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„Die NAS im Anmarsch“

Arno Kompatscher hat die Impf-Geschichte jetzt zur Chefsache erklärt. Was der LH mit der Ministerin besprochen hat. Und: Was jetzt konkret passiert.

von Artur Oberhofer

Es war ein offenes Geheimnis, dass Arno Kompatscher die Art und Weise, wie sein Bildungslandesrat die Impf-Geschichte gemanagt hat, nicht goutiert hat. Ein Mitglied der Landesregierung bestätigt denn auch hinter vorgehaltener Hand: „Der LH und der Landesrat Philipp Achammer sind mehrere Male zusammengekracht.“

Für Arno Kompatschers Geschmack war Landesrat Achammer mit den Impfkritikern und -verweigerern zu kulant, zu zögerlich. Der LH soll Achammer mehrmals gebeten haben, er möge doch entschlossener auftreten und sich nicht noch länger von der BürgerUnion vor sich hertreiben lassen. Kompatscher will vermeiden, dass Andreas Pöder & Co. die Impf-Geschichte zum großen Wahlkampfthema machen. Daher sagte der LH mehrmals zu seinem Landesrat: Besser sei es, wenn es jetzt zu den unvermeidlichen Ausschlüssen aus den Kindergärten komme (die die BürgerUnion medial für ihrer Zwecke nutzen wird), als im September 2018, also kurz vor den Landtagswahlen.

Es war somit nur mehr eine Frage der Zeit, bis der Landeshauptmann ein Machtwort sprechen und die Impf-Geschichte zur Chefsache erklären würde.

Das ist spätestens am vergangenen Dienstag geschehen, als der Landeshauptmann in Rom mit Gesundheitsministerin Beatrice Lorenzin zusammentraf.

Da der Landeshauptmann und die Ministerin sich seit längerer Zeit kennen und ein sehr herzliches Verhältnis haben, entwickelte sich ein sehr offenes Gespräch. Beatrice Lorenzin verriet dem Südtiroler Regierungschef, dass sie bereits kurz davorgestanden habe, die (für Gesundheitsbelange zuständige) Carabinieri-Sondereinheit NAS in die Südtiroler Kindergärten zu entsenden – so sehr sei sie von den anderen Regionen unter Druck gesetzt worden. Die Ministerin musste sich (auch in den nationalen Medien) den Vorwurf gefallen lassen: Überall in Italien wird das Gesetz resolut angewandt, nicht geimpfte Kinder werden aus den Kindergärten und Kitas ausgeschlossen, nur in Südtirol nicht!

Die Ministerin sagte zum LH wörtlich: „Ich respektiere eure Autonomie, aber was – zum Teufel – macht ihr denn?! Reißt euch gefälligst am Riemen. Tut etwas!“

LH Arno Kompatscher erklärte der Ministerin, dass das Impf-Thema im deutschsprachigen Raum anders wahrgenommen werde, als in Italien, und dass sich in Südtirol viele Pseudo-Professoren herumtrieben, die große Verunsicherung stifteten. Und der bürokratische Eiertanz rund um die Impferklärungen, die hin- und hergeschickt werden müssten, habe die Sache nicht einfacher gemacht, so kritisierte Kompatscher.

Die Ministerin zeigte dem Südtiroler LH daraufhin den Gesetzentwurf des Deutschen Bundestages zur Impfflicht. In dem Entwurf sind Geldstrafen von 5.000 Euro für das Nichtimpfen vorgesehen! „Die Franzosen“, so berichtete die Gesundheitsministerin, „schreiben unser Gesetz ab.“

Sprich: In ganz Europa gehe die Tendenz hin zu restriktiveren Impfbestimmungen. Also könne der italienische Staat dem Land Südtirol keine Sonderrolle zubilligen, sondern Südtirol müsse sich, so wie alle anderen Provinzen und Regionen, an das Gesetz halten. Sie, so die Ministerin, könne nicht länger beide Augen zudrücken.

Die Ministerin stellte außerdem klar, dass es sich bei der Impf-Frage nicht um eine Kindergarten-Angelegenheit handle (in dem Fall läge die Zuständigkeit beim Land), sondern um eine reine Gesundheitsfrage.

Die primäre Zuständigkeit liegt in diesem Fall (entgegen den gebetsmühlenartigen Behauptungen der Impfkritiker) beim Staat.

Was wird jetzt passieren?

Die Gesundheitsministerin hat angekündigt, dass sie bereits innerhalb der nächsten zwei Wochen ein Gesetzesdekret vorlegen werden, durch das die direkte Weitergabe der Impfdaten des Sanitätsbetriebes an die Kindergärten möglich wird.

Die rechtlichen Aspekte hat Beatrice Lorenzin bereits mit dem Garanten für die Privacy abgeklärt.

Das bedeutet: Der Südtiroler Gesundheitsbetrieb wird nach Inkrafttreten des Gesetzesdekretes in zwei, drei Wochen die Daten der betroffenen Kinder direkt an die Kindergärten und Kitas weiterleiten. Jene Kinder, deren Eltern keine Bescheinigung über den Impfstatus bzw. keine Eigenerklärung vorgelegt haben, dürfen nicht mehr den Kindergarten oder die Kita besuchen.

Im Prinzip, so heißt es jetzt beim Land, ist es wie bei den Läusen: Kinder mit Läusen dürfen so lange nicht den Kindergarten besuchen, bis nicht ein Arzt festgestellt hat, dass sie läusefrei sind.

In der Landesregierung geht man davon aus, dass die ersten Ausschlüsse noch im November dieses Jahres verfügt werden.

Dem LH ist bewusst, dass die ersten Ausschlüsse von Kindergarten-Kindern für Aufsehen sorgen und von den Impfkritikern medial ausgeschlachtet werden dürften.

Aber besser jetzt, also kurz vor den Wahlen 2018.

 

 

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