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Rente mit 100?

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Die neue Regierung will die Fornero-Rentenreform kippen: Künftig soll man in Rente gehen können, wenn Alter und Beitragsjahre die Summe von 100 ergeben. Was Sache ist. Und die Reaktionen.

von Heinrich Schwarz

Sieben Jahre nach der sogenannten Fornero-Reform soll jetzt eine neuerliche Reform des Rentensystems her. So will es die neue italienische Regierung aus 5-Sterne-Bewegung und Lega. Die vielkritisierte Fornero-Reform soll weg.

Genaue Details sind noch nicht bekannt. Allerdings steht das gewünschte Konzept fest, das je nach verfügbaren finanziellen Mitteln nach und nach umgesetzt werden soll.

Es sieht zwei Möglichkeiten für den Renteneintritt vor. Zum einen die „Quote 100“: Man hätte Anrecht auf die Rente, wenn Alter und Beitragsjahre die Summe von 100 ergeben. Dabei soll allerdings ein Mindestalter von 64 Jahren gelten und eventuell auch ein Minimum von 35 Beitragsjahren. Aktuell gibt es kein Quotensystem, sondern eine Altersrente mit einem Mindestalter von 67 Jahren.

Und zum anderen sollen 41 Beitragsjahre (vielleicht plus sechs Monate) für den Renteneintritt ausreichen – unabhängig vom Alter. Aktuell sind rund 43 Beitragsjahre für den vorzeitigen Renteneintritt notwendig.

Im Falle von körperlich anstrengenden Arbeiten soll es weiterhin Sonderregelungen für einen verfrühten Renteneintritt geben.

Weiters will die neue Regierung die Wiedereinführung der „opzione donna“, die Frauen den Renteneintritt im Alter von 57 (oder 58) Jahren und 35 (vielleicht auch 36 oder 37) Beitragsjahren ermöglichen soll. Die Frauen wurden durch die Fornero-Reform bekanntlich besonders benachteiligt, weil sie plötzlich fünf Jahre länger arbeiten mussten.

Die große Frage bei der neuerlichen Rentenreform ist jene der Finanzierbarkeit. Im Regierungsprogramm ist die Rede von jährlich fünf Milliarden Euro an Kosten. Das Renteninstitut INPS spricht vom bis zu Dreifachen davon.

Die TAGESZEITUNG hat einige Meinungen zu den Plänen der Regierung eingeholt – insbesondere was die Quote 100 und die 41 Beitragsjahre betrifft.

Helmuth Renzler, SVP-Abgeordneter und Rentenexperte:

Ich finde die geplante Reform gut und erachte sie sogar als eine Notwendigkeit. Wenn jemand 64 Jahre alt ist und 36 Versicherungsjahre hat, ist es richtig, dass er in Pension gehen kann – überhaupt bei bestimmten Berufen. Lieber wären mir aber 63 Jahre, weil es dieses Alter heute schon bei anderen Maßnahmen – „Ape sociale“, „Ape volontaria“ usw. – gibt. Eine einheitliche Regelung wäre sinnvoll. Eine Altersbeschränkung ist ansonsten gut.

Helmuth Renzler

Die 41 Beitragsjahre für die vorzeitige Altersrente sind ebenfalls zu begrüßen, sofern die Betroffenen unabhängig vom Lebensalter in Pension gehen können. Sonst werden noch jene bestraft, die schon im Jugendalter zu arbeiten begonnen haben. Wer 41 Jahre lang eingezahlt hat, hat lange genug eingezahlt.

Was mir abgeht, sind weitere Berufsgruppen in der Kategorie der besonders beschwerlichen Tätigkeiten, für die die Voraussetzungen niedriger sind. Für mich ist etwa unbegreiflich, dass man Altenpflegerinnen nicht hineintut, die alle schon mit 55 Jahren physische Verschleißerscheinungen haben.

Wegen der Finanzierung der Reform würde ich mir überhaupt keine Sorgen machen. Denn wer etwa 41 Jahre Beiträge eingezahlt hat, zahlt sich die Rente rund 20 Jahre mit dem eigenen eingezahlten Geld. Dann ist er auch schon über 80, sofern er so lange lebt. Und die von der INPS errechneten 15 Milliarden Euro betreffen die Quote 100 mit einem Mindestalter von 60. Jetzt sind es 64 Jahre, womit die Kosten deutlich sinken.

