reform unbedingt durchsetzen, während Internetportale und NGOs gegen die Reform Sturm laufen. Wird es gelingen, einen zufriedenstellenden Mittelweg zu finden?

Ich sehe, dass es in der Tat eine politische Debatte gibt. Die ist natürlich mehr als legitim. All jene, die geistiges Eigentum schaffen, wollen, dass dieses Eigentum auch im Internet geschützt wird. Die TAGESZEITUNG kann ja auch nicht ohne Bezahlung ein urheberrechtlich geschütztes Bild veröffentlichen. Auf der anderen Seite muss das Internet möglichst frei bleiben. Beide Denkweisen sind vollkommen legitim. Womit ich nicht einverstanden bin, ist die massive Lobby-Kampagne, die vor allem von den großen Playern in Amerika betrieben wird: YouTube und Google. Diese beiden leben davon, dass sie geistiges Eigentum ohne Bezahlung nutzen, Personen auf ihre Seiten ziehen und dann Werbung machen. Das ist das Business-Modell von Google und YouTube.

Wie betreiben diese Seiten Lobbying?

Seit Monaten wird sehr viel Geld eingesetzt, um die Kampagne am Leben zu halten. Beispielsweise wurde letzte Woche die deutsche Wikipedia-Seite abgeschaltet. Dabei wurde für Wikipedia eine explizite Ausnahmeregelung geschaffen. Das heißt, die Seite muss sich der Reform nicht beugen. Wikipedia ist aber im Dunstkreis von Google. Es ist also relativ offensichtlich, dass hier Lobby-Arbeit gemacht wird. Als Abgeordneter führe ich gerne die erste Diskussion und versuche, eine geeignete Lösung für beide Seiten zu finden. Ich lasse mir aber nicht gerne von YouTube und Google vorschreiben, wie ich abzustimmen habe. Was da derzeit abgeht und wie NGOs unterwandert werden, ist sehr beeindruckend. Das Lobbying funktioniert ja nicht so, dass die Leute von Google und YouTube bei uns auftauchen und uns versuchen, zu überzeugen. Das ganze geht sehr viel subtiler über die Bühne. Sie nutzen ihre eigenen Kanäle, um einseitig zu argumentieren.

Beide Seiten fordern dazu auf, den jeweiligen Vertreter im EU-Parlament zu kontaktieren und ihn zu überzeugen, für beziehungsweise gegen die Reform zu stimmen. Haben auch Sie solche Zuschriften erhalten?

Ich habe tatsächlich hunderte von Zuschriften von vielen jungen Südtirolern erhalten, die beunruhigt sind. Meistens nehmen diese einen standardisierten Brief her, der einem vorschreibt, wie man abzustimmen hat. Ich antworte immer darauf und in der Rückantwort kommen dann immer ganz interessante Debatten heraus. Der Aspekt, dass auch bei Google und YouTube massiv wirtschaftliche Interessen dahinter stecken, ist den meisten leider nicht bewusst. Ich bin auch nicht zufrieden, wie der Artikel 13/17 formuliert ist. Ich glaube, man kann diesen besser formulieren und die Ausnahmeregelungen sind nicht zufriedenstellend. Aber man sollte nicht grundsätzlich in Frage stellen, dass es auch im Internet den Schutz von geistigem Eigentum braucht. Das ist einfach dringend notwendig.

Vor einigen Wochen hat es noch danach ausgesehen, als gebe es eine Mehrheit für die Reform. Wie schaut das jetzt aus?

Dazu muss man das Prozedere im EU-Parlament kennen: Wir können entweder ja sagen, oder nein sagen. Wenn wir ja sagen, tritt die Reform in Kraft. Wenn wir Abänderungsanträge annehmen, muss die Reform wieder mit den Mitgliedsstaaten verhandelt werden. Eine Schlussabstimmung hätte mit Abänderungsanträgen also keine Auswirkungen. Ich gehe also eher davon aus, dass es bei einigen Abänderungsanträgen Mehrheiten gibt, dann muss das ganze nochmal neu verhandelt werden.

Interview: Markus Rufin

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (9)

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  • andreas

    In Brüssel sitzen ca. 25.000 Lobbyisten mit einem Budget von 1,5 Milliarden Euro und die Rüstungsindustrie organisiert z.B. Veranstaltungen für die EU Parlamentarier, da hört man aber nichts von den „bösen“ Lobbyisten.

    Ein Gesetz zum Urheberschutz ist sicher nicht falsch, die Umsetzung mit den Uploadfiltern kann so aber nicht funktionieren, da es diese Filter nicht gibt und es auch nie welche gegen wird, welche zufriedenstellend arbeiten.

    Das größte Problem ist die Abschiebung der Haftung auf die Betreiber einer Plattform. You Tube, Facebook oder Google haben eine genügend große Rechtsabteilung und die wirtschaftliche Stärke, um jede Klage auszufechten, die Betreiber kleinerer Portale haben dies aber nicht.

    Ich habe nicht den Eindruck, als hätte sich Dorfmann großartig mit den Problemen der Kleinen beschäftigt. Den Großen Regeln zu setzen ist richtig, damit aber einen größeren Teil der Kleinen die Geschäftsgrundlage zu entziehen ist falsch.

  • kritiker

    Schön wäre, wenn das Ei sich bemühen würde, verständlich zu schreiben. Warum es das nicht tut, sollte es einmal erklären.

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