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Ohne Titel

Die Landesverwaltung schafft per Rundschreiben die (Brenner)Doktortitel ab. Bei der internen Beschilderung sowie mündlichen und schriftlichen Anrede innerhalb der Verwaltung sollen akademische Titel gänzlich verschwinden. 

von Thomas Vikoler

In manchen Ländern, etwa in Österreich, gibt es einen regelrechten Titelwahn, in Südtirol hingegen grassiert die Titelangst. Spätestens seit dem Jahre 2015, als im Landtag ein Beschlussantrag des grünen Abgeordneten Hans Heiss zum amtlichen Gebrauch von akademischen Titeln verabschiedet wurde.

Mehrere Landesräte, aber auch Landeshauptmann Arno Kompatscher, strichen daraufhin die Bezeichnung „Dr.“ aus ihrem Briefverkehr, ihren Visitenkarten und Internetauftritten. Von den Bürgern der Titelanmaßung bezichtigt zu werden, das schien ihnen doch zu riskant.

Nach dem Mehrheitsbeschluss des Landtages, mit dem die Landesverwaltung aufgefordert wurde, die rechtliche Situation zu klären, passierte erst einmal gar nichts. Im Juni 2016 reagierte das Bildungsressort des Landes und schaffte per Rundschreiben von Schulamtsleiter Peter Höllrigl die Verwendung von akademischen Titeln im Brieverkehr ab. „Um Fehlangaben zu vermeiden“, wie es in dem Rundschreiben hieß.

Nun aber gibt es an Rundschreiben an alle Mitarbeiter der Landesverwaltung. Unterzeichnet von Generaldirektor Hanspeter Staffler, der konsequenterweise keinen Doktortitel beigefügt hat. Denn nach der neuen Doktrin des Landes ist die deutsche Bezeichnung „Dr.“ für jemand, der im Ausland ein fünfjähriges Studium abgeschlossen hat, nicht korrekt. Und also nicht (mehr) zu verwenden.

„Im allgemeinen deutschen Sprachgebrauch in Südtirol hat sich Doktor/Doktorin als Übersetzung des italienischen dottore/dottoressa etabliert. Rein aus sprachlicher Sicht ist diese wortwörtliche Übersetzung korrekt. Sie führt jedoch immer wieder zu Problemen und Missverständnissen, wenn unterschiedliche Rechts- und Hochschulordnungen oder Personen miteinander kommunizieren, die unterschiedliche Gegebenheiten mit dem Titel verbinden“, heißt es in Stafflers Rundschreiben. Und weiter: „Die übersetzte Form Doktor, auch als Abkürzung Dr., führt jenseits unserer Landesgrenzen nicht nur zu Missverständnissen, sondern kann auch zu strafrechtlichen Folgen wegen Titelmissbrauchs nach sich ziehen“.

Die Referenz ist also das Nachbarland Österreich, wo die Bezeichnung Doktor für Ärzte und Personen mit Forschungsdoktorat, also einer Promotion, verwendet wird.

Der Schluss, den die Landesverwaltung daraus zieht: Wurde ein Titel im Ausland erworben und in Italien anerkannt, hat die betreffende Person das Recht, nach Wahl den ausländischen oder den italienischen Titel zu führen. Nicht aber dessen wörtliche deutsche Übersetzung. „Daher sollten in einem internationalen Kontext, in offiziellen Akten und Dokumenten sowie in der Korrespondenz mit dem Ausland nur diejenigen den Titel Doktor/Dr. bzw. Doktorin/Dr.in verwenden, die mindestens ein Forschungsdoktorat abgeschlossen haben“, schreibt Staffler.

Kurz: Bitte peinliche Titelanmaßungen im Verkehr mit dem Ausland vermeiden.

Hier verweist das Rundschreiben auf die italienische Hochschulreform aus dem Jahre 2004: Nach Abschluss eines dreijährigen Universitätsstudiums (Bachelor) kann der Titel dottore/dottoressa verwendet werden, nach Abschluss eines fünfjährigen Studiums (Master) der Titel dottore/dottoressa magistrale, nach Abschluss eines Forschungsdoktorates der Titel dottore/dottoressa di ricerca, in Kurzform Dott.Ric. oder PhD. Das entspricht dem im deutschsprachigen Titel verwendeten Doktor/Dr. und kann von einem Absolventen eines fünfjährigen Studiums im Ausland (Magister in Österreich, Diplom in Deutschland) nicht mit einer simplen Fahrt über den Brenner bzw. Nostrifizierung des Titel an einer italienischen Universität erworben werden.

Für den Titelgebrauch innerhalb der Landesverwaltung verordnet Generaldirektor Staffler, „um Missverständnisse zu vermeiden“, eine Radikallösung: „Auf akademische Titel wird verzichtet“.

Dies gilt für die Beschilderung in den Landhäusern und im Telefonverzeichnis ebenso wie in der mündlichen und schriftlichen Anrede innerhalb der Verwaltung. Beamte können also straffrei darauf verzichten, ihren Amts- oder Abteilungsdirektor mit Herr Doktor/Frau Doktorin bzw. Herr Magister/Frau Magister anzureden, wenn dieser über kein Forschungsdoktorat verfügt.

Im Briefverkehr steht es hingegen jedem Landesangestellten frei, seinen Titel nach der neuen Doktrin zu verwenden. Für Fälle, in denen der akademische Titel aufscheinen muss, gelten folgende Regeln: Bei einem in Italien erworbenen Titel ist die Originalform des Titels zu verwenden, bei im Ausland erworbenen Titeln die Originalform in der Sprache des betreffenden Landes, bei im Ausland erworbenen und in Italien anerkannten Titeln die Originalform des Titels in der Sprache des betreffenden Landes oder in der italienischen Form.

Und so werden aus vermeintlichen Doktoren urplötzlich Magister bzw. dottori. Sofern sie sich überhaupt noch getrauen, ihren akademischen Titel zu verwenden.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (11)

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  • tiroler

    Weg mit den Titeln. Leistung zählt, sonst nichts.
    In der Schweiz gibt es das auch nicht.

  • andreas69

    Wenn jemand 6 Jahre für einen Titel hart studiert hat, warum soll er ihn nicht gebrauchen dürfen? Wenn z.B. ein Handwerker den „Meister“ macht, warum soll er nicht mit „Meisterbetrieb“ für sich werben dürfen? Apropos: Das Land beklagt sich andauernd, dass es keine „gut ausgebildete“ Mitarbeiter bekommt. Ist ja klar, ein/eine Akademikerin, der/die sich entscheidet beim Land zu arbeiten bekommt: 1) einen Hungerlohn und 2) darf er/sie nicht einmal den hart erarbeiteten Titel benützen. Sehr attraktiv! Die Lösung darf nicht die illegale „Aberkennung“ der Titel sein, sondern jeder soll den Titel so benützen dürfen, wie es das nationale Recht vorsieht und nicht wie es ein „ausländisches“ Recht vorsieht.

  • andreas69

    Von oben herab die Sozis spielen… „mit oder ohne Titel, die Menschen sind eh alle gleich“, Hauptsache, dass bei diesen Möchtegern-Sozis am Ende des Monats die Euros klingen, denn, man staune, da gibt es weche, die „gleicher“ sind als anderen. George Orwell lässt grüssen!

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