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Die Schützenhilfe

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Der Streit der Handwerker mit Land und Industriellenverband sorgt für politischen Gesprächsstoff: Die BürgerUnion stellt sich hinter das Handwerk – und die Freiheitlichen zweifeln an der Wirtschaftskompetenz der SVP.

von Heinrich Schwarz

Schon seit Jahren hat Südtirols Handwerk das Gefühl, von der Politik nicht wertgeschätzt zu werden. Die Entscheidung der Landesregierung, die Ämter für Handwerk und Industrie zusammenzulegen, brachte das Fass für den Handwerkerverband lvh endgültig zum Überlaufen. „Damit“, so Präsident Gert Lanz, „werden die Bedürfnisse des Handwerks künftig unter den Tisch gekehrt.“

Als der Industriellen-Chef Federico Giudiceandrea versuchte, die Wogen zu glätten und auf die gemeinsamen Interessen von Handwerk und Industrie verwies, wurde er von lvh-Funktionären frontal angegriffen. Man fühle sich geradezu für dumm verkauft. Um die Aussagen des lvh zusammenzufassen: Die Industrie setze ihre Interessen häufig auf Kosten des Handwerks durch.

Giudiceandrea wies diverse Anschuldigungen zurück und zeigte sich vom Angriff enttäuscht. Er habe sich immer für eine konstruktive Zusammenarbeit eingesetzt und werde dies weiterhin tun. Indes heißt es vom Land, dass das Handwerk nicht zu kurz kommen werde, sondern sogar noch stärker berücksichtigt werde als bisher.

In den Streit haben sich inzwischen auch die Oppositionsparteien eingeschalten. „Dass der Konflikt zwischen dem lvh und der Landesregierung jetzt offen ausgebrochen ist, überrascht mich nicht. Ob bei der Urbanistik, bei der öffentlichen Auftragsvergabe oder beim Technologiepark – überall kommen die berechtigten Interessen der Handwerksbetriebe zu kurz“, meint der Freiheitliche Otto Mahlknecht.

„Beim Thema Arbeitssicherheit“, so Mahlknecht, „leiden gerade die kleinen Betriebe unter der italienischen Bürokratie und den Strafen für oft absurde Formfehler.“ In Österreich und Deutschland setze man dieselben europarechtlichen Vorgaben nach dem Grundsatz „Beraten statt Strafen“ um. Die SVP-Spitze habe in Rom wenig bis gar nichts erreicht. „Im Gegenteil: Es wird immer schlimmer.“

Florian von Ach, Generalsekretär der Freiheitlichen, sagt: „Kollege Mahlknecht und ich haben als Rechtsanwälte ständig mit den Nöten der Unternehmen zu tun. Ich kann nicht nachvollziehen, warum die Landesregierung ohne Absprache mit den direkt Betroffenen wichtige Landesämter einfach abschafft. Eigentlich müsste doch die Landesverwaltung alles dafür tun, die Rahmenbedingungen für die Wirtschaftstreibenden zu verbessern. Unsere Handwerksbetriebe stehen in der ersten Reihe, wenn es in Südtirol um die Schaffung von Wohlstand, Arbeitsplätzen und Steueraufkommen geht.“ Die Wirtschaftskompetenz der SVP tendiere gegen Null, ansonsten lasse sich so ein Verhalten nicht erklären.

Die BürgerUnion wertet die Zusammenlegung der Ämter als „sinnbefreites Sammelsurium ohne Bezug zur Realität“. Es gebe nur wenige Gemeinsamkeiten zwischen Handwerk und Industrie. Der Wirtschaftssprecher Dietmar Zwerger, selbst Handwerker, erklärt etwa, dass die 13.500 Handwerksbetriebe 44.000 Arbeitsplätze schaffen, die 500 Industriebetriebe hingegen 33.000. „Den durchschnittlich 3,2 Beschäftigten pro Handwerksbetrieb stehen demnach 66 Arbeitnehmer je Industriebetrieb gegenüber. Daraus ergibt sich auch eine unterschiedliche Wertschöpfung, die im Handwerk bei 48.000 Euro pro Angestelltem liegt, in der Industrie hingegen bei 68.000“, so Zwerger.

Im Export gebe es eklatante Unterschiede: „Während Südtirols Industrie 89 Prozent ihres Umsatzes im Ausland generiert, exportieren gerade mal 2,5 Prozent der Handwerksbetriebe regelmäßig.“

Laut Zwerger gibt es bei Fusionen so gut wie immer Verlierer und Gewinner. Er ist sich sicher, dass das Handwerk den Kürzeren ziehen werde: „Millionenschwere Global Player auf der einen Seite, Kleinbetriebe auf der anderen. Hier Wirtschaftsbosse, dort Familien- und Ein-Mann-Betriebe. Es ist Zeit, dass das Südtiroler Handwerk aufsteht und seine Krallen zeigt. Präsident Gert Lanz hat dies bereits getan, nun müssen jedoch weitere Schritte folgen.“

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