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Bauern unter Ermittlung

Die Forstwache Sterzing hat bei Alpungskontrollen im Pfitschtal erhebliche Unregelmäßigkeiten festgestellt. Jetzt stehen ein Dutzend Bauern unter Ermittlung.

von Erna Egger

„Es geht um viel Geld, um ein paar hunderttausend Euro“, nimmt Bruno Brandelli, Stationsleiter der Forststation Sterzing vorweg.

Die Forststation hat mittlerweile ihre Erhebungen abgeschlossen, die Ermittlungsakte umfasst 800 Seiten. Diese wurde zur Überprüfung an die Staatsanwaltschaften in Padua, Trient und Bozen weitergeleitet.

Bei den Kontrollen der Almtätigkeit durch das Personal der Forststation Sterzing sind erhebliche Unregelmäßigkeiten bezüglich der deklarierten und der effektiv durchgeführten Almwirtschaft ans Tageslicht gekommen.

Der Hintergrund: Die ortsansässigen Bauern haben ihre Weideflächen auf den Almen an meist norditalienische Großbauern verpachtet. Diese treiben zumeist selbst gar keine Tiere auf, kassieren jedoch fette EU-Beiträge, weil sie über die Pachtverträge Flächen nachweisen (die TAGESZEITUNG berichtete bereits mehrmals darüber).

Zur Erklärung: Die Großbetriebe verfügen über historisch entstandene Prämienrechte, sogenannte Zahlungsansprüche, die äußerst lukrativ sind. Die Grundbeträge der Zahlungsansprüche von nicht-provinzansässigen Pächtern können von 250 Euro bis zu 1.000 Euro pro Hektar reichen. Daher gibt es auch das große Interesse an den Almflächen.

Die hiesigen Bauern haben mit dem eigenen Vieh den norditalienischen Pächtern die vorgesehene Mindestnutzung garantiert. Auf diesem Wege konnten sie die Almflächen trotz Verpachtung weiterhin nutzen.

Insgesamt hat die Forststation 600 bis 700 Hektar Fläche kontrolliert.

Noch andere Unregelmäßigkeiten tauchten auf: Erstmals fündig wurden die Sterzinger Beamten bei Stallkontrollen im Sommer 2017. Rinder, die laut vorgeschriebenen Almregistern auf der Alm hätten weiden sollen, wurden auch nach längerem Suchen durch das Forstpersonal auf den Almflächen nicht vorgefunden. Letztendlich wurden sie in den Ställen der landwirtschaftlichen Betriebe im Tal ausfindig gemacht.

„Das ist ein Betrug“, stellt der Stationsleiter fest. In der Folge wurden die Kontrollen intensiviert und alle in den Almregistern eingetragenen Tierbewegungen, rückwirkend bis ins Jahr 2014, wo in Pfitsch die Verpachtungen an norditalienische Betriebe begonnen haben, rekonstruiert und überprüft.

Die Beamten haben festgestellt, dass in den Monaten von Juni bis September Dutzende Ohrmarkennummern mit zwei Almkodexen in die Almregister eingetragen waren: Auf dem Papier war somit deklariert worden, dass sich dieselben Kühe in diesem Zeitraum gleichzeitig in der Gemeinde Finkenberg im Zillertal auf der Alm als auch in der Gemeinde Pfitsch in Italien auf der Alm aufhalten.

Anhand der ebenfalls überprüften Förderungsansuchen wurde festgestellt, dass auf dem Papier Weidetätigkeiten erklärt wurden, die absolut nicht der Realität entsprachen. So zum Beispiel wurden Rinderweiden auf Grundparzellen deklariert, die mittlerweile mit Sträuchern verwachsen oder aufgrund der Bodenbeschaffenheit für Rinder unzugänglich sind.

Ebenso wurde in den Almregistern teilweise eine viel höhere Anzahl an Rindern angegeben, als effektiv vor Ort vorgefunden wurde.

Auch stellten die Forstbeamten fest, dass auf den Almen die Tiere nur sehr mangelhaft beaufsichtigt wurden. So wurden des Öfteren Schafe und Ziegen in Örtlichkeiten weit außerhalb der verpachteten Almflächen vorgefunden, teilweise in vier bis fünf Kilometer Entfernung, auf Grundstücken ohne Weidegenehmigung und ohne Zustimmung der jeweiligen Eigentümer, im Widerspruch zum Landesforstgesetz und ohne Rücksicht auf das Privateigentum.

Mit diesen Falschangaben wurden einige hunderttausend Euro an Beiträgen erschlichen.

Die festgestellten Unregelmäßigkeiten haben eine markante Auswirkung auf das Ausmaß der Prämien, die für die Alpung vorgesehen sind, aber auch auf die Ausgleichszulagen und die Grünlandprämien, die direkt von den Tiereigentümern beansprucht werden: Die laut Almregister auf der Alm verbrachte Zeit der Tiere entlastet nämlich den Viehbesatz der landwirtschaftlichen Betriebe und verhindert somit eine Überschreitung des für die zwei Prämien vorgesehenen Höchstviehbesatzes.

Die Sterzinger Forstbeamten wurden in ihren Ermittlungen von den zuständigen Behörden in Innsbruck, Wien, Padua, Trient und Bozen sowie vom Landestierärztlichen Dienst in Sterzing unterstützt.

„Rund ein Dutzend ortsansässiger und norditalienischer Bauern stehen unter Ermittlung“, kommentiert Bruno Brandelli.

Das gesammelte Ermittlungsfaszikel ist nach und nach auf 800 Seiten angewachsen, es liegt zur Überprüfung bei den Staatsanwaltschaften in Padua, Trient und Bozen auf.

„Dort wird kontrolliert, ob die geschilderten Ereignisse den strafbaren Handlungen Falscherklärungen zur Erlangung öffentlicher Zuwendungen, Betrug und Bandenbildung zuzuordnen sind“, sagt Brandelli.

„Sollte dies zutreffen, sieht das italienische Strafgesetzbuch Höchststrafen von bis zu sechs Jahren Haft vor“, so der Stationsleiter.

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