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Das große Duell

Das letzte Interview vor dem Urnengang: Maria Elena Boschi (PD) und Michaela Biancofiore über die Autonomie, den „Disagio“ und die Heimat-Liebe.

Tageszeitung: Frau Biancofiore, was hat Sie bewogen, im Kammerwahlkreis Bozen zu kandidieren, trotz der Polemiken im Mitterechts-Lager um Ihre Person?

Michaela Biancofiore: Ich bin es gewohnt, den direkten Dialog zu meinen Mitbürgern zu suchen. Ich spreche viel lieber mit dem Volk als mit den Parteienvertretern. In all den Jahren, in denen andere versuchten, Polemiken heraufzubeschwören, haben mich meine Wähler nie verraten. Sie wissen, wie sehr ich unsere Heimat liebe. Ich habe die Möglichkeit, in Bozen mit meinem Gesicht wieder anzutreten, weil ich eine ehrliche Person bin, die nie das Mandat der Wähler verraten hat.

Sie kritisieren scharf die Kandidatur der „provinzfremden“ Maria Elena Boschi, die Südtirol nur als Touristin kenne. Andererseits treten Sie selbst in mehreren Wahlkreisen an. Ist das kein Widerspruch?

Abgesehen davon, dass Frau Boschi italienweit die einzige Kandidatin ist, die in fünf Mehrpersonenwahlkreisen und in einem Einerwahlkreis antritt: Ich kandidiere außerhalb der Region in einem einzigen Mehrpersonenwahlkreis, weil laut den Prognosen meiner Partei meine Wiederwahl in Trentino-Südtirol auf der Kippe stehen könnte. Grund dafür ist die Sonderklausel im neuen Wahlgesetz, die von PD und SVP geschrieben wurde, um die Wahl Boschis und der SVP-Delegation am grünen Tisch zu entscheiden. Dadurch besteht die Gefahr, dass ich es als Berlusconi-Getreue nicht ins Parlament schaffe. Frau Boschi hingegen wird in fünf Regionen gewählt; sie hat kein echtes Interesse daran, Bozen und das Unterland zu vertreten. Wenn man in einem Wahlkreis antritt, muss man, so wie ich, die dortige Realität täglich leben, und nicht nur an den Wochenenden vorbeischauen. Ich sage mit Überzeugung, dass ich in meiner Heimat, im Wahlkreis Bozen-Unterland, wo ich geboren und aufgewachsen bin, gewählt werden will.

 

Michaela Biancofiore

Ihre Partei wendet sich auch an die deutschsprachigen Wähler. Nennen Sie uns drei Gründe, warum ein Unterlandler Biancofiore wählen sollte!

Erstens weil Michaela Biancofiore, gleich wie alle Bürger, die in Südtirol geboren und aufgewachsen sind, Tochter der Autonomie ist. Zweitens weil Michaela Biancofiore seit jeher Südtirol in Rom vertritt. Und drittens weil das nationale Programm von Forza Italia und Mitterechts – von Flat Tax bis Einwanderungsstopp – mit den Interessen der Südtiroler völlig übereinstimmt.

Ist die italienische Sprachgruppe in Südtirol benachteiligt? Wenn ja, in welchen Bereichen?

Leider ja, und zwar auf allen Ebenen. Der gesetzlich vorgeschrieben Proporz, der im Jahr 2000 hätte auslaufen sollen, schützt zwar die Arbeit der Italiener, aber nur auf den unteren Ebenen und nie in den Führungspositionen. Tatsache ist, dass die Italiener nicht das Gefühl haben, die gleichen Möglichkeiten zu haben, an der Autonomie und an der sozial-politischen Realität unseres Landes teilzunehmen. Darüber hinaus gibt es ständig Provokationen, etwa bei der Toponomastik, wo versucht wird, die italienische Identität auszulöschen, anstatt sich neuen Sprachen und Kulturen zu öffnen, was für unseren Ruf als Tourismusland so wichtig wäre. Es ist mittlerweile normal und gewünscht, dass sich die italienische Sprachgruppe an den Rand gedrängt fühlt.

Was haben Sie im Parlament für Südtirol erreicht?

Die Abänderung am Wahlgesetz, die es allen Gruppen und Parteien – ob Mehrheit oder Opposition – ermöglicht, im Parlament vertreten zu sein; die Reform des Autonomiestatuts zugunsten der ladinischen Täler, die den Ladinern neue Möglichkeiten beim Sprachenunterreicht und bei der Reform des Artikels 19 gibt, sowie den Gesetzentwurf für die Chancengleichheit der italienischen Minderheit in Südtirol. Ich war die erste, die das Abkommen zwischen Renzi und dem ehemaligen österreichischen Ministerpräsidenten zur Errichtung einer Mauer am Brenner kritisiert hat. Darüber hinaus gab es viele andere Initiativen, die die Wähler ganz einfach auf der Internetseite der Kammer nachlesen können.
Was sind Ihre ersten Vorhaben, wenn Sie es nach Rom schaffen sollten?

