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Den Mördern verzeihen

Wie gehen Angehörige von Terroropfern der Roten Brigaden mit den Tätern um? Am Freitag kommt Giovanni Ricci, der Sohn des getöteten Leibwächters von Aldo Moro, nach Bozen.

Von Thomas Vikoler

Es geschah am 16. März 1978 kurz nach 9.00 Uhr.

Die Roten Brigaden („brigate rosse“) kidnappten in der Via Fani in Rom den damaligen DC-Politiker Aldo Moro. Dabei wurden fünf Leibwächter – zwei Carabinieri und drei Polizisten – ermordet. 55 Tage später wurde die Leiche Moros in einem Renault 4 aufgefunden.

Wie gehen Angehörige von Terroropfern der Roten Brigaden damit um? Wie begegnen sie den Tätern?

Mit diesen wichtigen Fragen beschäftigt sich am Freitag, den 23. November ein Tagung im Bozner Rathaus (Beginn: 18.00 Uhr). Auf Einladung der Genossenschaft Odos und des Zentrums für den Frieden diskutieren unter dem Titel „La giustizia dell’ incontro“ der Kriminologe Adolfo Ceretti, das ehemalige BR-Mitglied Adriana Faranda, das sich später vom Terrorismus lossagte, und der frühere Beamte im Amt des italienischen Ministerpräsidenten Giovanni Ricci.

Giovanni Ricci ist der Sohn von Domenico Ricci, dem damals 42-jährigen Carabiniere, der an jenem 16. März 1978 am Steuer von Moros Dienstwagen, einem Fiat 130, saß. Sein Sohn sah im Fernsehen die Bilder seines ermordeten Vaters. Er erkannte ihn an seiner Zenith-Uhr.

Giovanni Ricci

Heute ist der studierte Soziologe Vorsitzender des Vereins Associazione Caduti di via Fani – und auf dem Weg der Versöhnung unterwegs. 2012 traf er erstmals drei BR-Terrorist, die an der Moro-Entführung teilgenommen hatten: Valerio Morucci, Franco Bonizzoli und die 1994 aus der Haft entlassene Adriana Faranda. „Sie bleiben für mich Mörder, aber ich habe gelernt, sie nicht mehr zu hassen“, sagt Giovanni Ricci.

Seine Organisation tourt durch Italien, um über die Möglichkeiten der Aussöhnung von Opfern und Tätern zu berichten. ,,Wir wollen aufzeigen, dass eine Bestrafung alleine für Täter und Opfer nicht zielführend ist. Und auch die Bevölkerung für dieses Thema sensibilisieren, da diese stets nur mit Begriffen wie Strafverschärfung oder noch längere Haftstrafen bombardiert wird“, erklärt Alessandro Pedrotti von der Caritas-Organisation Odos die in Bozen ehemalige Strafgefangene betreut. .

Wie wichtig es für ein Opfer ist, seinem Täter zu vergeben, bestätigt auch Giovanni Ricci. Er war zwölf Jahre alt, als sein Vater erschossen wurde: „Ich hatte Schlafprobleme und Alpträume. Als ich den Mördern meines Vaters im Gefängnis gegenüber saß, sah ich in ihren Augen, dass sie keine Monster sondern geläuterte Menschen waren. Da ging es mir endlich besser und heute habe ich mein Leben endlich im Griff. Sie erklärten mir, dass sie in ihrer damaligen Verblendung alle Menschen nur noch zu Objekten degradiert hatten, die man eliminieren konnte. Sie waren in ihrem Kampf für Veränderung so ideologisiert, dass sie nicht mehr klar denken konnten“.

Im Hinblick auf die Veranstaltung am Freitag im Festsaal der Gemeinde in Bozen sagt Ricci: „Die Bestrafung der Täter alleine ist zu wenig. Wenn es keine Aussöhnung gibt, bleiben die Opfer in ihrem Hass stecken und es geht ihnen immer schlechter.“

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