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Der kleine Lebensretter

Vor neun Monaten rettete der 6-jährige Matteo seiner Mutter Edna nach einem Autounfall das Leben. Nun erzählt der Vater Michele, wie es der Familie geht.

TAGESZEITUNG Online: Herr Valorzi, Ihr Sohn Matteo hätte am Sonntag eigentlich den Lebensretter-Orden verliehen bekommen, weil er seine Mutter nach einem Unfall aus dem Auto gerettet hat (siehe Kasten). Sie sind aber nicht erschienen. Wieso?

Michele Valorzi: Das hat einen einfachen Grund. Wir haben am Samstag den Brief mit der Einladung erhalten. Ich habe den Brief aber nicht sofort geöffnet, weil wir in Tirol waren. Ich habe erst diesen Vormittag erfahren, dass wir eigentlich den Preis erhalten sollten. Ich weiß nicht einmal, wer Matteo vorgeschlagen hat. Wenn wir es gewusst hätten, wären wir natürlich zur Verleihung gekommen, denn das ist eine riesige Ehre. Leider hat das aber nicht geklappt. Ich habe auch einen Anruf von der Sekretärin von Landeshauptmann Arno Kompatscher bekommen. Sie hat mir gesagt, dass wir die Verleihung im nächsten Jahr nachholen werden. Ich sehe das als Vorteil, denn vielleicht versteht Matteo im nächsten Jahr mehr und behält das Ereignis besser in Erinnerung. Matteo war im schlimmsten Moment unglaublich mutig und clever.

Der Unfall liegt bereits neun Monate zurück. Wie geht es Ihrer Familie jetzt?

Die Familie Valorzi (alle Fotos: Privat)

Den Umständen entsprechend gut. Meine Frau ist vor eineinhalb Monaten aus Imola zurückgekehrt. Dort war sie für vier Monate in Behandlung. Medizinisch ist sie nun leider auf einen Rollstuhl angewiesen.

Das heißt sie ist gelähmt?

Ja, aber sie ist sehr stark. Sie hat durch die Reha viel Sport gemacht. Früher hat sie das kaum getan, aber jetzt will sie unbedingt damit weitermachen. Sie wird weiterhin in Bozen Reha und Physiotherapie machen, um noch mehr dazuzulernen. Vor einigen Tagen hat sich das Land bei uns gemeldet, da wir eine Arbeit für Edna finden wollen. Dazu werden wir uns noch treffen.

Und wie geht es den beiden Kindern? Kommen sie mit der Situation zurecht?

Ja, soweit schon. Unsere Tochter ist ja älter. Sie versteht es ohne Probleme. Matteo ist gerade in die zweite Klasse gekommen und tut sich etwas schwerer. Er stellt immer wieder Fragen. Beispielsweise haben wir hinter unserem Haus einen Wald. Früher ging er mit Edna dort Pilze sammeln. Er fragt manchmal, ob sie irgendwann wieder mitkommen kann. In solchen Momenten fällt eine Erklärung natürlich sehr schwer. Aber Matteo versteht, was er am Tag des Unfalles geleistet hat.

Wie hat sich Ihr Alltagsleben durch den Unfall verändert?

Das ist natürlich ein wesentlicher Aspekt, der sich verändert hat. Es gibt viele kleine Dinge, auf die wir uns einstellen mussten. Diese funktionieren mittlerweile sehr gut. Aber es gibt auch größere Veränderungen, die derzeit gemacht werden müssen. Wir bauen derzeit das Haus um, da wir es barrierefrei machen müssen. Das bedeutet viel Arbeit, aber es ist machbar, da wir sehr viel Hilfe bekommen. Wir haben uns außerdem ein behindertengerechtes Auto gekauft. So ist Edna unabhängiger. Auch hier haben wir finanzielle Unterstützung von Nachbarn aus dem Dorf und dem Bauernbund bekommen.

Sie bekommen also viel Hilfe angeboten?

Ja. Was wir nach dem Unfall erlebt haben, ist unbeschreiblich. Menschlich gesehen ist das nicht fassbar. Eine große Welle der Solidarität sozusagen. Es ist wie im Märchen. Am Sonntag sind wir ins Dorf gegangen, weil der Priester verabschiedet wurde. Viele Nachbarn wussten natürlich darüber Bescheid, dass Edna zurück ist und wie es ihr geht. Aber es war das erste Mal, dass wir zu einem offiziellen Anlass im Dorf waren. Das hat auch damit zu tun, dass es für Edna nicht einfach war. Man muss auf viele Fragen antworten und wird immer wieder an den Unfall erinnert. Aber jetzt war sie dazu bereit. Einige haben uns sogar auf die Verleihung des Lebensretter-Ordens angesprochen.

