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„Mehr Geld für die Milch“

Alle Milchhöfe haben den Umstieg auf die flächenbezogene Milchproduktion abgesegnet. Sennereiverbands-Obmann Joachim Reinalter über die Umstellung, die Strafen, den Milchzukauf aus dem Ausland und mögliche Klagen von Bauern.

von Heinrich Schwarz

Jetzt haben alle Südtiroler Milchhöfe grünes Licht für die Einführung des strikten Flächenbezuges in der Milchwirtschaft gegeben. Pro Hektar Futterfläche und je nach Höhenlage darf nur mehr eine bestimmte Höchstanzahl an Vieh gehalten werden, sonst gibt es empfindliche Strafen. 95 Prozent der Bauern halten den Höchstviehbesatz bereits ein.

Sennereiverbands-Obmann, Bauernbund-Obmann Leo Tiefenthaler und Agrarlandesrat Arnold Schuler sind sich einig: „Nur mit einer nachhaltigen und flächenbezogenen Milchwirtschaft können wir auf dem Markt bestehen und langfristig eine hohe Wertschöpfung garantieren. Südtirol kann nicht über die Menge konkurrieren, sondern nur über die Qualität.“

Tageszeitung: Herr Reinalter, wer mehr als die festgelegte Höchstanzahl an Vieh pro Hektar hält, hat ab 2019 fünf Jahre Zeit für die Anpassung. Die überzähligen Kühe müssen also verkauft oder geschlachtet werden, außer der Bauer kauft neue Flächen?

Joachim Reinalter: Richtig, man kann aber auch Flächen pachten.

Fünf Prozent der Südtiroler Bauern sind aktuell nicht in Ordnung. Wie viele sind das?

Rund 250 der 5.000 Bauern. Man muss aber auch sagen, dass viele davon nur knapp drüber sind und die Anpassung von ein bis zwei Großvieheinheiten keine große Sache ist. Rund 100 sind ordentlich drüber. Für diese ist die Umstellung schwieriger.

Nach den fünf Jahren Anpassungszeit sind Strafen fällig. Wie werden diese aussehen?

Sie sind je nach Milchhof unterschiedlich. In Sterzing wird man nach fünf Jahren gar nicht mehr liefern können, wenn man mit den GVE nicht in Ordnung ist. In Meran kriegt man schon nach drei Jahren kein Geld mehr für die überschüssige Menge. Die Bergmilch und die restlichen Milchhöfe berechnen einen Abzug von zehn Cent auf die gesamte angelieferte Milch, sodass es nicht mehr attraktiv ist, Milch zu liefern. Bei allen Milchhöfen gibt es bereits für die nächsten fünf Jahre – in Meran drei Jahre – eine Übergangsregelung: Für jedes Mitglied wird eine Referenzmenge definiert, die jedes Jahr um zehn Prozent reduziert wird, wobei es für überschüssige Milch einen Abzug von zehn Cent gibt.

Der Milchbedarf in Südtirol steigt, doch die Milchmenge dürfte sich jetzt reduzieren. Wie viel Milch wird künftig fehlen?

Es muss nicht sein, dass weniger produziert oder Milch fehlen wird: Wenn alle das Limit ausreizen würden, würde viel mehr produziert. Wir haben heute einen Durchschnitt von 1,2 GVE pro Hektar. Das ist sehr positiv, aber einige Bauern haben zu viel und andere sehr wenig.

Forderten bestimmte Handelsketten das Nachhaltigkeitskonzept?

Es war insgesamt der Druck vom Markt. Es ist gesagt worden, dass wir immer mehr Antworten darauf geben müssen, wie produziert wird, was produziert wird und mit was die Tiere gefüttert werden. Jetzt haben wir mit dem Flächennachweis zumindest die Garantie, dass gewisses Grundfutter für die Tiere hier vorhanden ist – Südtiroler Futter. Das ist das Wichtige. Wir wollen keine Industriebetriebe, die das Futter extern zukaufen.

Ist Futterzukauf aus Restitalien oder dem Ausland dann vollkommen verboten?

Nein. Aber für die Berechnung der Futterfläche zählen nur die Südtiroler Flächen. Ausnahmen sind etwa die Flächen der Vinschger in Nauders und jene der Ahrntaler auf österreichischer Seite.

Jedes Jahr werden über 20 Millionen Kilogramm Milch aus Deutschland und Österreich zugekauft. Wird es das künftig nicht mehr geben?

