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Der grapschende Direktor

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Zwei Jahre Haft auf Bewährung für den ehemaligen Direktor der Riese-Haunold-Hütte in Innichen wegen sexueller Gewalt gegen eine Kellnerin. Dazu, als Nebenstrafe, zwei Jahre Berufsverbot.

Von Thomas Vikoler

Er war zunächst Chefkoch, dann Direktor. Direktor einer bekannten Ski-Hütte im Skigebiet Sextner Dolomiten. In dieser Rolle hat er sich, jedenfalls nach einem gestern ergangenen Urteil des Landesgerichts Bozen, wenig rühmlich verhalten.

Wie ein kleiner Harvey Weinstein, der sich das Recht herausnahm, weibliche Untergebenen sexuell zu attackieren.

Im Frühjahr 2015, nach Beendigung der Wintersaison, erstattete eine 32-jährige Kellnerin des Betriebs Strafanzeige gegen ihren damaligen Chef, H.W., 61.

Die Vorwürfe, der aus der Dominikanischen Republik stammenden Frau, die in eine Anklage der Staatsanwaltschaft mündeten, lauteten: Sexuelle Gewalt und Belästigung. Die Staatsanwaltschaft Bozen hielt sie für plausibel und erhob Anklage gegen den Mann, der inzwischen in einem anderen Betrieb tätig ist.

Nach einer Hauptverhandlung mit mehreren Zeugenaussagen erging nun der Schuldspruch:

H.W. wurde für schuldig befunden und zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt. Die sexuelle Gewalt wurde als „leicht“ eingestuft, dazu kommt Belästigung (am Arbeitsplatz).

Bemerkenswert die hohen Nebenstrafen: Ein lebenslanges Verbot als Vormund oder Sachwalter tätig zu sein und – für die Dauer der Haftstrafe – ein völliges Berufsverbot für den ehemaligen Direktor.

Dem (mutmaßlichen) Opfer, der ehemaligen Kellnerin, wurde eine vorläufige Anzahlung von Schmerzensgeld in der Höhe von 5.000 Euro zugesprochen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig und dürfte angefochten werden.

Es handelt sich um einen Schuldspruch, der zur aktuellen „MeToo“-Debatte passt, auch wenn es nicht dabei um Hollywood-Stars geht. Es bezieht sich auf einen Fall in der Skihütte Riese Haunold, die der Liftgesellschaft Sextner Dolomiten gehört. H.W. war dort zum Direktor aufgestiegen.

Laut Anklageschrift der Staatsanwaltschaft hat er die 32-jährige Kellnerin mehrmals genötigt, „unter Androhung von Gewalt sexuelle Handlungen über sich ergehen zu lassen“. Mehrere ehemalige Kolleginnen der Anzeige-Erstatterin bestätigten dies bei ihrer Zeugenaussage vor Gericht. Einige erklärten sogar, selbst Opfer von sexuellen Übergriffen des Direktors geworden zu sein.

Die Anzeige des mutmaßlichen Opfers ist äußerst detailliert und umfangreich. Demnach hatte sich der Chef ihr gegenüber zunächst vergleichsweise korrekt verhalten. Bis er begann, der Kellnerin vor Kollegen wenig elegante sexuelle Avancen zu machen. „Zeig mir deinen Busen“, lautete eine davon. Es folgten anzügliche Postings auf Facebook (für das Gericht eindeutige Beweise) und verschiedene verbale Belästigungen „pornografischen Inhalts“.

„Wenn niemand anderes anwesend war, begann mich der Chef zu befingern“, heißt es in der Anzeige. Er habe sie „unzählige Male“ am Hintern begrapscht. Die Frau sagt, sie habe sich stets widersetzt.

Bis es – am 12. März 2015 – zu einem Zwischenfall vor Zeugen kam:

Der Restaurant-Leiter versetzte der Servierkraft beim Eintritt in das Lokal, immer laut Anzeige, einen kräftigen Klaps auf den Po. Der Zeuge der Szene ist ausgerechnet der Ehemann der Frau, der später auch das Management der Liftgesellschaft darüber informierte.

Die Kellnerin berichtete, die sexuelle Belästigung durch den Chef sei stets von der Unsicherheit begleitet gewesen, ob sie und ihr Mann auch in der kommenden Saison in dem Betrieb angestellt würden. Deshalb habe sie zunächst von einer Anzeige abgesehen.

Der Angeklagte bot mehrere vermeintliche Entlastungszeugen auf, um die Vorwürfe von Staatsanwaltschaft und Zivilpartei zu entkräften.

Das Gericht unter Vorsitz von Carla Scheidle (Beisitzer: Ivan Perathoner und Michele Papparella) überzeugten die Darstellungen offenbar nicht.

 

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