Ich werde mich in erster Linie um die Sicherheit der Südtiroler und der Italiener kümmern. Die Menschen haben Angst; die italienischen, deutschen oder ladinischen Omas trauen sich nicht mehr, am Abend zur Messe zu gehen, weil sie fürchten, Opfer von Aggressionen oder Handtaschenraub zu werden. Vor allem im Unterland, wo der Ausländeranteil besonders hoch ist, wurde in einer von zwei Bars bzw. in einem von zwei Häusern bereits eingebrochen. Die Menschen müssen sich selbst mit Bügerwehren helfen – das ist nicht richtig. Es ist die Aufgabe der Institutionen, des Staates und der Provinz, die Sicherheit der Bevölkerung unseres Landes zu garantieren. Weiters werde ich mich für eine Steuersenkung einsetzen; Ziel ist die Flat Tax, ein einheitlicher Steuersatz von 23 Prozent, den sich die Südtiroler und die hiesigen Unternehmen wünschen. Zu guter Letzt, von der Kanzel der Mehrheit aus, strebe ich auch eine Reform des Statuts an, gemeinsam mit den Kräften dieses Landes, ohne aber die Rechte der drei Sprachgruppen zu beschneiden, so wie es das Gruber-De-Gasperi-Abkommen vorsieht.

Interview: Matthias Koffer

Michaela Biancofiore mit dem Lämmchen (Facebook)

Renzi? Berlusconi? Oder Grillo?
Eine überflüssige Frage. Berlusconi ist mittlerweile Mitglied meiner
Familie.
Ihr Lieblingsbuch?
„Il Cuore oltre gli ostacoli“ von
Michaela Biancofiore, herausgegeben im Mondadori-Verlag. Das ist mein Markenzeichen. Nein, Scherz
beiseite! Mein Lieblingsbuch ist „Un posto nel mondo“ von Fabio Volo.
Ihr Lieblingsgericht?
Lasagne und Pommes Frites.
Berg oder Meer?
Die Karibik, aber auch die Berge
in Villanders und Rodeneck.
Ihr Haustier?
Mein Mops Puggy.
Ihre letzte Beichte?
Vor zwei Monaten beim Begräbnis von Senator Altero Matteoli, der bei einem Straßenunfall sein Leben
verloren hatte.
Ihr Geheimtipp in Rom?
Die Tiberinsel bei Sonnenuntergang.
Wie viele Schuhe haben Sie
im Kasten?
Unendlich viele. Schuhe mit zwölf Zentimetern Stöckel sind meine Leidenschaft.
Im Haushalt bin ich zuständig für …
Alles! Ich bin Single.
Als Parlamentarier verdiene ich …
108.000 Euro brutto glaube ich.
So steht es in meiner letzten
Steuererklärung.

+++ „ Eine Ehre, hier zu kandidieren“ +++

Tageszeitung: Frau Unterstaatssekretärin, Ihre Kandidatur hat für viel Polemik gesorgt, sei es aufseiten der Südtiroler Volkspartei, als auch in den Reihen des lokalen PD. Wie haben Sie diese Aufregung miterlebt?

Maria Elena Boschi: Hierbei handelte es sich in Wirklichkeit um anfängliche Bedenken einiger Parteifunktionäre, die mittlerweile aber überwunden sind. Diese Kritiken waren wahrscheinlich eher den Dynamiken innerhalb der lokalen Partei geschuldet als meiner Person. In der Bevölkerung bin ich stets auf große Zuneigung gestoßen. Ich habe mich in Bozen und im Unterland von Anfang an gut aufgenommen gefühlt.

Maria Elena Boschi

Ihnen wird vorgeworfen, sich aufgrund des Etruria-Bankenskandals nicht getraut zu haben, in Ihrer Heimat Arezzo zu kandidieren. Wie reagieren Sie darauf?

Ich hätte kein Problem damit gehabt, in Arezzo anzutreten und habe diesbezüglich auch meiner Partei die eigene Bereitschaft erklärt. Eine Kandidatur in Arezzo wäre für mich eine gute Gelegenheit gewesen, mit vielen Polemiken endgültig abzuschließen. Ich denke, dass ich in den vergangenen fünf Jahren von meiner Position heraus einen Beitrag dafür geleistet habe, dass viele wichtige Reformen für das Land umgesetzt werden konnten. In einer großen Gemeinschaft, wie sie der PD ist, wird innerhalb der Mannschaft entschieden, auf welcher Position die Spieler aufgestellt werden. Das gilt für mich, genauso wie für die anderen. Ich möchte in dem Zusammenhang aber betonen, dass es für mich eine Ehre ist, in Südtirol antreten zu dürfen und ich danke meiner Partei und unseren Verbündeten dafür, dass sie mir diese Möglichkeit gegeben haben

Sie gelten mittlerweile schon als echte Autonomie-Fachfrau. Wie haben Sie sich dieser komplexen Materie angenähert?

Indem ich mich in die Materie einstudiert habe, wie ich es in allen Bereichen handhabe. Meine Erfahrung als Anwältin hilft mir sehr dabei, wenn es um rechtliche Fragen geht, doch es braucht auch die Demut zu lernen. Darüber hinaus muss ich sagen, dass Gianclaudio Bressa, Karl Zeller und Daniel Alfreider gute Lehrer für mich waren.

