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Giftiger Müll?

Das Unternehmen Eco Energy will in Kurtatsch eine neue Verbrennungsanlage bauen. Firmen-Chef Patrick Santini erklärt, welcher Müll in Kurtatsch verarbeitet werden soll. 

TAGESZEITUNG Online: Herr Santini, warum möchte die Eco Energy ihren Betrieb in Kurtatsch erweitern und ein Verbrennungsanlage errichten?

Patrick Santini: Südtirol möchte sich als grünste Region Italiens positionieren und hat in vielen Bereichen bereits große Fortschritte gemacht: insbesondere bei Mobilität und Energie. Auch der neue Müllverbrennungsofen in Bozen trägt zur Verbesserung der Energiebilanz bei. Allerdings kann diese Anlage nur Hausmüll verarbeiten. Für den unsortierten Restmüll aus Südtiroler Betrieben – 60.000 bis 80.000 Tonnen im Jahr – gibt es derzeit keine Lösung in Südtirol. Hier sind wir derzeit gezwungen, Mülltourismus zu betreiben. Mein Unternehmen Eco Energy sammelt den nicht recycelbaren Restmüll aus ganz Südtirol, sortiert und säubert ihn und verarbeitet ihn zu einem Material weiter, das man in der Fachsprache Ersatzbrennstoff (EBS) nennt. Diesen Ersatzbrennstoff liefern wir dann an Kraftwerke in Oberitalien. Daher unsere Überlegung: Anstatt die von uns erzeugten Brennstoffe mit Lkws wieder abzutransportieren, können wir damit selbst erneuerbare Energie erzeugen. Dies ist positiv für die Klima- und Umweltbilanz und wir garantieren eine sehr saubere Produktion dank neuester Technologie.

Es handelt sich bei dieser Verbrennungsanlage um eine sehr neue Technologie. Was unterscheidet diese Anlage von anderen?

Die Anlage, die wir planen, ist eine Technologie aus Japan, die es in Europa noch nicht gibt. Der große Vorteil ist, dass diese Anlagen platzsparend sind und auch sehr sauber arbeiten, weshalb sie in Japan sogar in unmittelbarer Nähe von Wohngebieten errichtet wurden. In Wahrheit ist es keine Verbrennungsanlage, sondern das feste Material wird mit großer Hitze in Gas verwandelt, welches dann rückstandsfrei verbrannt wird – es gibt keine giftigen Rückstände wie bei einer normalen Verbrennung. Mit dieser Gasverbrennung erzeugen wir Wasserdampf, welcher eine Turbine zur Stromproduktion antreibt, sowie Wärme, die wir an umliegende Betriebe abgeben können. Wichtig ist auch, dass aus dem festen Material nach seiner Umwandlung in Gas keine Schlacken oder Rückstände entstehen, die auf eine Deponie gebracht werden müssen. Das abfallende feste Material wird verglast und kann dann wiederverwendet werden, zum Beispiel als Baumaterial für Straßen.

Welche Art von Müll soll in dieser Anlage verbrannt werden?

Es sind die gewöhnlichen Abfälle aus Südtiroler Betrieben. Im Grunde ist es Restmüll, der nicht mehr recycelt werden kann – ähnlich wie das, wie man es nach der Mülltrennung aus normalen Haushalten kennt. Der Unterschied zum Haushaltsmüll besteht vor allem darin, dass der Plastikanteil viel höher ist, weil in Betrieben viel Verpackungsmaterial anfällt. Daher kann er auch nicht gemeinsam mit dem Hausmüll verwertet werden, weil die Anlage in Bozen dafür nicht geeignet ist.

Wird auch gefährlicher oder giftiger Müll verarbeitet?

Nein, es handelt sich rein um ungefährlichen und ungiftigen Restmüll, wie wir ihn bereits heute verarbeiten. Anstatt ihn aber wieder abzutransportieren, wollen wir ihn künftig vor Ort verwerten. Damit schließt sich der Kreis in der Südtiroler Wertstoffkette.

Warum eignet sich Kurtatsch als Standort für diese Verbrennungsanlage?

Das Gewerbegebiet von Kurtatsch eignet sich aus mehreren Gründen: Zum einen liegt das Gebiet verkehrstechnisch günstig, zum anderen gibt es benachbarte Betriebe, die elektrische Energie und Wärme benötigen. Darüber hinaus sind die Wohngebiete weit entfernt.

Die Bevölkerung zeigt sich nicht sonderlich begeistert. Haben Sie mit Gegenwind gerechnet?

Ich kann verstehen, dass die Bevölkerung teilweise Zweifel hat – das ist ganz normal bei derartigen Projekten. Es wird es immer Menschen geben, denen es am liebsten wäre, wenn alles so bliebe wie bisher – selbst dann, wenn sich eine Situation faktisch verbessern würde. Unser Projekt ist sicher nicht einfach zu erklären, aber wir werden die Menschen in nächster Zeit ausführlich und sachlich informieren und ich bin sicher, dass die Fragen und Zweifel ausgeräumt werden können.

Gibt es für Kurtatsch auch Vorteile, die sich durch diese neue Anlage ergeben?

Wir haben bereits erste Gespräche mit der Gemeinde geführt und möchten einen ausführlichen Dialog. Es gibt viele Möglichkeiten für die Gemeinde, aber auch für das gesamte Gebiet Vorteile zu schaffen. Dies beginnt bei den Stromkosten und geht bis zur Möglichkeit eines Bezirkshallenbades, das ja seit Jahren gewünscht wird und das dank der Wärme aus unserer Anlage realisiert werden könnte. Auch diese Vorteile sind Gegenstand der Gespräche.

Bezüglich Umweltbelastung und Gesundheit hat die Bevölkerung große Bedenken. Wie stark wird die neue Anlage die Umwelt belasten?

Die Themen Umwelt und Gesundheit gehören auch für uns zu den Wichtigsten. Ich persönlich habe die innovative Technologie, die wir vorsehen, sehr genau studiert und bin überzeugt, dass sie einen neuen Standard setzt. Um ganz sicher zu gehen, habe ich das Projekt von der Universität Trient auf seine Auswirkungen prüfen und eine Umweltverträglichkeitsstudie erstellen lassen. Demnach sind die Schadstoffe nach dieser Vergasungsmethode derart gering, dass sie kaum mehr messbar sind – darunter die klassischen Verbrennungsrückstände Stickoxide, Dioxine und Furane. Genau genommen würde sich die Umweltbilanz sogar verbessern, weil der Lkw-Verkehr zum Abtransport wegfällt.

Die Kosten für die Realisierung dieses Projekts trägt alleinig das Unternehmen. Um welche Summen handelt es sich?

Es ist eine rein private Investition, d.h. es fließen keine öffentlichen Gelder. Wir sprechen von ca. 80 Millionen Euro – zum Teil werden diese auch hier vor Ort ausgegeben, weil lokale Unternehmen am Bau beteiligt sein werden.

Interview: Lisi Lang

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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