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„Vollidioten im Schnee“

Obwohl es wiederholt zu Lawinenunglücken mit tragischem Ausgang kommt, wagen sich unerfahrene Skifahrer ohne Ausrüstung immer wieder in den Tiefschnee außerhalb der Pisten.

von Silke Hinterwaldner

Am Sonntag spielte sich am Gipfel des Kronplatzes eine Szene ab, die ganz und gar alltäglich ist. Zwei Männer fahren gemeinsam mit einem etwa neun Jahre alten Mädchen an den Lawinenwarntafeln vorbei. Sie wollen offensichtlich die Abfahrt außerhalb der Skipisten im Tiefschnee wagen. Einer der beiden Männer zögert kurz, woraufhin ein junger Mann ihn anspricht und fragt, ob sie ausgerüstet wären für eine solche Abfahrt: Lawinensuchgerät, Schaufel, Sonde? Die Antwort lautete: Nein, wieso? Und der Mann machte sich auf in den Tiefschnee.

Später am Tag postete der Beobachter auf Facebook: „Ich bin sprachlos über so viel Ignoranz. Und noch schlimmer finde ich, dass zwei erwachsene Männer fahrlässig ein kleines Mädchen in Lebensgefahr bringen.“ Der Post hat viele Reaktionen ausgelöst. Hier nur eine davon:

„Vollidioten, die Verbotsschilder ignorieren, gibt es immer wieder. Wenn sich diese selber in Lebensgefahr begeben, ist es ein Thema. Dass dann noch freiwillige Retter nach Lawinenabgängen ihr Leben riskieren müssen, finde ich absolut nicht richtig.“

Dahinter verbirgt sich eine Frage, die auch die Pistenbetreiber immer wieder umtreibt: Was tun mit den zahlreichen Skifahrern, die außerhalb der Pisten fahren? Bestrafen? Pisten abzäunen? Oder sie sich selbst überlassen?

Andrea Del Frari, Direktor im Liftverbund Skirama am Kronplatz, hat sich immer und immer wieder mit diesem Thema befasst. Schließlich gab es in der mittlerweile über 50-jährigen Geschichte des Skiberges immer wieder Lawinenunglücke in unmittelbarer Nähe zu den ausgewiesenen Pisten – die mit dem Tod endeten.

„Grundsätzlich gilt“, sagt Del Frari, „die Verantwortung des Pistenbetreibers endet am Pistenrand. Streng genommen können wir das Skifahren außerhalb der Pisten nicht verbieten.“ Denn genauso wie die unerfahrenen Skifahrer, die sich aus Abenteuerlust in den Tiefschnee wagen, halten sich auch erfahrene Skitourengeher ebendort auf. Wie also soll man unterscheiden, wer fahren darf und wer nicht?

Aber die Verlockung ist groß. Das weiß auch Andrea Del Frari. „Die Leute“, sagt er, „sehen, dass es außerhalb der Piste Spuren im Tiefschnee gibt und gehen deshalb leichtsinnigerweise davon aus, dass man hier gefahrlos abfahren könnte. Auch wenn das oft nicht stimmt.“ Obwohl die Pistenbetreiber, wie gesagt, eigentlich keine Verantwortung dafür tragen, was außerhalb ihrer Grenzen passiert, ist die Situation doch ungut. So ist es auch heuer im Winter vorgekommen, dass nahe der Ochsenalm eine Lawine abging, die wahrscheinlich von Freeridern ausgelöst worden war. Diese Lawine machte einen Sucheinsatz der Rettungskräfte nötig. Es stellte sich zwar heraus, dass glücklicherweise niemand verschüttet wurde, aber der Aufwand nach so einem Lawinenabgang ist trotzdem enorm und immer auch mit einem gewissen Risiko für die Retter verbunden.

Deshalb die Frage: Würde es vielleicht helfen, wenn die Pisten mit Zäunen abgegrenzt werden? „Das ist unmöglich“, sagt Del Frari. Bei 119 Pistenkilometern am Kronplatz müsste man mit der doppelten Länge an Zäunen rechnen, um die Pisten links und rechts absichern zu können. Außerdem, meint der Skirama-Direktor: „Wer in den Tiefschnee hinaus will, lässt sich von einem Zaun nicht davon abhalten.“

Am Kronplatz hat man aber einige Maßnahmen getroffen, um im Ernstfall schnell eingreifen zu können. So ist die Pistenrettung ständig mit Ausrüstung für die Lawinensuche unterwegs. Außerdem gibt es Akias, die auch für den Tiefschnee und für die Hubschrauberbergung geeignet sind.

Dann kann man nur noch hoffen, dass nichts passiert. Denn immer wieder werden auch unerfahrene Skifahrer wie jene am Sonntag am Gipfel des Kronplatzes starten, um über den steilen Abhang auf der Nordseite des Skiberges im Tiefschnee abzufahren.

 

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