Du befindest dich hier: Home » News » „Österreich schreit nicht Halleluja“

„Österreich schreit nicht Halleluja“

Luis Durnwalder

Ex-Landeshauptmann Luis Durnwalder zeigt sich optimistisch, dass bald schon jene Südtiroler, die in Österreich leben, die Doppelstaatsbürgerschaft erhalten werden. Und er warnt vor überzogenen Forderungen ans Vaterland.

Tageszeitung: Herr Landeshauptmann, 25 Altmandatare der Südtiroler Volkspartei bitten in einem gemeinsamen Schreiben an Wien um die Zustimmung der designierten ÖVP-FPÖ-Bundesregierung zur österreichischen Staatsbürgerschaft für Südtiroler. Auch Sie haben den Brief mitunterzeichnet. Was erhoffen Sie sich davon?

Luis Durnwalder: Wir haben diesen Brief deshalb geschrieben, weil wir als ehemalige Funktionäre zwar unser Amt aufgegeben haben, deshalb aber weiterhin öffentlich unsere politischen Ideen vertreten wollen. Wir haben zwar das Mandat niedergelegt, nicht aber unser politisches Hirn abgegeben. Unsere Partei vertritt in der Frage nach der Doppelstaatsbürgerschaft für Südtiroler seit jeher dieselbe Position: Wir sehen den Doppelpass als einen ersten Schritt hin zu einer europäischen Staatsbürgerschaft. Unsere Position unterscheidet sich von der Position anderer Parteien, weil sie im europäischen Geiste steht. Auch die höchsten Parteiexponenten der Tiroler ÖVP, Landeshauptmann Günther Platter und die ehemaligen Landeshauptleute Herwig van Staa und Wendelin Weingartner sind der Auffassung, dass Österreich gut daran tue, hier eine Lösung zu finden. Die Situation in Österreich hat sich verändert, weil nun jene Parteien Regierungsverantwortung übernehmen, die sich immer schon positiv zum Doppelpass geäußert haben, vor allem die FPÖ. Deshalb haben wir die beiden Parteien in unserem Schreiben darum gebeten, diese Möglichkeit ins Koalitionsabkommen mitaufzunehmen. Mich freut es, dass die SVP und vor allem Obmann Philipp Achammer es genauso sehen wie wir.

Wie schätzen Sie die Chancen ein?

Ich weiß, dass Achammer im ständigen Kontakt mit dem designierten Bundeskanzler Sebastian Kurz ist. Achammer war auch schon einmal in Wien, um eine Überprüfung des Doppelpasses anzuregen. In dieser Woche wird er noch einmal nach Wien fahren, um mit Kurz über den endgültigen Text zu sprechen. Der ÖVP-Vorsitzende hat schon in der Vergangenheit wiederholt erklärt, dass er, was die Doppelstaatsbürgerschaft für Südtiroler betrifft, nicht abgeneigt ist. Auch Bundespräsident Alexander van der Bellen ist nicht abgeneigt und hat sich bereit erklärt, die Frage eingehend zu studieren. Ich persönlich bin sehr optimistisch, dass man genau ausloten wird, inwieweit es möglich ist, den Nachkommen von jenen Südtirolern, die schon einmal die österreichische Staatsbürgerschaft besessen haben, den Doppelpass zu geben. Ich erwarte aber nicht, dass dieser Doppelpass von heute auf morgen kommt. Es sind noch viele Fragen zu klären. Doch es ist wichtig, dass nun wenigstens ernsthaft darüber geredet wird, um eine Lösung im europäischen Geiste zu finden.

Wo liegen die Schwierigkeiten?

Ich glaube, dass in der Frage des Militärdienstes ohne weiteres ein Kompromiss gefunden werden kann. Auch in der Steuerfrage gilt das Prinzip, dass die Steuern dort bezahlt werden, wo man die Liegenschaften besitzt. Schwieriger sehe ich die Frage nach dem Wahlrecht. Das Argument der Grünen, wonach die Gesellschaft gespalten wird, teile ich nicht. Niemand wird gezwungen, um den Doppelpass anzusuchen. Wir verlieren auch nicht unsere bisherigen Rechte und die Schutzfunktion Österreichs wird nicht geschwächt. Sicher, es sind noch viele Detailfragen zu lösen. Ich glaube aber, dass es durchaus möglich ist, vorerst jenen Tausenden von Südtirolern, die heute in Österreich leben, die Doppelstaatsbürgerschaft zu verleihen. Das wäre auch schon etwas.