Die Zukäufe hängen vom Milchhof ab. Bei Bergmilch haben wir immer noch einiges an Milch, die wir einer besseren Wertschöpfung zuführen können – teilweise auch Versandmilch. Da haben wir die Hoffnung, dass wir diese Milch vermehrt intern austauschen, sodass die Wertschöpfung in Südtirol generiert werden kann. Das große Problem ist, dass wir eine Winter-Sommer-Kurve haben. Mit Mozzarella und Joghurt etwa haben wir Sommerprodukte, weshalb es im Sommer mehr Milchbedarf gibt.

Zukäufe wird es also weiterhin geben?

Im Sommer kann es sein, dass es Engpässe in der Anlieferungsmilch gibt. Sonst wird prinzipiell versucht, so wenig wie möglich zuzukaufen.

Was ist mit dem Sonderfall Sterzing, wo sehr viele Nordtiroler Bauern anliefern, was von anderen Milchhöfen kritisiert wird? Bleibt das wie gehabt?

Der Milchhof Sterzing hat sich in diese Richtung bewegt und die Nordtiroler Bauern mittlerweile als Mitglieder aufgenommen. Ich schätze, dass es da keinen Weg zurück geben wird. Das ist zwar für das Qualitätszeichen schade, das auf den Produkten herunter muss, aber die Sterzinger haben sich nun mal für diesen Weg entschieden.

Die Nordtiroler Bauern müssen sich aber trotzdem an die neue Flächenregelung halten?

Auf alle Fälle. Jedes Mitglied muss sich automatisch daran halten.

Von vielen Bauern kommt die generelle Frage, ob man mit der neuen Regelung überlebensfähig sein kann…

Wir haben sie ja gemacht, um den Milchpreis langfristig abzusichern. Wir möchten den Bauern in Zukunft mehr Geld für die Milch zahlen. Wir müssen Lösungen sowohl für Nebenerwerbsbauern, die über 75 Prozent der Mitglieder ausmachen, als auch für Vollerwerbsbauern finden. Alle Geschäftsführer und Obmänner waren der Meinung, dass wir versuchen müssen, den Milchpreis noch zu stärken, sodass ein Auskommen mit dem Einkommen in der Südtiroler Berglandwirtschaft möglich ist. Beide Arten von Bauern sollen profitieren. Wir sagen: Wenn ihr die Milchmenge steigern wollt, dann bitte mit mehr Fläche, weil das nachhaltig ist. Wenn jemand die Fläche zur Produktion hat, kann er dort auch die produzierte Gülle unterbringen. Dann ist das ein natürlicher Kreislauf, der sehr viele Probleme, für die wir in Vergangenheit kritisiert wurden, von alleine löst.

Einige Bauern mit zu viel Vieh haben sich zusammengeschlossen und reichen womöglich eine Klage gegen die Neuregelung ein. Machen Sie sich Sorgen?

Zurzeit haben wir noch keine Klage bekommen, aber es kann sein, dass eine kommt. Dass wir die Statutenänderungen mit über 90 Prozent Zustimmung – auch in Sterzing hoch 80 Prozent – abgeschlossen haben, ist jedenfalls ein klarer Auftrag der Mitglieder, dass die Genossenschaften in Richtung strikten Flächenbezug gehen sollen. Wenn so viele sagen, dass der nachhaltige Weg der richtige ist, lasse ich mich auch nicht von der Androhung einer Klage drausbringen. Natürlich gibt es für gewisse Mitglieder Einschränkungen, aber als Genossenschaft muss man auf das Gesamtwohl achten. Dass es möglichst vielen Mitgliedern auch in Zukunft gut geht.

Was wäre, wenn die betroffenen Bauern einen eigenen Milchhof ohne Mengenbeschränkungen gründen würden?

Das ist natürlich jedem freigestellt. Auf dem heutigen Markt kann man produzieren, wie viel man will, aber die große Herausforderung ist der Verkauf – und der ist mittlerweile so schwierig und so eng geworden, dass man kaum noch Regalplätze bekommt. Deswegen würde ich diesen Schritt niemandem empfehlen, denn ohne Nachhaltigkeit ist es noch schwieriger zu verkaufen. Alle, die seit 30 Jahren auf dem Markt sind, versuchen unsere Südtiroler Produkte gut zu verkaufen. So einfach ist das leider Gottes nicht.

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