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„Gemeinde hat Mitschuld“

Die Reste der abgestürzten Plattform

Die Staatsanwaltschaft will wegen des Absturzes der Aussichtsplattform in Weißenbach, der Maria Kirchler das Leben kostete, Anklage gegen drei Personen erheben. Laut einem Gutachten trägt auch die Gemeinde Ahrntal eine Mitschuld.

Von Thomas Vikoler

Einer der beiden Stützpfeiler aus Lärchenholz gab nach und riss die gesamte Aussichtsplattform in die Tiefe. Auf der Aussichtsplattform stand die 53-jährige Kindergarten-Köchin Maria Kirchler, die ebenfalls in die Tiefe stürzte und an einem Schädel-Hirn-Traum starb.

Ein schrecklicher Unfall bei einem Ausflug am 12. Juni 2016, der nun aller Voraussicht nach eine Strafanklage zur Folge haben wird. Die Staatsanwaltschaft hat die langwierigen Ermittlungen zum Verdacht der fahrlässigen Tötung abgeschlossen und wird – trotz schriftlichen Einwänden der Verteidigung – in Kürze die Einleitung eines Hauptverfahrens gegen drei Personen beantragen: Den Geschäftsführer und den Präsidenten des Tourismusvereins Ahrntal sowie dem Grundeigentümer, auf dem die vielbesuchte Aussichtsplattform stand.

Zunächst hatte es danach ausgesehen, als würde das Strafverfahren eingestellt. Der von der Staatsanwalt beauftragte Gutachter Andrea Eccher war nämlich zum Schluss gekommen, dass der eingeknickte Stützpfeiler von einem holzzerstörenden Pilz, umgangssprachlich bekannt als „Braunfäule“ befallen war. Der Pilz sei von Außen schwer erkennbar gewesen, schrieb Eccher in seinem Gutachten.

Doch die Staatsanwaltschaft gab sich damit nicht zufrieden. Sie beauftragte Eccher mit weiteren Untersuchungen. Und die ergaben ein völlig neues Bild zu potentiellen strafrechtlichen Verantwortlichkeiten: Laut Auskunft des Alpenvereins Südtirol (AVS) war bzw. ist der Tourismusverein Ahrntal eindeutig für die Instandhaltung des Wanderwegs 16A zuständig, zu dem die Aussichtsplattform gehört.

Der Gutachter fand zudem heraus, dass auf dieser sehr wohl Instandhaltungsarbeiten durchgeführt worden waren Allerdings nicht an den Stützpfeilern, sondern auf der Plattform selbst. „Die beiden Stützen wurden gänzlich vernachlässigt“, schreibt Eccher in seinem zweiten Gutachten, „rein theoretisch hätte der tragische Unfall vermieden werden können“. Und zwar durch ein Minimum an Instandhaltung, um die Unversehrtheit der Nutzer des Balkons sicherzustellen.

Für den Gutachter – und die Staatsanwaltschaft – besteht also ein direkter Zusammenhang zwischen dem (ausgebliebenen) notwendigen Eingriff und dem Absturz. Ob am Ende die drei Beschuldigten letztlich dafür verantwortlich gemacht werden können, ist eine andere Frage.

Im Gutachten taucht diesbezüglich ein weiteres Szenario auf: Die Gemeindeverwaltung, also der Bürgermeister, sei für die Wahrung der öffentlichen Sicherheit zuständig. Also auch für die Sicherheit von derartigen Aussichtsplattformen. Diese hätte, so Gutachter Eccher, in den Gefahrenzonenplan der Gemeinde aufgenommen werden müssen. Wäre dies geschehen und der Bürgermeister zum Schluss gekommen, dass die Plattform eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellt, hätte er sie für Besucher sperren müssen.

Gegen den damals amtierenden Bürgermeister läuft, um es klarzustellen, keine Ermittlung der Staatsanwaltschaft

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