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Der Brot-Botschafter

Benjamin Profanter mit Star-Koch Johann Lafer

Der Brixner Benjamin Profanter ist Südtirols erster und einer von weltweit 42 Brot-Sommeliers. Den Lehrgang schloss er als Kursbester ab. Wie er auf diese Ausbildung kam und welche Aufgaben er jetzt hat.

Tageszeitung: Herr Profanter, Sie sind Südtirols erster Brot-Sommelier. Wie sind Sie auf diese ausgefallene Ausbildung gekommen?

Benjamin Profanter: Ich bin nicht nur klassischer Bäckermeister, ich habe mich immer für alle Themenbereiche rund ums Brot interessiert. Ich habe eine Leidenschaft für Brot, genauso wie ein Wein-Sommelier oder ein Fleisch-Sommelier sagt: Mir reicht es nicht, nur zu wissen, wie man das Produkt herstellt und woher es kommt, sondern es geht mir darum, einem Kunden oder einem Konsumenten zu erklären, was gutes Brot ausmacht. Die wenigsten Leute haben eine Ahnung, wie man gutes Brot erkennt.

Welche Aufgaben hat ein Brot-Sommelier?

Die Aufgabe eines Brot-Sommelier ist es, Brot-Botschafter für das Lebensmittel und für das Kulturgut zu sein. Brot ist das älteste transformierte Lebensmittel der Welt. Es hat die gesamte westliche Kultur von Anbeginn der Zeit begleitet. Mit Brot hat man sich früher identifiziert, es hat die eigene Herkunft ausgemacht. Leider Gottes ist das größtenteils verloren gegangen. Unsere Aufgabe ist es, den Leuten die Wertschätzung des Produktes entgegenzubringen. Es geht um Vermarktung, Geschichte und warum man für gutes Brot das Doppelte wie für ein Industriebrot aus dem Supermarkt ausgeben muss.

Es gibt weltweit nur 42 Brot-Sommeliers. Wie lange haben Sie für die Ausbildung gebraucht?

Wenn ich mich richtig erinnere, waren es 480 Stunden. Es war der dritte Lehrgang. Es waren Ausbildungsmodule zu insgesamt drei Tagen. Pro Monat gab es ein Modul und die Ausbildung hat neun Monate gedauert. Ich bin nicht nur ausgebildeter, sondern auch geprüfter Brot-Sommelier. Die Ausbildung ist sehr intensiv und die Prüfung ist auch sehr schwierig. Das Ausbildungs-Niveau grenzt am Niveau des Wein-Sommeliers. Bei der Abschlussveranstaltung war der Star-Koch Johann Lafer dabei. Auch das spricht für die Ausbildung. Als Sahnehäubchen wurde ich als Kursbester ausgezeichnet, obwohl ich die Ausbildung berufsbegleitend gemacht habe.

Was lernt man bei der Ausbildung?

Der Brot-Sommelier ist der einzige Sommelier, wo eine Meisterausbildung oder ein Studientitel Voraussetzung ist. Bei der Sommeliers-Ausbildung war das primäre Ziel, einem Gegenüber kritisch und positiv zu erklären, was die Vorzüge von gutem Brot sind. Auch eine sensorische Prüfung war Teil der Ausbildung. Wir mussten Texturen, Geschmacksnuancen oder Farbvarianten auf gutachterlichem Niveau erkennen. Es ist auch darum gegangen, kommunikativ ein Produkt zu erklären. Als Bäckermeister lernt man nur, nach Fehlern zu suchen, als Sommelier beschreibe ich das Produkt, sodass jemand Lust darauf bekommt und das Produkt erleben kann. Wir müssen den Leuten – auch in Südtirol – den Unterschied zwischen gutem und schlechtem Brot erklärbar machen.

Wie kann man diesen Unterschied erklären?

Es ist dasselbe wie beim Wein. Wenn ich Gäste habe, gebe ich denen oft einen guten Wein aus meinem Keller, der gerne auch mal 20 oder 30 Euro teurer sein darf. Beim Brot sollte es eigentlich ähnlich sein – vor allem in der Gastronomie und in der Hotellerie. Dafür braucht es aber Geschichten und Hintergründe. Beim Bäcker gibt es aber nochmal einen Unterschied: Der Bäcker hat viel mehr Auswahl.

