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Der Mann des Jahres

Er war ein etwas exotischer Grillino mit guten Manieren, bei den Landtagswahlen im Oktober 2018 erhielt sein Team 15,2 Prozent der Stimmen. Paul Köllensperger.

von Arnold Tribus

Bei den Landtagswahlen 2013 wurde er für den Movimento Cinque Stelle, der noch gar keinen deutschen Namen hatte, ins Hohe Haus gewählt. Er erhielt damals 1.334 Vorzugsstimmen. Das war schon mal eine kleine Sensation, denn niemand hätte gedacht, dass diese kuriose Bewegung im Nu mit einem Restmandat auch den Südtiroler Landtag erobern würde. Dass der Abgeordnete zudem auch noch der deutschen Sprachgruppe angehörte, war eine weitere Besonderheit, denn die 5-Sterne-Bewegung hatte in Südtirol weder eine Struktur, noch sicht- und erkennbare Exponenten.

Die Bewegung war in Italien durch den Komiker Beppo Grillo sehr bekannt geworden, er führte einen intensiven Kampf gegen das politische Establishment, er zog durch Italien und brüllte, fluchte, schrie was das Zeug hält, er traf den Nerv der Wutbürger, die sich nach einer Revolution sehnten und in den Politikern nur Diebe und Falotten sahen. Er sprach also auch die tiefsten und wenig demokratischen Instinkte an, was ja so weit ging, dass er Wahlen für überholt hielt und die Parlamentarier per Mausklick bestellen wollte, wie die Kandidaten seiner Bewegung per Mausklick eruiert wurden.

Er führte eine große Bewegung gegen das System an, 2007 berief er einen „Vaffanculo day“ ein, der die Plätze Italiens füllte, vor allem mit jungen Leuten, die aus der Linken kamen, aber auch frustrierte Beamten in Krawatte, die endlich auch mal ordinär sein konnten und laut und ungestraft „leck mich am Arsch“ rufen durften, was zum politischen Programm wurde. 2013 erhielten die Grillini bei den Parlamentswahlen 25,5 Prozent der Stimmen, das sind 8.700.000 WählerInnen, sie wurden Italiens stärkste Partei.

Die Bozner Grillini haben aber ein Glück gehabt mit Paul Köllensperger, denn er entsprach ja vor allem in der Sprache nicht der Grillo-Schablone. Grillo feierte den Einzug Köllenspergers in den Landtag, er war wiederholt in Bozen, lobte ihn, er zählte zu seinen Vertrauten, wie später der geschleckte Luigi Di Maio, heute Vize-Premier, der auch große Stücke auf Paul Köllensperger hielt.

Einmal im Landtag, wurde er schnell zu den begehrtesten Interviewpartnern der Medien. Er war das Neue. Er nahm an Diskussionen teil, an zig Sendungen in Funk und Fernsehen, und er macht ja immer eine gute Figur, weil er einer jener Südtiroler ist, die gut reden können, fließend, korrekt, er verhaspelt sich nicht, er stottert nicht, er macht klare Sätze. „Leider in der falschen Partei“, sagte Karl Zeller mit Neid, die SVP hätte ihn auch gern gehabt. Er argumentiert vernünftig, spricht ein anständiges Deutsch, redet nicht Dialekt, was in den Südtiroler Rundfunkanstalten Mode ist, er spricht nicht das schreckliche „Politichese“, diese Kunst der italienischen Politiker, viel zu reden und nichts zu sagen, nein, er spricht wie ein normaler Mensch. Er peitscht nicht ein, er brüllt nicht, er wirkt ruhig und deshalb überzeugend.

Paul Köllensperger ist quasi über Nacht zu einer Südtiroler Persönlichkeit geworden. Er ist zu diesem unerwarteten Ruhm gekommen wie die berühmte Jungfrau zum Kind, weil er sich als Kandidat der 5-Sterne-Bewegung zur Verfügung gestellt hat und dann auch ausgewählt wurde. Alles im Netz, versteht sich, die Grillini sind eine Netz-Partei. „Wer ist denn dieser Köllensperger“, fragten sich die Politiker und die Journalisten nach seinen ersten Auftritten. Alle waren sehr erstaunt, wie souverän und cool er sich gab, eloquent, flink und wiff, und sich in beiden Sprachen gut mitteilte.  Als dann bekannt wurde, dass er der Sohn des berühmten Grieser Arztes Dr. Roland Köllensperger war, der in Gries regelrecht verehrt wurde, verzieh man ihm auch, dass er ein Grillino ist.