SVP-Obmann Philipp Achammer kritisiert das Verhalten des Chefs der Altmandatare, Franz Pahl, da dieser scheinbar lieber mit der FPÖ über den Doppelpass verhandelt – und nicht mit der Schwesterpartei ÖVP. Teilen Sie diese Kritik?

Unser Schreiben ist keine Trotzreaktion und auch keine Kritik an der Partei. Wir wollen die Frage nach dem Doppelpass im europäischen Geiste lösen, weil wir überzeugt sind, dass Europa früher oder später den Mut aufbringen muss, eine europäische Staatsbürgerschaft durchzusetzen. Der Doppelpass ist ein erster Schritt in diese Richtung. Was Franz Pahl macht, ist seine Entscheidung, seine Privatangelegenheit. Er war in seinem Herzen immer schon ein bisschen bei der Opposition. Wir kennen ihn als einen kritischen Geist – aber immer, wenn es drauf ankam, ist er in den Stall der SVP zurückgekehrt. Er ist derselben Auffassung wie die anderen Altmandatare, sagt es aber halt ein wenig schärfer. Und was die FPÖ betrifft: Wir müssen mit allen Regierungsparteien sprechen, auch mit der FPÖ. Wir als SVP können nicht hergehen und sagen: Nein, mit denen reden wir nicht. Im Großen und Ganzen sind sich in der Südtirol-Politik alle Parteien im Nationalrat einig. Die FPÖ war aber 1992 als einzige Partei gegen die Streitbeilegungserklärung. Silvius Magnago, Roland Riz und ich haben uns zwar im Vorfeld der Abstimmung damals mit Jörg Haider getroffen – und dieser hat uns versprochen, auch dafür zu stimmen. Doch am Ende kam es trotzdem anders.

Wie wird Italien reagieren, wenn Österreich in der Doppelpass-Frage einlenken sollte?

Italien darf Österreich deshalb keine Vorwürfe machen, weil es selbst allen Auslandsitalienern die italienische Staatsbürgerschaft gegeben hat, etwa den Slowenen und den Kroaten. Lega-Chef Matteo Salvini hat bereits erklärt, dass er nicht dagegen sei, sondern vollstes Verständnis für unsere Position habe.

Sie haben vor ein paar Jahren davor gewarnt, dass die Südtiroler gerne dazu neigten, sich in Rom und Wien jeweils die eigenen Vorteile herauszupicken. Ist das nicht auch beim Doppelpass so?

Ja, wir müssen schon ein wenig aufpassen und die Erwartungen nicht zu hoch stecken. Österreich wird sicher nicht Halleluja schreien und uns sofort den Doppelpass zuschicken. Die Südtiroler tendieren schon in diese Richtung und glauben, dass sie überall das Beste für sich herausholen müssen. Sie wollen möglichst die Vorteile, aber wenig Verpflichtungen. Doch wir müssen hier das Ganze sehen. Und wir müssen aufpassen, diejenigen, die nicht laut genug fordern, als falsche Südtiroler anzusehen. Leider geht in der politischen Diskussion die Tendenz immer mehr in diese Richtung. Die SVP ist zum Glück auf dem richtigen Weg. Ihr Lösungsansatz im europäischen Geiste ist der bestmögliche.

Interview: Matthias Kofler

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (5)

Lesen Sie die Netiquette und die Nutzerbedingungen

Kommentar abgeben

Du musst dich EINLOGGEN um einen Kommentar abzugeben.

2024 ® © Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH/Srl Impressum | Privacy Policy | Netiquette & Nutzerbedingungen | AGB | Privacy-Einstellungen

Nach oben scrollen