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„Gravierende Verletzung“

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Eine Südtiroler Patientin erstreitet sich vor Gericht die Rückerstattung der Kosten einer Behandlung in München. Der Sanitätsbetrieb war dagegen und muss nun einsehen: Das Recht auf grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung ist durch eine EU-Richtlinie ausgedehnt worden.

Von Thomas Vikoler

Patienten sind heutzutage, vor allem dank Internet, gut informiert. Sie wissen, wo die besten Behandlungen durchgeführt werden und welche die neuesten Therapie- oder Diagnosemethoden sind.

Das gilt wohl auch für die Herz-Patientin aus dem Pustertal, die den Südtiroler Sanitätsbetrieb vor dem Verwaltungsgericht Bozen verklagt hat. Auf Erstattung der Kosten für eine Behandlung, der sie sich Anfang vergangenen Jahres in einer Münchner Klinik unterzog.

Es geht um einen Betrag von 3.576,52 Euro.

Sowohl der Sanitätsbetrieb als auch die Landesbeschwerdekommission hatten die Übernahme des Betrags abgelehnt. Dagegen klagte die Frau – und bekam nun vom Bozner Verwaltungsgericht umfassend Recht. Nicht nur das, der Sanitätsbetrieb wird für sein Verhalten in dieser Causa gerügt. Und das Urteil zeigt, dass die Rechte der Patienten auf Erstattung von Kosten für die grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung erheblich ausgedehnt wurden. Die EU-Richtlinie 24 aus dem Jahre 2011, in Italien mit gesetzesvertretendem Dekret im Jahre 2014 übernommen, weitet die Möglichkeit der Inanspruchnahme medizinischer Leistungen im EU-Ausland aus. Die Verpflichtung, beim eigenen Sanitätsbetrieb eine Vorab-Genehmigung einzuholen, wurde hingegen eingeschränkt.

Die Patientin aus Bruneck leidet seit rund zehn Jahren an Herzproblemen, sie wurde mehrmals im Krankenhaus Bozen behandelt bzw. operiert.

2017 wandte sie sich wegen Beschwerden an das Krankenhaus Bruneck, für den 20. Juni jenes Jahres wurde er ein Untersuchungstermin gegeben. Diesen nahm die Frau allerdings nicht wahr (was der Sanitätsbetrieb im Verfahren einwandte), sondern wandte sich an eine Spezialklinik in München. Dort wurde sie einem neuen Diagnoseverfahren namens „Optische Köhrenztomographie – OCT“ unterzogen, das laut einer Erklärung des Primars des Krankenhauses Bozen vom November 2017 hierzulande nicht durchgeführt wird.

Im selben Monat lehnte der Sanitätsbetrieb den Antrag auf Rückerstattung der 3.576,52 Euro, welche die Diagnose in München kostete, ab. Später auch die Beschwerdekommission.

Nun stellt das Verwaltungsgericht fest, dass die Ablehnungsgründe völlig unzureichend sind. Beide Instanzen hätten mehrere Vorgaben der neuen EU-Richtlinie missachtet, im Urteil ist von einer „gravierenden Verletzung“ derselben die Rede.

Es sei „offensichtlich weder der spezifische Gesundheitszustand der Rekursstellerin noch die im Antrag angegebene Dringlichkeit und die Besonderheit des Einzelfalls in der Ablehnung des Antrags mitberücksichtigt worden“, schreibt das Gericht.

In der Ablehnung hieß es lediglich, dass Diagnoseverfahren (allerdings nicht OTC) in den Krankenhäusern von Bozen und Verona angeboten würden. Erst nachträglich teilte der Sanitätsbetrieb mit, dass das OTC-Verfahren auch im Krankenhaus von Mailand angeboten würde. Zu spät. Bemängelt wird im Urteil auch, dass im abweisenden Bescheid jegliche Termin-Angaben für eine Behandlung im Inland fehlten.

Der Sanitätsbetrieb wurde auch verurteilt, der Klägerin 2.000 Euro Verfahrenskosten zu erstatten.

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