Niemand hatte je gedacht, dass die in Italien so mächtig werden, und in Bozen ebenso, dass sie an die Regierung kommen, die Geschicke des Landes so beeinflussen und den Staatskanzleien Europas das Fürchten lernen. Nun sitzen sie zu Hundertschaften im Parlament und sind ja auch an der Regierung, aber da ist Paul Köllensperger schon nicht mehr dabei, denn er hat sich dann langsam langsam abgeseilt, weil er wusste, dass er als Grillino nicht recht weiterkommen würde im deutschen Südtirol. Er hatte eine große Idee, er wollte der SVP das Fürchten lernen, er wolle allen Südtirolern eine Alternative zur Volkspartei bieten, er will die neue Volkspartei sein, eine Partei der Gutmeinenden, der Gutbürgerlichen, eine Partei, die man wählen kann, ohne sich zu schämen. „Wir begreifen uns als Alternative zu den alten Volksparteien, aber eine europafreundliche, weder rechts noch links“, sagte er, der sich selbst als sozial-liberal einstuft. Freilich, er hätte sich die Abnabelung von den Grillini anders vorgestellt, er hoffte nämlich, dass die 5-Sterne-Bewegung auf die Präsentation einer eigenen Liste in Südtirol verzichtet und alle Grillini einlädt, für das „Team Köllensperger“ zu stimmen, aber eine Regierungspartei verzichtet nicht auf ihr Symbol, und so sitzt nun auch ein Abgeordneter der 5 Stelle im Landtag. Trotzdem wurde die Landtagswahl 2018 für ihn zum Triumph. Er erhielt 15,2 Prozent der Stimmen und er konnte seine Vorzugsstimmen auf 29.530 aufbessern. Woher so viele Stimmen kamen? Einer kommt sicherlich von den Unzufriedenen der Volkspartei, dann haben ihn aber viele Freiheitliche gewählt, die nach ihrer desaströsen Krise gleich vier Sitze verloren haben, die wohl alle zu Paul Köllensperger abgewandert sind.

Die 15,2 Prozent von Paul Köllensperger sind ein absolutes Novum auf deutscher Seite, denn seine Stimmen sind zum Großteil deutsche Stimmen. Er entwickelt sich zu einer deutschen Bewegung, einer neuen deutschen Sammelpartei, wie er selbst sagt, die das enttäuschte, unzufriedene und kritische Bürgertum ansprechen will, auch wenn er ursprünglich ja eine transethnische Bewegung bilden wollte, aber das ist nicht gelungen, und vielleicht ist es auch besser so. Freilich, mit zwei italienischen Mandataren hätte er um die Regierungsbeteiligung mitpokern können, so nicht. Der Movimento 5 Stelle stellt mit seinen 2,4 Prozent der Stimmen wohl die nationale Variante zu Köllensperger dar, der einen ganz eigenen und neuen Weg geht. Er sah sich ja immer als Regierungspartei und hat sich der SVP auch immer als möglicher Koalitionspartner angeboten. Die beiden Siegerparteien stehen ja politisch auf entgegengesetzten Positionen. Während sich die Lega mit Salvini vor allem mit seiner Anti-Ausländerpolitik bekannt und beliebt gemacht hat, so beliebt, dass er ja auch von deutschen Südtirolern gewählt wurde, sogar von Leuten der SVP, vertritt die Liste Köllenperger keine klare Positionen, es ist eine Liste der Beliebigkeit, wie die Kandidaten, die ja aus allen Ecken kommen, von links bis rechts. Es wird sich nun zeigen, ob die Fraktion weiterhin so beliebig bleibt oder ob sie auch klar Position beziehen wird, wenn es um große Themen geht. Aber gerade diese Beliebigkeit hat das Team Köllenperger ja für viele wählbar gemacht.