Nennen Sie uns drei Motive, warum ein Unterlandler Maria Elena Boschi wählen sollte!

Erstens: Ich arbeite mit Überzeugung für den Schutz und die Weiterentwicklung der Autonomie, weil ich der Meinung bin, dass die Autonomie ein Erfolgsmodell ist, nicht nur für Trentino-Südtirol, sondern für ganz Italien. Zweitens: Ich kenne die Probleme der Südtiroler und die offenen Fragen; darüber diskutiere ich mittlerweile seit vier Jahren. Und ich habe dazu beigetragen, dass wir viele wichtige Ergebnisse erzielen konnten. Drittens: Ich verschwinde nicht am ersten Tag nach den Wahlen. Wenn ich gewählt werde, dann werde ich mich konstant für dieses Land einsetzen und hier regelmäßig präsent sein.
Die Umfragen sehen keinen klaren Wahlsieger voraus. Auf welches Szenario stellen Sie sich ein?
Wir arbeiten dafür, dass am 4. März der PD die stärkste Partei in Italien sein wird.

Renzi oder Gentiloni: Für wen würden Sie sich entscheiden und warum?

Es hat keinen Sinn, sich diese Frage zu stellen. Ich habe mit beiden gut gearbeitet, auch wenn sie verschieden sind. Mit Sicherheit hat der PD eine Mannschaftsqualität, welche die Konkurrenz nicht hat.

Ihre Freundin Michaela Biancofiore ist überzeugt, dass Sie außerstande sind, diese Provinz zu repräsentieren. Wie antworten Sie darauf?

Ich glaube, dass sie sich täuscht und das auch weiß. Sie hat gesehen, wie ich in den vergangenen fünf Jahren im Parlament gearbeitet habe. Sie weiß, wie sehr ich mich für die Autonomien eingesetzt habe. Oftmals hat sie mich auch in der Aula angegriffen, weil ihr meine Haltung – wie sie sagt – zu „autonomiefreundlich“ erschien. Das Problem Biancofiores ist, dass sie zwar seit 2006 im Parlament sitzt, doch weder als Teil der Mehrheit noch als Teil der Opposition jemals dazu imstande war, ein Ergebnis für dieses Land nach Hause zu bringen. Im Gegenteil: Sie hat öffentlich die Autonomie angegriffen und diese als ungerechtes Modell beschimpft, das zu Lasten der anderen Regionen zu viel Geld nach Südtirol transferiere.

Michaela Biancofiore wollte Sie in einem deutschen Wahl-Duell herausfordern, doch Sie haben das Angebot abgelehnt. Haben Sie mittlerweile die eine oder andere Deutschstunde besucht?

Ich denke, das Wichtigste ist es, immer klar im Blickfeld zu behalten, was man für dieses Land und seine Bevölkerung tun will und man sich immer dafür einsetzt. Es zählt nicht, in welcher Sprache man das tut. Zudem erscheint es mir so, als würde sich Frau Biancofiore jetzt ganz plötzlich besinnen, dass sie Deutsch kann. Was hat sie aber die ganzen letzten Jahre für die deutsch- und italienischsprachigen Mitbürger getan? Sie hat sich noch nicht einmal im Bozner Gemeinderat blicken lassen.

Interview: Matthias Kofler

Maria Elena Boschi In Bozen (Archivbild)

Renzi? Berlusconi? Oder Grillo?
Renzi, ohne Zweifel!
Ihr Lieblingsbuch?
Schwierig zu sagen, das ändert sich ständig. Heuer hat mir das Buch „Hillbilly Elegy“ gut gefallen.
Ihr Lieblingsgericht?
Pizza.
Berg oder Meer?
Beides. Es wäre unmöglich, auf
eines der beiden zu verzichten.
Ihr Haustier?
Ich besitze einen wunderschönen Weimaraner, der Artù heißt und bei meiner Familie auf dem Land lebt. Wenn ich nach Hause komme, dann schmuse ich mit ihm, wenn er
mich lässt …
Ihre letzte Beichte?
Jedes Interview ist in irgendeiner Weise eine Beichte. Ich spreche nicht über die Religionen, obwohl ich eine praktizierende Christin bin.
Ihr Geheimtipp in Rom?
Hier stehe ich vor der Qual der Wahl. Obwohl die Regierung Raggi die Stadt vernachlässigt hat und mir oft das Herz weint, wenn ich sehen muss, wie heruntergekommen einige Teile Roms mittlerweile sind, ist die Stadt immer noch von einer atemberaubenden Schönheit.
Wie viele Schuhe haben
Sie im Kasten?
Einer Frau kommt es immer so
vor, als seien es zu wenige.
Im Haushalt bin ich zuständig für …
In jeder Familie ist ein jeder
für das Glück der anderen
verantwortlich. Oder es müsste
zumindest so sein.
Als Parlamentarier verdiene ich …
Wie jeder andere auch. Das steht alles online, es ist also öffentlich.

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