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„Es ist brandgefährlich“

Herbert Dorfmann

In Katalonien spitzt sich die Situation immer weiter zu: Herbert Dorfmann erklärt, wieso er die Vorgehensweise seiner spanischen Fraktionskollegen als „dumm“ erachtet – und warum der EU nur die undankbare Rolle der Zuschauerin bleibt.

Tageszeitung: Herr Dorfmann, wie reagiert Brüssel auf die Unruhen in Barcelona?

Herbert Dorfmann: Wir befinden uns in einer brenzligen Situation. Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat erklärt, dass Brüssel die Entscheidung, wie auch immer sie ausfällt, akzeptieren wird. Das ist die einzig vernünftige Vorgehensweise. Es wäre falsch, wenn sich die EU jetzt auf die eine oder andere Seite schlagen würde.

Die EU muss tatenlos zuschauen?

Die Lage ist brandgefährlich. Die EU hat auf der einen Seite kein Interesse an einer neuen Kleinstaaterei. Auf der anderen Seite kann sie die Vorgehensweise der spanischen Zentralregierung nicht akzeptieren, weil diese mit freier Meinungsäußerung nichts zu tun hat.

Wie ist die Stimmung innerhalb Ihrer Fraktion?

Die Situation ist äußerst kompliziert, da der Europäischen Volkspartei auch der Partido Popular von Ministerpräsident Rajoy angehört. Die Kollegen vom PP stehen natürlich voll hinter ihrer Regierung. Man muss aber wissen, dass der PP in Katalonien schon lange keinen Sitz mehr gewonnen hat. Mit ihrem harten Auftreten will die Regierung bei jenen Spaniern punkten, die unbedingt an der Einheit des Staates festhalten wollen. Ich halte das für unverantwortlich und dumm.

Warum?

Laut Umfragen hätte es bislang keine Mehrheit für eine Unabhängigkeit Kataloniens gegeben. Doch mit ihrem Auftreten trägt die Regierung dazu bei, dass sich auch die letzten Katalanen auf die andere Seite schlagen.

Was passiert, wenn das Referendum trotzdem durchgeführt wird?

Sollte eine Mehrheit für die Unabhängigkeit stimmen und sich Katalonien als unabhängiger Staat ausrufen, dann wird es noch ungemütlicher. Für Spanien ist das Referendum illegal. Ein Staat kann nur dann der EU beitreten, wenn alle Mitglieder einverstanden sind. Katalonien ist ein Beispiel dafür, was passiert, wenn man Minderheiten nicht ernst nimmt und mit ihnen spielt. Auch Italien begegnet den Referenden, die demnächst in der Lombardei und im Veneto abgehalten werden, mit zentralistischen Gedanken. Das ist der völlig falsche Ansatz. Katalonien zum Beispiel ernährt mit seiner starken Wirtschaftsleistung einen großen Teil des spanischen Staates. Eine gute Melkkuh sollte man nicht ausbluten lassen.

Interview: Matthias Kofler 

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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