Paul Köllensperger ist 1970 in Bozen geboren, hat das Franziskanergymnasium besucht und sein Universitätsstudium abgebrochen. Der brave Familienvater war dann erfolgreicher Unternehmer und Gesellschafter von Internet Companies und freiberuflicher Berater für Internet, E-Commerz, Web Marketing im Tourismus. Nun widmet er sich aber mit Herzblut der Politik. Ob er der erste Nicht-SVP-Landeshauptmann wird, muss sich erst zeigen.

Inzwischen ist er für die Tageszeitung der Mann des Jahres.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (23)

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  • andreas

    Köllensperger bedient die moderaten Wähler in Südtirol, welche nicht mehr SVP wählen wollen und welchen die Freiheitlichen zu fremdenfeindlich, die SFT zu einseitig und die Grünen zu träumerisch sind.
    Ein immer größer werdendes Publikum, da es die SVP mit ihren internen Grabenkämpfen und einem untragbaren Achammer es einem immer schwerer macht, sie zu wählen.

    Einerseits wäre es nicht mal falsch, das gesamte System Südtirol zu reformieren bzw. jegliches Amt und jede Führungsperson des Landes mal grundsätzlich in Frage zu stellen, andererseits hat gerade dieses System uns den derzeitigen Wohlstand gebracht.

    Köllensperger mag ein paar gute Detaillösungen haben und auch ein Ploner könnte in der Sanität vielleicht etwas verbessern, das reicht aber bei weitem nicht, ein Land zu regieren und die Interessen der verschiedenen Vertretungen, Wirtschaft, Bauern, Umweltschützer, Arbeitnehmer, usw., unter einen Hut zu bringen.

    Heutzutage ist es ja üblich, dass jeder meint, seine Interessen wären die wichtigsten.
    So schimpfen z.B. viele über die Weihnachtsmärkte, wegen Verkehr, die Walschen kaufen eh nix, ich habe keine besinnlichen Weihnachten mehr, die Umwelt wird verschmutzt, da kriegt man eh nur Chinakrempel, usw.
    Andererseits können sich einige etwas dazu verdienen, die Unternehmer verdienen etwas, die Hotels sind gebucht und unser Standard kann gehalten werden.

    Und solche Situationen, wo es recht unterschiedliche Standpunkte gibt, werden immer mehr und es ist Aufgabe der Politik, einen für alle tragbaren Kompromiss zu finden, was der derzeitige LH, auch wenn er vielleicht einigen etwas zu wirtschaftslastig ist, sehr gut macht.
    Der derzeitige LH macht z.B. auch bei sinnloser Symbolpolitik, wie z.B. freiwillig auf einen Teil des Gehalts zu verzichten, nicht mit und das zu Recht. Wir brauchen keine billige, sondern anständige Politik und die darf auch etwas kosten.

    • leser

      Anderle
      Die politik ist an due wand gefahren das ändert auch an deiner worthülsen interpretation nichts

    • pingoballino1955

      Kosten dürfen sie,wenn sie was leisten,aber nicht wenn sie einseitig der Wirtschafts und Bauernlobby nachlaufen,nur weil es dort am meisten Stimmen zu ergattern gibt. SVP und Soziales-FEHLANZEIGE!!! Ihr werdet euch noch wundern über die Bewegung Paul Köllensberger!SVP-Lega,NEIN DANKE!

  • george

    Erst einmal gut. Werden wir sehen wie ddas weiter geht. Jedenfalls braucht es eine starke Alternative zur SVP. Sie soll endlich einmal das Regieren abgeben müssen oder nur mehr mitregieren dürfen.

  • noando

    einen guten rutsch euch allen! cin-cin; man wünscht gesundheit und alles beste!

    auch wenn wir hier oft nicht einer meinung sind, so ist es doch wichtig, zuzuhören. ohne zuhören, auch kein gemeinsam.

  • brutus

    …daa Problem an der ganzen Sache ist, dass man als Opposition nur bescheiden reagieren kann, …von agieren ganz zu schweigen!

  • george

    Ihr (die meisten hier) könnt nur immer draufhauen. Auf jene, wo es wirklich draufzuhauen gäbe, die stellt ihr obenauf oder ihr oder verschweigt sie.

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