Alfred Ebner, AGB-CGIL:

Mit der vorherigen Regierung wurde lange über ähnliche Vorschläge diskutiert. 41 Dienstjahre, 62 Jahre oder auch die Quote 100 waren in Diskussion. Es war nicht identisch, was auf unserer Plattform stand, aber es überschneidet sich ziemlich. Wir wären froh, wenn sich diese Diskussion nochmal auftun würde, da sie notwendig ist. Das aktuelle Rentensystem kann so nicht stehen bleiben.

Alfred Ebner

Es wären aber auch andere Dinge zu regeln, sonst ist das System bald nicht mehr konsensfähig. Für junge Leute mit prekären Arbeiten etwa gibt es im beitragsbezogenen System keine Mindestrente mehr wie jetzt. Für diese Personen sollte man eine Lösung finden.

Weiters sollte jemand, der 40 Jahre arbeitet, nicht unter einen bestimmten Prozentsatz vom Gehalt der letzten Jahre heruntersinken: Falls er am Anfang seiner Laufbahn Lücken hatte, holt er das nämlich kaum mehr auf und muss mit einer Rente von 35 bis 50 Prozent des letzten Gehaltes auskommen. Das wäre schon einschneidend.

Eine weitere Lösung muss man bei Mutterschafts- und Pflegezeiten finden. Man muss den jungen Leuten allgemein eine Perspektive geben – nicht dass sie viel einzahlen müssen und am Ende wenig davon haben.

Josef Tschöll, SVP-Wirtschaft:

Die Frage ist jene der Finanzierbarkeit. Man kann viel versprechen, aber so wie es ausschaut, kostet die „Hetz“ fünf Milliarden Euro pro Jahr oder je nach Rechenspielen noch mehr. Wenn man in Italien fünf Milliarden sagt, kommt normalerweise mehr heraus – vor allem bei den Renten.

Josef Tschöll

Im Prinzip heißt es wieder neue Schulden machen. Wer ist der Leidtragende? Die Jugend. Das ganze Rentensystem ist ein riesiger Betrug an der Jugend.

Die Fornero-Reform war sicher streng, aber sie hat Italien 2011 und 2012 letztendlich vor dem Staatsbankrott gerettet. Jetzt alles wieder aufzutun heißt, dass die Reformbemühungen, um Italien finanziell und wirtschaftlich zu stabilisieren, wieder einen Dämpfer kriegen. Wenn der Schuldenberg irgendwann abgebaut werden soll – auch nur geringfügig –, dürfen die Jungen abtragen.

Tony Tschenett, ASGB:

Momentan gibt es nur den Text im Regierungsprogramm und noch keine Details. Man redet viel, aber solange kein definitiver Text da ist, tut man sich schwer, eine Aussage zu machen. Es fehlen etwa die Infos, ob die Rente weniger ausmachen würde oder sich die Koeffizienten ändern.

Tony Tschenett

Natürlich muss bei den Pensionen etwas getan werden. Aber in letzter Zeit gab es einige Neuerungen wie „Ape volontaria“ oder das mit den schwerwiegenden Tätigkeiten. Man weiß auch nicht, ob das aufgehoben wird. Dass man bei schwerwiegenden Tätigkeiten mit weniger Dienstjahren in Rente gehen kann, ist eine Notwendigkeit. Es wäre wichtig, dass die neue Regierung diesen Weg weitergeht und noch gewisse Berufskategorien dazutut.

Wenn man jetzt auf 41 Jahre für alle zurückgeht, muss man auch die Kosten anschauen. Aber ohne konkrete Details ist es schwer, ein Urteil abzugeben.

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Kommentare (11)

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  • steve

    Und wer wird für die „Großzügigkeit“ bezahlen wenn viel zu viele Pensionisten auf viel zu wenige Junge kommen: wiedermal die die nachher kommen!!

  • unglaublich

    Auch in Italien gibt es seit vielen Jahren eine Vermögensverschiebung von Arm zu Reich. Das ist der größte Fehler unserer Zeit und führt die Gesellschaft in eine schlechte Zukunft. Wenn über Kosten (in diesem Fall des neuen Rentensystems) gesprochen wird, dann soll man endlich jene ins Visier nehmen, die bisher von Sparmaßnahmen verschont blieben.

  • pingoballino1955

    Tschöll: So ein Blödsinn-die Fornero Reform hat gar nichts bewirkt,erkundigen sie sich mal lieber besser.Seither haben wir Dank der PDSVP Politik 230 Milliarden mehr Schulden.

  • andreas

    Um bei steigender Lebenserwartung und leeren Kassen das Renteneintrittsalter zu senken, braucht es viel Optimismus oder viel Egoismus.
    Höhere Steuern bei Finanztransaktionen und es wäre finanziert, wird aber nicht passieren.

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