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Das Calderoli-Gutachten

Italien leistet sich hinter Großbritannien das zweitgrößte Parlament in Europa. Nun will der Lega-Spitzenpolitiker Roberto Calderoli den Sparstift ansetzen. Die Details.

von Matthias Kofler

Der Verfassungsausschuss des Senats hat kurz vor Weihnachten einen Verfassungsgesetzentwurf des Lega-Politikers Roberto Calderoli gutgeheißen, mit dem die Anzahl der italienischen Parlamentarier drastisch reduziert werden soll: Der Senat, der zurzeit aus 315 Mitgliedern besteht, soll auf 200 Mitglieder schrumpfen; die Abgeordnetenkammer, die sich aus 630 Onorevoli zusammensetzt, wird auf 400 Mitglieder reduziert. Noch unklar ist, wie viele Abgeordnete die Autonome Region Trentino-Südtirol im „neuen“ Parlament stellen wird. Calderoli kommt am Samstag eigens nach Bozen, um dem Landeshauptmann einen Vorschlag vorzulegen.

Dass eine Reduzierung der Sitze im italienischen Parlament dringend notwendig ist, zeigt eine Studie, die Calderoli sich vom Rechtsamt des Senats hat anfertigen lassen: Demnach leistet sich der (hochverschuldete) Stiefelstaat hinter Großbritannien das zahlenmäßig zweitgrößte Parlament innerhalb der Europäischen Union. Nach dem Brexit im März ist Italien dann alleiniger Spitzenreiter.

Seit den 80er-Jahren hat das Parlament immer wieder Anläufe genommen, um die Anzahl der Abgeordneten zu reduzieren. In der Calderoli-Studie werden gut zwei Dutzend Gesetzentwürfe zur Verkleinerung der Parlamente aufgelistet, die allesamt im Laufe der Legislaturperiode versandeten. Das letzte prominente Beispiel ist keine zwei Jahre alt: Der damalige Ministerpräsident Matteo Renzi wollte 2016 im Zuge einer Verfassungsreform den Senat auf 95 Mitglieder verkleinern, die nicht mehr direkt von den Bürgern gewählt, sondern von den Regionalparlamenten entsandt werden. Die Verfassungsreform wurde jedoch in einem Referendum abgeschmettert. Das Verfassungsgesetz Nr. 2 aus dem Jahr 1963 schreibt vor, dass die Anzahl der Parlamentarier einer Region an deren Einwohnerzahl bemessen wird. Derzeit vertritt ein Kammerabgeordneter 80.000 Bürger, ein Senator hingegen 200.000 Bürger. Der Verteilungsschlüssel soll mithilfe des Lega-Entwurfes angehoben werden: auf 151.210 Einwohner bei der Kammer und auf 302.420 Einwohner beim Senat.

Eine erste Berechnung der Sitzverteilung durch das Rechtsamt des Senats hat ergeben, dass die Region Trentino-Südtirol neben der Basilikata, Friaul-Julisch Venetien und Umbrien die bescheidensten Kürzungen hinnehmen müsste: Demnach würden statt sieben Senatoren künftig nur mehr fünf Senatoren nach Rom entsandt werden, was einer Reduzierung der Sitze um 28,6 Prozent entspricht. Zum Vergleich: Kalabrien verlöre 40 Prozent seiner Abgeordneten, Molise gar die Hälfte.

In der Calderoli-Studie wird auch ein Vergleich unter den 28 EU-Mitgliedsstaaten vorgenommen, wenngleich betont wird, dass der Vergleich rein numerisch erfolgt und nicht die unterschiedlichen Kompetenzen der verschiedenen Parlamente in Betracht zieht. Demnach hat Italien mit seinen 951 Senatoren und Kammerabgeordneten das zweitgrößte Parlament der EU. Nur Großbritanniens Parlament mit seinen 1.442 Mitgliedern ist noch größer.

Im Zuge der angestrebten Verkleinerung auf 600 Mitglieder würde Italien vom zweiten auf den fünften Platz zurückfallen – hinter Frankreich, Deutschland und Spanien. Zudem hätte Italien, gemessen am Verhältnis Einwohner-Abgeordneter, künftig sogar die kleinste Abgeordnetenkammer der EU. Auf 100.000 Einwohner kämen demnach 0,7 Abgeordnete (derzeit sind es 1,0). Zum Vergleich: In Deutschland liegt der Wert bei 0,8, in Schweden bei 3,4 und in Luxemburg gar bei 10. Das gemessen an der Bevölkerung verhältnismäßig kleinste Parlament weist zurzeit Spanien mit 0,8 Parlamentariern pro 100.000 Einwohner auf.

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