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Gestalktes Model

Ein 21-jähriger Südtiroler, der in Mailand als Model arbeitet und studiert, ist monatelang gestalkt worden. Es geht um gehackte E-Mail-Accounts – und um ein heimlich gedrehtes Nacktvideo.

von Artur Oberhofer

Es war schlimm. Ein Allgemeinmediziner diagnostizierte bei Anton R. (Name von der Redaktion geändert) im Juli vergangenen Jahres einen „psychophysischen Erschöpfungszustand“ mit Schlaf- und Essstörungen. Der Patient leide außerdem unter Angst- und depressiven Zuständen. Der junge Mann habe nicht mehr normal leben und arbeiten können.

Anton R., 21, ist ein Südtiroler Model, er lebt, modelt und studiert in Mailand. Der junge Mann aus dem Großraum Bozen war monatelang Opfers eines Stalkers, der ihm – im wahrsten Sinne des Wortes – das Leben zu Hölle gemacht hat. Der mutmaßliche Täter ging sogar so weit und veröffentlichte ein Video, das er heimlich im Badezimmer aufgenommen hatte. In dem Video ist Anton R. unter der Dusche zu sehen.

Mit diesem krassen Fall von Stalking beschäftigt sich seit Monaten die Gerichtsbarkeit in Bozen (Aktenzeichen 5683/17).

Am 9. Mai findet am Landesgericht in Bozen vor Richter Walter Pelino die Vorverhandlung statt. Auf der Anklagebank sitzt Luca C., ein 25-jähriger Mann aus Piacenza.

Der Fall beginnt im Jänner 2017.

Anton R., ist in jener Zeit auf der „Settimana della moda“ in Mailand im Einsatz. Wenige Monate zuvor hatte er über Instagram einen IT-Techniker kennengelernt, Luca C., der den Südtiroler beim Ankauf von digitalen Geräten beraten hat. Luca C, der in Piacenza bei seinen Eltern wohnt, aber in Mailand in der Via Sarca ein Studentenbude angemietet hat, bietet Anton R. an, während der „Settimana della moda“ bei ihm zu wohnen.
Anton R. nimmt das Angebot an. Vom 6. bis 26. Jänner 2017 wohnt Anton R. bei Luca C. in der Wohnung in der Via Sarca in Mailand.

Anfang Februar 2017 bemerkt Anton R., dass jemand versucht hat, seinen gmail-Account zu hacken. Am 3. Februar 2017 zeigt er diesen Hackerversuch bei der Postpolizei in Mailand an.

Zum Termin beim Inspektor der Mailänder Postpolizei begleitet ihn Luca C. Noch schöpft Anton R. keinen Verdacht gegen den IT-Techniker.

In den darauffolgenden Wochen und Monaten registriert Anton R. weitere Hackerangriffe auf seine Dropbox- und Instagram-Accounts. So versucht jemand, die persönlichen Daten zu manipulieren.

Mitte Febuar 2017 bemerkt Anton R. dass ein User mit dem Nickname „lorenzobenzema“ einige Fotos, die er auf Instagram gestellt hat, negativ kommentiert hat. Ihm fällt außerdem auf, dass über dieses und andere offenbar gefakte Instagram-Profile nicht nur abfällige Kommentare gepostet werden, sondern auch private Fotos von ihm veröffentlicht werden.

Er rätselt darüber, wer wie in den Besitz dieser Fotos gelangt sein könnte. Und was das Ganze soll. Über eines dieser Fake-Profile wird am 5. März 2017 folgender Kommentar gepostet:

„How about we show a video of yours nobody has seen?“

Der unbekannte User taggt drei User: Anton R. und zwei Fotomodels. Anton R. versteht die Botschaft zwischen diesen Zeilen zunächst nicht. Doch noch am selben Tag geht auf Anton R.’s Aks.me-Account eine beunruhigende Botschaft ein. Darin heißt es:

„… scrivimi su KIK TexWiller996 o rilascerò un tuo video poco piacevole.“

Es kommt tatsächlich so. Nur wenige Tage später geht auf Anton R.’s Instagram-Account ein Foto ein, auf dem er zu sehen ist. Nackt!

