„Nur ein Dummkopf …“
Das Oberlandesgericht legt – sieben Monate nach dem Urteil – die Begründung für die Bestätigung des Freispruchs von Alt-LH Luis Durnwalder in der SoFo-Causa vor.
von Thomas Vikoler
Das Problem liegt, wennschon, in den gesetzlichen Bestimmungen, nicht in jener Person, der sie angewandt hat. Auch wenn er sie zum Teil selbst erlassen hat. Das ist eine der Analysen einer Urteilsbegründung, die lange auf sich warten ließ.
Am 30. Mai 2017 bestätigte das Oberlandesgericht Bozen den am 11. Juni 2016 ergangenen Freispruch für Alt-Landeshauptmann Luis Durnwalder im umkämpften Strafverfahren zum dessen Sonderfonds. Generalstaatsanwältin Donatella Marchesini hatte im Berufungsverfahren immerhin zwei Jahre und sechs Monate Haft wegen Unterschlagung öffentlicher Gelder gefordert.
Die Urteilsbegründung fällt vergleichsweise kurz aus, von den 22 Seiten bestehen 14 aus einer Zusammenfassung des erstinstanzlichen Urteils, die eigentliche Begründung ist gerade acht Seiten lang. Verfasst hat sie die Vorsitzende Richterin Ulrike Segna.
In den Schlusssätzen steht das, was die Verteidiger Durnwalders, Gerhard Brandstätter und Domenico Aiello, stets behauptet hatten: Der damalige Landeshauptmann habe im guten Glauben gehandelt es fehle das entscheidende Element des Vorsatzes, die öffentliche Verwaltung finanziell zu schädigen.
Zwar greift auch das Oberlandesgericht – wie das Landesgericht – auf die Zweifelsformel zurück. Verbunden mit einer höchst kuriosen Schlussfolgerung: „Nur ein Dummkopf oder ein Mensch mit eingeschränkter Erkenntnisfähigkeit würde die Beweise für seine strafrechtliche Verantwortung für ein über einen längeren Zeitraum begangenes schweres Delikt selbst liefern“.
Das Oberlandesgericht anerkennt nämlich, dass die Buchführung Durnwalders und seiner Sekretärinnen – mit wenigen Ausnahmen – glaubhaft war. Das Landesgericht hatte sogar eine „besessene“ Genauigkeit in der Dokumentation der Ausgaben und Verrechnungen diagnostiziert.
Längere Abschnitte der Urteilsbegründung widmen sich der Gesetzeslage, beginnend mit dem Landesgesetz aus dem Jahre 1994, mit dem der Sonderfonds begründet wurde. Die Richter des OLG äußern Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes, das 2015 ohnehin abgeschafft wurde. „Die Prinzipien des guten Arbeitens und der Unparteilichkeit der öffentlichen Verwaltung könnten darin verletzt worden sein“, heißt es. Vor allem wegen der nicht vorgesehenen Belegpflicht und der „nebulösen“ Kürze der Bestimmung.
Als Beweis für die guten Absichten des Landeshauptmannes wertet das OLG aber seine Reaktion auf die rechtlichen Einwände der Kontrollsektion des Rechnungshofes. Mit dem Rundschreiben aus dem Jahre 1999 legte Durnwalder fest, wie er und die Landesräte mit den Ausgaben aus dem SoFo umzugehen hätten: Möglichst diskret, um Empfindlichkeiten der Bevölkerung nicht zu verletzen.
Auch deshalb war es für die Richter schwierig, die jeweilige Nutzung der SoFo-Gelder für einen institutionellen Zweck festzustellen. „Bei Ausgaben für Essen, Lebensmittel und Weihnachtsfesten ist dieser nicht eindeutig erkennbar“, heißt es in der Urteilsbegründung.
Dennoch kommt das OLG zum Schluss, dass angesichts der „nebulösen“ Bestimmungen zum Sonderfonds ein Vorsatz Durnwalder nicht nachweisbar ist. Andererseits verweist es darauf, dass sich der Landeshauptmann nichts anderes getan habe, als sich an einem von ihm eingebrachten Beschluss zu halten: Im Jahre 2009 bestimmte die Landesregierung, dass die Verrechnung von privat vorgestreckten Ausgaben mit dem SoFo möglich ist.
Die Kompensationen sind einer der heikelsten Punkte des Strafverfahrens.
Luis Durnwalder sagte am Freitag zur TAGESZEITUNG, dass er fest damit rechne, dass die Generalstaatsanwaltschaft Kassationsbeschwerde einlegt.
Davon gehen auch die Richter des Oberlandesgerichts aus, denn in ihrer Urteilsbegründung ist mehrmals von einem Kassationsurteil die Rede. Jenes der VI. Sektion, mit denen zwei frühere sizilianische Gouverneure wegen Unterschlagung verurteilt wurden. Die Staatsanwaltschaft am Landesgericht hatte sich in ihrer Anklage gegen Durnwalder wesentlich darauf berufen.
Im Urteil wird auch ein Kassationsurteil der VI. Sektion aus dem Jahre 2017 verwiesen, mit dem Ausgaben der Gemeinde Tremosine am Gardasee „zur Steigerung des Ansehens der Verwaltung“ für rechtens erklärt wurden.
Dieses nutzt das OLG für einen kräftigen Seitenhieb gegen die Staatsanwaltschaft am Landesgericht, die Durnwalder unterstellte hatte das SoFo-Geld wie ein Fürst („uti princeps“) ausgegeben zu haben. „Eine solche Einschätzung kann, wennschon, nur ein Richter treffen, nicht ein Ankläger“, heißt es an die Adresse von Ex-Oberstaatsanwalt Guido Rispoli. Und: Durnwalder habe im Jahre 2008 genau 97.868 Vorzugsstimmen bekommen – bei 146.000 Stimmen für die SVP. Die Ausgaben aus dem SoFo hätten darauf kaum Einfluss gehabt, sehr wohl aber „eine effiziente öffentliche Verwaltung, ein fähige Gesundheitssystem und eine verantwortungsbewusste Regierung“.
Nicht nur das: Die Richter vermuten sogar, dass Durnwalders Bar-Geldspenden an Vereine und Schulklassen bei der Bevölkerung negative emotionale Reaktionen und somit einen Image-Verlust des Landeshauptmannes ausgelöst haben könnten.
So wie bei Oberstaatsanwalt Guido Rispoli.
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Kommentare (1)
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george
Wer immer zwischen dem eigenen und em öffentlichen Geldbeutel nicht klar trennt, ist dem Volk gegenüber als schuldig einzustufen.