Wie sieht Ihre finanzielle Situation aus. Reichen die Beiträge des Landes um die Kosten für die Anpassungen zu decken?

Wir bekommen zwar Geld vom Land, aber das alleine würde nicht reichen. Glücklicherweise wurde nach dem Unfall ein Konto von der Nachbarschaft eingerichtet, auf dem nach wie vor Geld einfließt. Ich möchte diese Gelegenheit auch nutzen, um der Nachbarschaft meinen Dank auszusprechen. Sie haben von der ersten Stunde an geholfen. Auch meine Berufskollegen bei den Alpini in Bozen haben mir geholfen, aber die Nachbarn waren als erstes da. Deshalb habe ich den Vorschlag gemacht, mit den Alpini etwas auf die Beine zu stellen, um den Gummerern zu danken. Mal sehen, wann es so weit ist.

Interview: Markus Rufin

Der Unfallwagen

DER UNFALL

Am 23. Dezember 2017 stürzt ein Auto zwischen Gummer und Birchabruck 150 Meter in die Tiefe. An diesem Tag wird der kleine Matteo zum Lebensretter.

Es ist der Tag vor Heilig Abend. Edna Valorzi fährt mit ihrem sechsjährigen Sohn Matteo von Gummer nach Bozen, um ihren Mann Michele und ihre Tochter Valentina von einem Weihnachtsessen abzuholen.

Plötzlich verliert die gebürtige Brasilianerin die Kontrolle über ihren Wagen und stürzt 150 Meter in die Tiefe. Edna hat starke Schmerzen, sie kann sich nicht bewegen und ist im Auto gefangen. Matteo bleibt – wie durch ein Wunder – unverletzt.

Der Unfallwagen in der Böschung

Der mutige kleine Junge tröstet zuerst seine Mutter: „Mir ist nichts passiert, ich gehe jetzt, um Hilfe zu holen.“ Ednas Handy liegt unerreichbar für beide unter dem Armaturenbrett. Deshalb steigt Matteo aus dem Wagen und steigt hinab – obwohl es draußen schon dunkel ist.

Er geht durch den Wald und findet eine Lichtquelle. Instinktiv nimmt er den richtigen Weg. Ein Hund, den er anschließend trifft, begleitet ihn – als ob er den Jungen verstanden hätte – zu einem Hof.

Die Bewohner verständigen sofort das Weiße Kreuz, Matteo hat geistesgegenwärtig die Unfallstelle in Erinnerung behalten und beschreibt den Ort, wo die Einsatzkräfte seine Mutter finden können.

Zwei Stunden sind bereits vergangen. Hätte Matteo nicht so rasch gehandelt, wäre seine Mutter womöglich gestorben. Der kleine Junge wuchs an diesem Abend über sich hinaus. Nicht nur, dass er in völliger Dunkelheit und eisiger Kälte alleine durch den Wald ging und Hilfe suchte, er wusste auch ganz genau, wo der Unfall war und blieb ruhig.

Matteo wurde am 23. Dezember zu einem echten Lebensretter. Zu einem wahren Helden.

DAS SPENDENKONTO

Der große Bericht über den kleinen Lebensretter Matteo Valorzi in der Print-Ausgabe der TAGESZEITUNG hat viele Menschen in Südtirol berührt.

„Der Bericht kam sehr gut an“, sagt Michele Valorzi „ er war auch sehr schön. Allerdings möchte ich einigen Personen noch danken. Die Südtiroler Vinzenzgemeinschaft Karneid hat für uns sogar eigens ein Konto eingerichtet: Nur durch ihre Hilfe stehen wir heute so gut da.“

Überhaupt habe die gesamte Bevölkerung des Eggentales und auch die Gemeinde besondere Hilfe geleistet. Auf das Konto, das die Vizenzgemeinschaft eingerichtet hat, gehen nach wie vor Spenden ein.

„Ganz besonders muss ich Albin Kofler danken, der hier die Koordination übernommen hat, so Valorzi.

Das Spendenkonto der Vinzenzgemeinschaft

IBAN: IT 12 G 0806558323000301248219

Swift-BIC: RZSBIT21510

 

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