Obwohl das Bild bearbeitet worden war, kann Anton R. zweifelsfrei erkennen, dass das Foto im Bad von Luca C.’s Wohnung in der Via Sarca aufgenommen worden ist.

Für Anton R. ist also klar, dass Luca C. hinter dem Pseudonym Tex Willer stecken muss. Er kontaktiert ihn und droht ihm mit einer Anzeige für den Fall, dass er ihn nicht in Ruhe lassen sollte.

Doch der Stalker legt jetzt erst richtig los!

Es beginnen Stalking-Aktivitäten, die nun Gegenstand eines Strafprozesses am Landesgericht in Bozen sind. Luca C. bombardiert das Südtiroler Model mit Botschaften in den verschiedenen sozialen Netzwerken. Er droht sogar damit, sich umzubringen („ la mia vita non ha più senso … meglio che finisca“). Irgendwann bekommt es Anton R. mit der Angst zu tun.

In seiner Anzeige bei der Postpolizei, die der Tageszeitung vorliegt, heißt es:

„Ab dem Zeitpunkt habe ich mir echt Sorgen gemacht. Ich hatte das erste Mal das Gefühl, das ich in Gefahr bin, ich hatte Angst, dass Luca C. mir vor meinem Haus auflauern könnte. Ich hatte Angst um meine Eltern, da Luca C. meine Adresse in Südtirol kannte. Von da an habe ich keine Fotos mehr gepostet, weder von mir, noch von meinem Hund.“

Mehrmals bietet Anton R. dem Stalker an, seine Anzeige zurückzuziehen, wenn dieser im Gegenzug sein Treiben beende. Doch es sollte noch schlimmer kommen: Am 18. Juli 2017 verschickt Luca C. über einen Fake-Mail-Account (in dem er den Namen von Anton R. verwendete) ein Video an 22 E-Mail-Adressen. In diesem Video, 57 Minuten lang, ist Anton R. im Bad zu sehen. Nackt. Auf dem Klo. Unter der Dusche. Und bei autoerotischen Handlungen.

Anton R. kann sofort erkennen, dass es sich um Aufnahmen aus dem Bad in Luca C.’s Mailänder Wohnung handelt. Luca C. muss die Kamera in einem Badschrank versteckt haben. Am 5. August 2017 schickt Luca. C. dem Südtiroler Model noch eine Mail mit einem Foto im Anhang, auf dem er, Anton R., zu sehen ist. „Spero possa piacerti“, schreibt Luca C. dazu.

Anton R. platzt nun endgültig der Kragen. In einer WhatsApp-Mitteilung schreibt er:

„Senti Tex Willer, tu ora hai due possibilità: mi dici il cazzo di motivo per il quale hai fatto tutto questo e ti scusi come mait i sei scusato prima in vita tua. Ho raccolto abbastanza prove adesso per una bella denuncia che ti accompagnerà per il resto della tua vita …“

Am 29. November 2017 erlässt der Bozner Voruntersuchungsrichter Peter Michaeler eine Verfügung, laut der Luca C. sich dem Model Anton R. nicht mehr nähern darf. Und er darf zu Anton R. auch keinen Kontakt über elektronische Medien aufnehmen.

Gegen dieses Annährungsverbot legt Luca C. über seinen Anwalt Beschwerde ein, doch Richter Peter Michaeler entscheidet am 11. Dezember 2017, nach Anhörung von Luca C. dass das Verbot aufrecht bleibt. In der Verhandlung vom 11. Dezember 2017 bestreitet Luca C., das Video heimlich aufgezeichnet und verbreitet zu haben. Am 9. Mai entscheidet sich, ob sich Luca C. wegen Stalkings in einem Hauptverfahren verantworten muss.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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