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„Jugend ist intoleranter geworden“

Foto: Antifa Mean/[email protected]

Laut dem Direktor von Streetwork Meran, Salvatore Cosentino, gibt es in Bezug auf das Naziskin-Phänomen in Südtirol keinen Anlass zu erhöhter Sorge. Aber generell sei das gesellschaftliche Klima rauher geworden.

von Artur Oberhofer

Es liegt im Wesen von Geheimdiensten, dass sie im Verborgenen agieren und sich vertrauliche Informationen besorgen Wie auch immer. Aber zumindest was das Naziskin-Phänomen in Südtirol betrifft, sind die italienischen Nachrichtendienste Aise und Aisi offenbar schlechter informiert als beispielsweise die Antifa Meran.

Die TAGESZEITUNG hat berichtet: Im neuesten Sicherheitsbericht der Geheimdienste an das italienische Parlament ist davon die Rede, dass Südtiroler Skinhead-Gruppen ihre Kontakte zu deutschen Neonazis verstärkt hätten. Südtiroler Ewiggestrige hätten an xenophoben Veranstaltungen in Deutschland teilgenommen.

Dies hatte die Antifa Meran bereits im April vergangenen Jahres in einer Presseaussendung berichtet – und damals sogar die Fotos mit den Initialen der sieben nach Sachsen gereisten Südtiroler Naziskin veröffentlicht.

Die Geheimdienste liefern keine Zahlen zum Phänomen. Und obwohl das Thema auf nur sechs Zeilen (im 101 Seiten starken Geheimdienstbericht) abgehandelt wird, erzeugten einige Medien sozialen Alarm.

Doch dieses neue Bedrohungsszenario gibt es nicht.

Nach Informationen der TAGESZEITUNG aus dem Polizeipalast ist die rechtsradikale Szene in Südtirol überschaubar – und kapillar unter Kontrolle. Die Ermittler grenzen die Szene auf knapp zwei Dutzend militante Naziskins in Südtirol ein. Diese stammten vornehmlich aus dem Burggrafenamt: aus Meran, Naturns, Schenna und Burgstall. „Wir kennen jeden einzelnen von ihnen“, heißt es in der Quästur, „und die Burschen wissen, dass wir sie kennen.“

Salvatore Cosentino

Auch der Direktor von Streetwork Meran, Salvatore Cosentino, hat keine Informationen in Bezug auf ein Neuaufflammen des Naziskin-Phänomens in Südtirol.

TAGESZEITUNG Online: Herr Cosentino, gibt es in Bezug auf das Naziskin-Phänomen in Südtirol Anlass zur Besorgnis?

Salvatore Cosentino: Nein, das Phänomen ist stabil. Es ist nicht inexistent, aber wir haben es auch nicht mit einer neuen Welle zu tun.

Sie haben als Streetworker Kontakte zu den Naziskin?

Wir haben keinen Kontakt zu Gruppen, weil sie auch nicht als Gruppen auftreten. Wir kennen einzelne Personen. Aber ich muss sagen, dass sie – wenn wir sie einzeln antreffen – immer ein adäquates Benehmen uns gegenüber an den Tag legen.

Die Geheimdienste sprechen von verstärkten Kontakten der Südtiroler Neonazis zu Gruppierungen in Deutschland …

Diese Kontakte hat es immer gegeben, sie sind aber nicht unilateral. Denn die Südtiroler Naziskin haben auch Kontakte zu rechtsextremen Gruppen in Norditalien, so beispielsweise zum Veneto Fronte Skinheads.

Und es gibt auch Kontakte zwischen den Südtiroler Neonazis und Casa Pound?

Richtig.

Wie würden Sie das Phänomen Naziskin in Südtirol in Zahlen einordnen?

Ich würde sagen, dass wir im Burggrafenamt zehn bis 15 Naziskin haben, die offen als solche auftreten. Wir wissen, wer sie sind. Und ich gehe davon aus, dass diese Personen auch von der Polizei ständig überwacht werden, und dies seit zehn Jahren schon. Dennoch darf man das Phänomen nicht unterschätzen. Es bleibt ein schwerwiegendes Phänomen, wobei man es aber eingrenzen kann.

Sie sehen also keinen Anlass, Alarm zu schlagen?

Nein, viel mehr besorgt mich die generalisierte Radikalisierung der Gesellschaft, nicht nur der Jugend.

Wie meinen Sie das?

Unsere Gesellschaft ist konservativer geworden, nach rechts gerückt. Der Welt der Jugend hat sich verändert. Die jungen Menschen sind weniger tolerant und radikaler als früher …

Den Einwanderern gegenüber?

Nicht nur! Wir haben es mit einer europaweiten Tendenz zu tun. Es herrscht – und das hat auch mit der neuen Regierung in Italien zu tun – ein kulturelles Klima, das den Konsum von Alkohol und anderer Substanzen und intolerantes Verhalten fördert. Wie gesagt: Die Jugend ist nur ein Teil dieses gesellschaftlichen Klimawandels. Die jungen Menschen atmen das ein, was wir – die Politik, die Gesellschaft – ihnen zum Einatmen geben.

 

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (16)

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  • andreas

    Eine Ursache, weshalb die Jugend intoleranter geworden ist, liegt wohl auch an den sozialen Medien, in welchen z.B. rechte Süd-Tiroler und auch Rentner ihre abstrusen Thesen verbreiten.
    Früher wurde der Unsinn im Suff an der Theke verbreitet, die Anzahl der Zuhörer war überschaubar, heutzutage im Netz lesen es halt mehr.
    Zum Beispiel schreibt ein yannis, um den LH zu kritisieren:
    „Platter ca. 3,60 €uro pro Einwohner
    Kompatscher ca. 52,70 €uro pro Einwohner“

    Er stellt Zahlen in den Raum, ohne Bezug oder Erklärung, einfach halt, um zu kritisieren.

    Die Hemmschwelle, irgendwelchen Unsinn zu verbreiten, hat abgenommen, das sieht man auch daran, dass manche anscheinend sogar noch stolz darauf sind, nicht mal die Grundregeln der deutschen Sprache zu beherrschen.

    • steve

      @ Andreas vollkommen korrekt jeder geltungssüchtige Idiot hat heute eine Bühne. Wenn einer gut argumentiert und mit Fakten arbeitet wie Andreas wird er noch von ein paar Vollkoffern angegriffen.

  • esmeralda

    unsere kleinen aufRECHTEN Patridioten gehen sollen Rattenfängern wie Trump auf dem Leim

  • ostern

    Wem wunderts auch, mit all den Ungerechtigkeiten die
    auch in unserem Land vorkommen. Obwohl, im Prizip,
    Gewalt immer zu verurteilen ist.

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