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Die Führerschein-Posse

In Neumarkt lebt ein polnischer Staatsbürger, der mit seinem Führerschein in ganz Europa frei zirkulieren kann – nur in Südtirol nicht. Die Hintergründe.

von Artur Oberhofer

Wladyslaw G. versteht die Welt nicht mehr: „Es gibt inzwischen hunderte Südtiroler, die mit einem polnischen Führerschein herumfahren, ich als gebürtiger Pole darf in Südtirol aber nicht mit meinem polnischen Führerschein fahren.“

Wladyslaw G. ist 46 Jahre alt, polnischer Staatsbürger. Seit vielen Jahren lebt er in Neumarkt. Zuerst war er Saisonarbeiter, jetzt ist der Unternehmer.

Als der Mann nach Italien zog, ließ er sich seinen polnischen Führerschein umschreiben auf einen italienischen. Im Juli 2012 wurde ihm der Führerschein widerrufen. Unter anderem war Wladyslaw G. einmal betrunken am Steuer gefilzt worden. Daraufhin ließ er sich erneut einen polnischen Lappen ausstellen.

Der Mann aus Mann Polen ist Vielfahrer und wurde – in Italien und im Ausland – zigmal kontrolliert. Es gab nie Probleme.

Wladyslaw wähnte sich in Ordnung – bis zum 1. August dieses Jahres.

An dem Tag wurde der gebürtige Pole in Auer von einer Carabinieri-Streife angehalten. Dem verdutzten Mann wurde mitgeteilt, dass man ihm ein Vorhaltungsprotokoll wegen Fahrens ohne Führerschein ausstellen werde.

„Ich war völlig baff“, gesteht der Pole.

Wladyslaw G.’s Hinweis, er besitze einen gültigen polnischen Führerschein, ließen die Carabinieri-Beamten nicht gelten. In ihrem Computer schien auf, dass dem Mann vor fünf Jahren der italienische Lappen widerrufen worden war.

Der Hintergrund: Im Falle eines Widerrufs des Führerscheines muss der Betroffene nach einer Frist von drei Jahren einen Eignungstest machen, um den rosa Lappen wiederzuerlangen. Das hat Wladyslaw G. nicht gemacht, weil er inzwischen wieder einen polnischen Führerschein bekommen hatte.

Wegen Verstoßes gegen den Artikel 116 der Straßenverkehrsordnung, Absatz 15 (Fahren ohne Führerschein) wurde dem Mann ein Strafbescheid über 5.000 Euro ausgestellt.

Und sein Auto wurde für den Zeitraum von drei Monaten beschlagnahmt.

Der Fall Wladyslaw G. ist ein überaus interessanter Präzedenzfall, wie auch der Anwalt des Polen, der Bozner Strafverteidiger Thomas Brenner, einräumt.

Da gibt es, einerseits, die vielen führerscheinlosen Südtiroler, die sich in Polen einen Lappen besorgen, indem sie erklären, 180 Tage im Jahr in Polen zu wohnen. Wladyslaw G. würde diese Auflage erfüllen, weil er als Betreiber einer Import-Export-Firma ständig zwischen Polen und Italien pendelt und sich auch viel in seiner Heimat aufhält.

Dies spielt für die hiesigen Behörden aber keine Rolle. Die Carabinieri in Auer vertreten den Standpunkt, dass Wladyslaw G. entweder den italienischen Führerschein noch einmal macht.

Hierbei stellt sich das Problem, dass der Pole seinerzeit, als ihm der Führerschein widerrufen wurde, Sozialarbeit beantragt hat. Somit hat die Strafe erst zwei Jahre später Rechtskraft erlangt. Erst ab dem Zeitpunkt ist die Drei-Jahres-Frist gestartet, die jemand abwarten muss, bis er zum Eignungstest darf. „De facto ist man in so einem Fall fünf oder gar sechs Jahre ohne Führerschein“, kritisiert Anwalt Thomas Brenner. Sein Mandant müsste noch zwei Jahre warten, bis er zum Eignungstest antreten kann.

Die zweite Möglichkeit: Wladyslaw G. könnte – immer laut den Carabinieri von Auer – seine Position sanieren, indem er den polnischen Führerschein noch einmal macht. Das hält wiederum Anwalt Brenner für ein Ding der Unmöglichkeit. „Mein Mandant hat bereits einen gültigen polnischen Führerschein, er kann daher nicht gut zu den polnischen Behörden gehen und sagen: ,Bitte gebt mir einen neuen Führerschein.’ Dann bekommt er zur Antwort: ,Warum denn? Du hast ihn ja schon.’“

Wladyslaw G. ist – wie gesagt – in der Vergangenheit oft von Sicherheitskräften im In- und Ausland angehalten worden. „Nie gab es Probleme“, weiß sein Anwalt, „weder in Deutschland, noch in Österreich, noch in Verona.“

Wladyslaw G.’S Pech sei, dass er in einem Dorf wohne, wo die Ordnungshüter eben wüssten, dass der Mann vor fünf Jahren seinen (italienischen) Führerschein abgeben musste.

Die Situation ist irgendwie absurd. „Mein Mandant“, sagt Thomas Brenner, „kann in ganz Europa fahren, nur in Südtirol nicht, er müsste seinen Wagen also am Brenner stehen lassen.“

Anwalt Thomas Brenner hat sich nun an das Friedensgericht in Neumarkt gewandt. In seinem Widerspruch auf das Vorhaltungsprotokoll der Carabinieri verweist der Anwalt auf eine Richtlinie des EU-Parlaments aus dem Jahr 2006, laut der die EU-Mitgliedsstaaten die in den einzelnen Ländern ausgestellten Führerscheine gegenseitig anerkennen müssen.

In der EU-Richtlinie steht einschränkend nur, dass ein Mitgliedsstaat die Anerkennung eines Führerscheines ablehnen kann, wenn der Früherschein im Mitgliedsstaat – Zitat – „eingeschränkt, ausgesetzt oder entzogen“ worden ist.

„Im Fall von Wladyslaw G. wurde der Führerschein aber weder eingeschränkt, noch ausgesetzt, noch entzogen, sondern widerrufen“, argumentiert Rechtsanwalt Thomas Brenner. Der italienische Staat sei somit verpflichtet, den polnischen Führerschein des Herrn G. anzuerkennen.

Der Fall wird am 19. Dezember am Friedensgericht in Neumarkt verhandelt.

 

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