Gibt es denn auch beim Brot einen ähnlich großen Preisunterschied, wie wir es beim Wein kennen?

Also einen so großen preislichen Unterschied gibt es nicht. Das ist aber auch nicht unser Ansatz. Wenn wir von guten Spezialbroten sprechen, wo man teure Getreidesorten oder spezielle Zubereitungsformen verwendet, sind wir im Kilobereich zwischen acht und zehn Euro. Ein Kilo Semmel kostet im Vergleich nur drei Euro. Dennoch wird Brot unter Wert verkauft. Vor allem im Supermarkt. Dort kommt das Brot aus dem Osten aus irgendwelchen Industrieöfen, wo hunderte Kilo hergestellt werden und nur zehn Mitarbeiter arbeiten. Das Brot kostet in den Supermärkten viel zu viel. Wenn ich als Handelstreibender das Produkt aus dem Supermarkt kaufe, weil es 20 Prozent weniger kostet als in der Bäckerei, habe ich einen effektiven Aufschlag von 200 bis 300 Prozent oder noch mehr. Der Kunde muss wissen, wieso das gute Brot so viel kostet. Es ist eigentlich pervers, wenn wir in Italien Brot aus dem Osten kaufen, wo man nicht weiß, woher das kommt und wer das produziert. Auch in der Gastronomie wird massiv Industrieware gekauft, anstatt dass mit einem lokalen Bäcker zusammengearbeitet wird. Das ist vielleicht auch ein kommunikatives Problem der Bäcker. Wir als Sommeliers weisen auch unsere Kollegen darauf hin, dass man etwas in diese Richtung machen muss.

Südtirol isst im kulinarischen Bereich sowohl italienisch als auch österreichisch. Ist es beim Brot genauso?

Ja, es ist so. Es gibt in keiner anderen Provinz eine so große Auswahl beim Bäcker wie bei uns. Wir haben die Südtiroler Brotkultur, die Jahrtausende alt ist, wir haben die österreichische, die süddeutsche und die italienische Brotkultur. Zudem kommen spezielle europäische Brote, die manche Bäckereien anbieten. Dazu ist das Brot auch noch in einer guten Qualität.

Als ausgebildeter Brot-Sommelier: Was ist Ihr Lieblingsbrot und was macht es aus?

Das ist eine schwierige Frage, weil es sehr viele gibt. Mein Lieblingsbrot – und das ist sicherlich durch unsere Südtiroler Kultur bedingt – sind gut gewürzte Schüttelbrote. Also Brote mit einem hohen Roggenanteil, fein gewürzt, so wie wir es von unseren Paarlen kennen, und dazu noch ein kleiner Soßenanteil. Mich auf ein spezielles Brot festzulegen, ist aber sehr schwierig. Ein Steckenpferd ist aber sicher das Schüttelbrot. Es ist im Eisacktal entstanden und ich kümmere mich um die Historie. Geschmacklich ist es sehr zu empfehlen und auch die Qualität überzeugt. Mir ist das Schüttelbrot ans Herz gewachsen. Ich greife meistens zu Roggen- oder Mischbroten, die viel Charakter und Kruste haben und auch gut gewürzt sind. Übrigens war das Eisacktaler Schüttelbrot auch Basis meiner Facharbeit für meine Ausbildung.

Interview: Markus Rufin

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (2)

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  • andreas

    Das beste Schüttelbrot ist das Völser, da es im Gegensatz zum Rest von Südtirol weich ist. Frisch kaufen, einfrieren, 10 Minuten im Ofen auftauen und Butter raufstreichen, wenn es noch warm ist. Es gibt nichts besseres. 🙂
    Bekommt man meines Wissens aber nur in Völs, Seis und Kastelruth. Wer das mal frisch und warm gegessen hat, weiss was gutes Brot ist. Wenn es hart wird, schmeckts aber nicht mehr wirklich, da gint es bessere.

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