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25 Jahre Muspilli

Ein Meraner Kulturverein als Kristallisationspunkt: Muspilli feiert das 25-jährige Bestehen.

Manche kennen den Namen vielleicht weniger, aber die Spur des Meraner Kulturvereins Muspilli in der Südtiroler Kulturszene ist im Laufe eines Vierteljahrhunderts breiter geworden. Was mit einer Tanztheateraufführung vor 25 Jahren in Naturns begann, ist seit längerem weit über den Bezirk hinausgewachsen.

Muspilli ist mit der laufenden Saison ein Vierteljahrhundert alt geworden. Zum ersten Schwerpunkt Tanztheater ist vor allem die Jazzmusik als eigenständiges Arbeitsfeld hinzugekommen. Eine Gruppe von engagierten Kulturschaffenden rund um die beiden langjährigen Vorsitzenden Patrizia Ferrari und Ewald Kontschieder hat seit den 90er-Jahren in Südtirol mehrere wichtige Initiativen auf den Weg gebracht.

Förderung der Kreativität und interdisziplinäre Begegnung zwischen den Bühnenkünsten, doch ebenso Kunstvermittlung an die junge Generation und regionale Vernetzung sind einige Anliegen der Vereinstätigkeit von Muspilli. Gegründet 1992-93 von Ewald Kontschieder, Marzia Mura, Alessandra Marabese und einigen anderen, hat der Verein in den 90er-Jahren das erste Mal regelmäßig Tanztheater in das Burggrafenamt gebracht.

Wichtige Akteure der ersten Jahre waren außerdem Patrizia Ferrari als erste Vereinspräsidentin und Harald Costa als Tänzer. Insgesamt sind bisher an die 20 Produktionen entstanden, die meisten selbst geschrieben, inszeniert und in den frühen Jahren im Kollektiv choreografiert.

Teilweise wurde die Musik nicht nur eigens komponiert, sondern ebenso live gespielt. Als „Hauskomponist“ hervorzuheben ist besonders der Akkordeonist Matteo Facchin. In den ersten Jahren ist der Verein ohne regelmäßige Unterstützung und Einnahmen ausgekommen. Er hat in den Anfängen gerade mal 250 Euro im Jahr zur Verfügung gehabt.

Ewald Kontschieder erinnert stellvertretend an die erste professionellere Produktion „Attar“, ein mystisches Sufi-Stück aus dem mittelalterlichen Persien. Franco Marini hatte 1999 die Regie geführt und mit Regieassistent und Texter Kontschieder vier Schauspieler, sechs Tänzer und neun Musiker in einer interdisziplinären Aufführung zusammengebunden. Die Musik stammt von Gregor Scarizuola.

„Kaum mehr denkbar eine solche Produktion, die sich inhaltlich mit der mystisch-muslimischen Erzähltradition der Sufis auseinandersetzt. Das Stück konnte dank einer großzügigen lokalen Unterstützung, auch seitens der Vereine und des damaligen Pfarrers, unter anderem in der Algunder Kirche aufgeführt werden“, erzählt Patrizia Ferrari. Sie war selbst als Tänzerin auf der Bühne und hat mitchoreographiert.

Aufführungen von Muspilli gab es in vielen Orten Südtirols zu sehen, von Schlanders bis Toblach – und auch über die Provinz hinaus. In den ersten Jahren waren es vor allem Plätze im Freien wie am Naturnser Rathausplatz, am Segenbühel in Tirol oder im alten Meraner Thermenpark. Der interethnische Verein spiegelt schon in seinen Anfängen mit seinen Hauptakteuren die Südtiroler Gesellschaft, sind doch Vertreter aller Sprachgruppen dabei.

Als weiteres Hauptarbeitsfeld hat der Verein 2002 mit dem Jazzpianisten Franco D’Andrea die mitteleuropäischen Jazzkurse gegründet. Diese bestehen seit 17 Jahren und sind weit über die Grenzen hinaus bekannt. Teilnehmer reisen im Sommer aus dem Raum zwischen Norddeutschland und Süditalien an, um bei großen internationalen Musikern die improvisierte Musik, aber auch Jazzgesang zu lernen – dieses Jahr vom 11. bis 15 Juli. Franco D’Andrea ist wohl nicht zuletzt auch deswegen zum Ehrenbürger Merans gewählt worden.

Aus der Jazzarbeit ist 2012 die Jugendbigband Südtirol entstanden, die seit diesem Jahr vom Verein Sweet Alps weitergetragen wird. Daneben hat Muspilli sechs Jahre lang „Speculum“ organisiert, einen Wettbewerb für ambitionierte Musikprojekte für Südtiroler Musikschaffende.

Durch die Aktivität im Bereich der tönenden Kunst sind mit dem Regisseur Andreas Pichler schließlich ebenso zwei Dokumentarfilme entstanden, „Franco D’Andrea Jazz Pianist“ und „Max Reger – Musik als Dauerzustand“.

Erst seit den 2000er-Jahren hat der Verein eine nennenswerte finanzielle Unterstützung erfahren. Größter Förderer ist das Kulturamt der Provinz Bozen. Dazugesellt haben sich als langjährige Förderer die Gemeinde Meran, die Stiftung Südtiroler Sparkasse, die Raiffeisenkasse Meran, die Region und weitere kleinere Förderer. Einige Projekte haben auch italienweite und österreichische Förderungen erhalten.

Vor über einem Jahrzehnt hat Muspilli außerdem die Entstehung der Südtiroler Tanzkooperative angeregt, die mithilfe des Festivals Alps Move seit zwölf Jahren den regionalen zeitgenössischen Tanz auch über die Grenzen Südtirols hinausträgt und bekannter macht. Austauschproduktionen dieser Initiative sind nicht nur bis Süditalien und Berlin gelangt, sondern waren in Österreich, den Niederlanden, Spanien und den USA zu sehen.

Seit drei Jahren ist die Tanzkooperative mit einem Community-Tanz-Projekt auch im Jugendbereich sehr aktiv und bringt mit dem Haydn-Orchester die Gemeinschaftsproduktion „Brücken bauen“ im Sommer auf die Bühne. In zwei Wochen Workshop wird vom 23. Juli bis zum 4. August gemeinsam mit Jugendlichen ein Stück erarbeitet.

Ein engagierter Verein, der vieles in Bewegung gebracht hat.

Der Vereinsname Muspilli leitet sich übrigens von einem zentralen Text her, der in der ersten Produktion „Proculus“ verwendet wurde. „Muspilli“ ist ein althochdeutsches Textfragment aus der Bibel und handelt vom Weltende. Das Wort selbst ist bis heute rätselhaft.

Wichtige, abendfüllende Tanztheater-Produktionen:

Proculus (1992)
Das Licht auf der anderen Seite der Erde (1994)
An den Wassern zu Babel (1995)
Babel II (1996)
klänge träume stille (1998)
Attar (1999)
Relation 4 (2001)
Wasserhaus (2002)
Une soiree avec Monsieur Erik Satie (2003)
Muspillis Reise nach Danzania (Kinderstück 2004)
herz stück/schreckliche liebeslieder (2005)
karuna (2006)
Das Lied von der Erde (2007-08)
formen schaelen (objects & dance, 2008)
Inventur – Ein interdisziplinares Begehungsstück (2010-14)
Museumstücke (2016)

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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