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„Allheilmittel oder trojanisches Pferd?“

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Das neue Bürgereinkommen soll rund 5.000 Südtiroler Familien zugutekommen. Das Arbeitsförderungsinstitut warnt aber vor negativen Folgen.

(hsc) Das Bürgereinkommen („reddito di cittadinanza“) soll mit 1. April 2019 Realität werden. Es soll 2,5 Millionen Familien in Italien zugutekommen, davon rund 5.000 in Südtirol.

Das Arbeitsförderungsinstitut (AFI) hebt positiv hervor, dass die italienische Regierung die Armutsbekämpfung zur politischen Priorität erklärt habe und dass eine effektive Bereitschaft bestehe, den Wohlfahrtsstaat neu zu gestalten.

Doch gleichzeitig hat das AFI große Zweifel: „Zunächst stellt das Bürgereinkommen einen großen Eingriff in die Architektur der Wohlfahrtsleistungen dar und kollidiert mit bestehenden Sozialleistungen wie dem Arbeitslosengeld NASPI und dem Inklusionseinkommen REI. Damit das Bürgereinkommen funktionieren kann, benötigt es entsprechende strukturelle Voraussetzungen (Stärkung Arbeitsvermittlungszentren, genügend Arbeitsangebote, flankierende Berufsbildung, Vernetzung der Informationstechnik), die realistisch gesehen eine Vorlaufzeit von fünf Jahren benötigen.“

Stefan Perini

Dazu gesellen sich Zweifel inhaltlicher Natur und über den verwaltungstechnischen Ablauf. Nicht ausreichend durchdacht ist laut AFI insbesondere die Koexistenz des Bürgereinkommens mit bestehenden Wohlfahrtsleistungen, insbesondere wenn sie unterschiedliche Zuständigkeitsebenen (Staat, Region, Autonome Provinzen, Bezirke) betreffen.

In einer speziellen Situation befinde sich Südtirol, das in Sachen Sozialhilfe primäre Zuständigkeit genieße. „Die Frage ist, ob wir unser bewährtes System der Mindestsicherung aufgeben wollen für etwas, von dem wir weder wissen, ob es funktioniert, noch ob es hält“, warnt AFI-Direktor Stefan Perini.

Zu bedenken sei, dass die Situation von Arbeitsmarkt und Gesellschaft in Südtirol nicht mit jener Gesamtitaliens gleichzusetzen sei, und dass deshalb die Effektivität des Bürgereinkommens unter jener der Südtiroler Mindestsicherung liegen könne. „Nicht zuletzt ist der Aufwand zu berücksichtigen, den die mutmaßliche Umstrukturierung bzw. Aufwertung der Arbeitsvermittlungszentren mit sich bringen würde, wogegen die Sozialsprengel abgewertet würden“, so Perini, der sich zum Bürgereinkommen die Frage stellt: „Allheilmittel oder trojanisches Pferd?“

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Kommentare (10)

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  • george

    @kriticus & kleinpolitiker
    Perini bewertet nicht negativ, er vergleicht nur als zuständiger Beamter und versucht zu eruieren, was für Südtirol besser ist, nachdem Südtirol hierin eigenständige Kompetenzen hat, welche mit dem neuen staatlichen Grundgesetz auf diese weise kollidieren und manches von den derzeit wesentlich positiveren Gegebenheiten Südtirols außer Kraft setzen könnte. Ihr seid es, die negativ bewerten!

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