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„Wir brauchen keinen Hass“

Keine Flüchtlinge im Widum von Stern im Gadertal: Diese Entscheidung des Pfarrgemeinderates bewegt das Land. Was die Landtagskandidaten aus den ladinischen Tälern zu sagen haben.

Stefan Planker, Team Köllensperger:

„Die Situation ist sehr heikel. Umso wichtiger ist es, darüber sehr sachlich zu diskutieren und alle Umstände zu berücksichtigen. Das fängt bereits beim Pfarrgemeinderat von Stern an:

Dieses Gremium wurde gar nicht richtig gewählt. Es gab intern Probleme, viele wollten nicht mehr kandidieren und weitermachen, deshalb blieben nur noch vier Mitglieder übrig.

Insofern repräsentiert dieser Pfarrgemeinderat nicht unbedingt die Pfarrgemeinde. Außerdem muss erwähnt werden, dass das Widum derzeit nicht  leer steht: dort wohnt eine Häuserin, mehrere Vereine sind untergebracht und zeitweise leben auch Priester dort.

Außerdem sollen die für die Flüchtlinge vorgesehenen Räumlichkeiten alles andere als ideal sein für die Nutzung als Wohnung. Jetzt gilt es darauf zu achten, dass die Situation nicht weiter eskaliert.

Es gibt sicherlich Leute, die grundsätzlich gegen Ausländer sind und radikalere Ansichten vertreten.

Wir als Liste sind der Meinung, dass integriert werden soll, wer die rechtlichen Voraussetzungen dafür besitzt. Wenn jede Gemeinde einige Flüchtlinge aufnimmt, sollte dies durchaus machbar sein. Wir müssen die christlichen Werte leben und ein wenig solidarisch sein.“

Manfred Vallazza, SVP:

Manfred Vallazza

Das Problem ist in meinen Augen: Es sollten nie zu viele Flüchtlinge aufgenommen werden.

Das Verhältnis muss angemessen sein, ansonsten spielen die Leute nicht mehr mit. In Abtei  wurde bereits Platz für eine kleine Gruppe von Flüchtlingen geschaffen, insofern muss man auch Verständnis dafür haben, dass diese Gemeinde nicht noch mehr will. Es geht um etwas Grundsätzliches:

Im Gadertal leben sehr viele Menschen vom Tourismus. Der Tourist schätzt die schöne Landschaft, die Traditionen und die Menschen, die hier leben. Wenn man nach Bozen kommt und vielen Ausländern begegnet, dann wird manchen Gadertalern klar, dass man dies vermeiden sollte. Denn schließlich könnten deshalb auch die Touristen ausbleiben. Diese Angst sitzt tief.

Vielleicht haben die Menschen hier zu viel Angst. In Wengen haben wir fünf Flüchtlinge im Dorf aufgenommen: Obwohl es anfangs viele Diskussionen gegeben hat, merkt man heute nicht mehr viel davon.“

Lois Taibon, Freiheitliche:

„Wenn man die Stellungnahme der Grünen liest, dann muss ich sagen, finde ich derlei Gerede ziemlich populistisch. Leute, die verlangen, dass man alle Flüchtlinge anstandslos aufnehmen müsse, reden an den Ängsten und den Sorgen der Bevölkerung vorbei.

Und überhaupt: Dass gerade die Grünen als Partei, die nicht viel mit Religion am Hut hat, eine Bibelstelle zitieren, erübrigt wohl jeden Kommentar.

Ich würde es für wichtig halten, genau diese Ängste und Sorgen der  Dorfbevölkerung Ernst zu nehmen. Wenn Gemeinden und Pfarrgemeinderäte gegen die Aufnahme von Flüchtlingen stimmen, dann wird es ganz bestimmt gute Gründe dafür geben. Viele dieser Gremien sind sicherlich auch überfordert:

Man weiß nicht, was diese Art von Hilfe tatsächlich bringen soll. Diese Probleme müssen auf anderer Ebene gelöst werden.“

Daniel Alfreider, SVP

„Bei Stern kann man nicht von einem Einzelfall sprechen. Es zeigt, dass wir unbedingt an grundsätzlichen Fragen arbeiten müssen: Wie bekommt man klare Regeln?

