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„Luft nach oben“

Gernot Gruber

Der Politik-Experte und ehemalige Umfragen-Macher Gernot Gruber glaubt nicht, dass die SVP die Absolute erreicht. Und auch die Wiese für Paul Köllensperger sei noch nicht gemäht.

TAGESZEITUNG Online: Herr Gruber, Sie haben jahrelang Umfragen zur Südtiroler Politik gemacht. Wie interpretieren Sie die Daten der jüngsten SVP-Umfrage in Hinblick auf die Landtagswahlen im Herbst?

Gernot Gruber: Grundsätzlich muss man sagen, dass es keine offiziellen Daten gibt und man nur das interpretieren kann, was durchgesickert ist. Die deutschsprachigen Parteien sind demnach stabil, was keine große Überraschung ist. Weder bei der SVP, noch bei den Freiheitlichen oder bei der STF gibt es große Ausreißer. Die Lega, die verschwunden war, ist wieder da. Aber sie bei 5 Prozent anzusetzen, ist mutig, finde ich.

Warum?

Es stellt sich insgesamt die Frage, wie hoch bei dieser SVP-Umfrage der Anteil der Unentschlossenen war ...

Der Anteil der Unentschlossenen lag nach unserer Informationen bei 20 bis 25 Prozent …

Das wäre ein relativ niedriger Wert, weil dieser Anteil immer bei einem Drittel gelegen hat. Niedrig erscheint mir dieser Wert auch vor dem Hintergrund der politischen Situation auf gesamtstaatlicher Ebene, wo derzeit ein kompletter Politik-Wechsel stattfindet. Und es hängt auch davon ab, ob die Umfrage vor den Parlamentswahlen oder danach gemacht wurde …

Sie wurde nach den Wahlen gemacht.

Okay, diese Frage ist insofern wichtig, als die Parlamentswahlen immer einen lokalen Effekt haben. Wenn die Lega auf nationaler Ebene gewinnt, dann gibt es auf lokaler Ebene den Mitläufereffekt. Es gibt nämlich einen Prozentsatz an Wählern, die gerne auf der Seite der Sieger stehen.

Wie interpretieren Sie den Wert von 40 Prozent der SVP?

Mir kommt dieser Wert relativ stabil vor, wobei entscheidend sein wird, wer zur Wahl hingeht. In Sachen Wahlbeteiligung gab es bislang immer eine extreme Schieflage: Die Deutschen sind eher wählen gegangen, die Italiener weniger. Das hat der SVP die letzten beiden Wahlen gerettet. Wenn sich das aber ändert, kommt es gleich zu einer Verschiebung von zwei bis drei Prozent noch oben oder unten. Hinzu kommt: Eines ist das Partei-Ergebnis, etwas anderes sind die Personen-Ergebnisse. Sprich: Mit dem Vorzugsstimmensystem kann ein guter Kandidat in einem Bezirk einen guten Stimmenfang für die SVP machen. Generell denke ich, dass es noch zu früh ist, um Prognosen zu machen.

Die SVP hat eine Chance auf die Absolute?

Diese Zeiten, so glaube ich, sind vorbei. Außerdem scheint es den großen Kompatscher-Effekt nicht zu geben.

61 Prozent können sich Arno Kompatscher zum LH zu wählen …

Mit 61 Prozent ist Kompatscher nicht der Überflieger. Luis Durnwalder hatte in guten Zeiten Werte von 80 und mehr Prozent. Da ist also noch Luft nach oben. Andererseits: Wenn der Spitzenkandidaten besser dasteht als die Partei, dann dürfte der Wert der Partei nicht nach unten sinken.

Die wichtigsten Themen für die Menschen sind – immer laut SVP-Umfrage – die Asylanten, die Sicherheit und die Gesundheit …

Das sind genau die Themen, bei denen die SVP ein Problem hat. Asylanten und Sicherheit sind klassische Kernthemen der Freiheitlichen. Und auch im Bereich Gesundheit kann die SVP nicht auf glorreiche fünf Jahre zurückblicken. Hinzu kommt, dass die zuständige Landesrätin das Handtuch wirft …

… was für die SVP kein Nachteil sein muss …

Das Problem ist, dass man innerhalb der SVP keinen Mr. bzw. keine Mrs. Gesundheit sieht. Ich glaube nicht, dass der LH diesen Bereich zur Chefsache machen will …

Von Thomas Widmann weiß man, dass er Interesse hätte …

In Thomas Widmann sehen die Menschen mehr den Mister Südtirol Pass als den Mr. Bypass. Außerdem war er eine Legislatur lang nicht in der Regierung.

Die Grünen stehen laut Umfrage bei 6 Prozent. Ist das realistisch?

Damit liegen die Grünen dort, wo sie auch bei früheren Umfragen gelegen haben. Den Grünen fehlt ein Zugpferd, ein Ersatz für Hans Heiss, der das bürgerliche Lager anspricht. Der internationale Trend spricht gegen die Grünen.

Es könnte ja zu einem Innsbruck-Effekt kommen …

Ich denke eher, dass dies ein lokales Einzelphänomen war.

Wie sind Paul Köllensperger und seine 5-Sterne-Bewegung einzuschätzen? Laut Umfrage liegen sie bei 8 Prozent …

Bis zum Herbst ist es noch lang. Die 5-Sterne-Bewegung steht national in der Bringschuld und kann bis zu den Wahlen noch viel falsch machen. Aus meiner Sicht bewegt sich Köllensperger auf einem sehr schmalen Grat. Er hat den nationalen Aufwind mitgenommen, aber das kann schnell wieder wechseln, wenn die Grillini in Rom scheitern.

Der PD liegt bei unter 5 Prozent …

Leute wie Robert Bizzo und Cristian Tommasini sind für die Wähler ein alter Hut. Die Italiener im Lande sind Wechselwähler, daher traue ich mir bei den italienischen Parteien keine Prognose zu. Momentan ist es sicher so, dass der lokale PD keinen Leader hat.

Schafft Andreas Pöder den Einzug ins Hohe Haus?

Pöder war auch bei den letzten Wahlen immer halb tot oder halb lebendig. Er ist aber ein Wahlkampfphänomen. Er kann im Schlussspurt immer noch Terrain gutmachen. Aber den großen Sprung sehe ich bei ihm nicht. Pöder kommt entweder knapp rein, oder er fliegt knapp raus.

Interview: Artur Oberhofer

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (4)

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  • ostern

    Die Wiese bracuht niemandem Hr. Köllensperger zu mähen, die ist schon gemäht.
    Mit wem wird wohl die SVP Koalition eingehen? Diese wird von ihrem Trohn heruntersteigen müssen und sich einen Partner suchen. Es wird sich einiges ändern.SVP-PD auf nimmer wiedersehen!

  • george

    Die Südtiroler müssten bei den nächsten Wahlen endlich einmal aufwachen und weder die SVP-PD wählen noch die FH oder STF

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