Daniel Alfreider

Ohne Klarheit entsteht Angst und im schlimmsten Fall Hass. In der Geschichte haben wir oft genug erlebt, wohin das führen kann. Das macht mich nachdenklich. Angst und daraus entstandene Mauern kann man aber abbauen, indem man für klare Regeln sorgt: Welches ist das Problem?

Wie kann man es lösen? Auf diese Fragen muss man Antworten geben. Das müssen wir in den Griff bekommen. Außerdem: Wenn jemand zu uns kommt, muss er eine Arbeitsstelle bekommen und sich in die Gesellschaft integrieren. Dazu muss die Bereitschaft von allen gegeben sein. Aber leider lassen uns nationale Vorgaben in diesem Bereich nicht genügend Spielraum.

Wir haben in Südtirol eine in Vereinen und im Ehrenamt sehr aktive Gesellschaft. Aber für die nächsten Jahre haben wir eine riesige Baustelle: Wir müssen das Thema Flüchtlinge entschärfen. Wir brauchen keinen Hass in unserer Gesellschaft.“

Der grüne Ex-Parlamentarier Florian Kronbichler glaubt, dass der Pfarrgemeinderat von Stern den Part des Mephisto im „Faust“ übernommen habe: „… den Teil von jener Kraft / die stets das Böse will und stets das Gute schafft“.

Florian Kronbichler (Foto: Fb)

Deshalb bedankt der ehemalige Parlamentarier sich auch bei jenen, die sich dagegen entschieden hatten, eine Handvoll Flüchtlinge im Pfarrwidum unterzubringen.

Denn:

Selbstverständlich wird Stern seine vier Flüchtlinge bekommen. Jetzt erst recht. Das Dorf und die Pfarrgemeinde hätten es billiger haben können, ganz normal und unspektakulär wie hundert andere Pfarrhäuser im Land auch.

Kein Mensch hätte es den Sternern verargt, keiner gedankt. Ich möchte ihnen jetzt danken. Danken für die Empörung, die sie ausgelöst haben.

Im Dorf und überörtlich. Eine Bewusstseinsnahme-Welle schlägt übers Land. D

er Pfarrer, die Pfarrgemeinderatspräsidentin, der Generalvikar, der Bischof, alle schämen sich pflichtgemäß. Das wirkt. Skandale helfen. Die Normalität ließ uns gespürlos werden.“

Interview: Silke Hinterwaldner

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (27)

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  • andreas

    @kurt
    Direkte Demokratie ist schon deshalb falsch, weil Leute wie du da über Themen abstimmen können, von welchen sie keine Ahnung haben.
    Bestes Beispiel ist der Flughafen, wo es erstens mal Unsinn ist, einen Pusterer oder Vinschger abstimmen zu lassen, das geht sie gar nichts an und zweitens viele Gegner meinten, dass er geschlossen wird bzw. dies in die Frage hineininterpretiert haben, obwohl es klar war, wenn man die Frage verstanden hat, dass dies nicht passieren wird.
    Aber vielleicht sollten die Frage in „einfacher Sprache“ gestellt werden, um Missverständnisse zu vermeiden.

    Und jeder nicht Bozner, welcher meint, dass er das Recht hat, beim Flughafen mitzuentscheiden, sollte sich fragen, ob in Zukunft ganz Südtirol über den Dorfbrunnen, den Skilift oder den Sportplatz, welche vom Land subventioniert werden, entscheiden soll.

  • sepp

    gscheider es lests amol wiesich die gscheiden Politiker aussareden denman willjo gewählt werden

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