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Verdampfte Beweise

Das Auslieferungsverfahren zu Alex Schwazer positiven Dopingprobe wird endgültig zur Farce, der für heute angesetzte Gerichtstermin im Beweissicherungsverfahren auf Ende Dezember verschoben.

von Thomas Vikoler

Man sei sich der Dringlichkeit des Falles bewusst. Das schrieb das Oberlandesgericht Köln vor einigen Wochen in einem Brief an den Bozner Voruntersuchungsrichter Walter Pelino. Die bisher einzige Antwort aus Köln auf den zweiten Auslieferungsantrag zu Alex Schwazers Urin, das im Labor für Biochemie an der Sporthochschule Köln gelagert ist.

Das Oberlandesgericht hat es in dieser Angelegenheit aber alles andere als eilig. Bisher wurde weder eine Verhandlung festgesetzt noch die Verfahrensparteien eingeladen, Stellungnahmen abzugeben.

Dass könnte damit zu tun haben, dass das Gericht bereits einmal zur Causa entschieden hat. Am 14. Juli verkündete es sein Kompromiss-Urteil: Lediglich zehn Milligramm der 22 vorhandenen Milliliter Urin sollten für das Beweissicherungsverfahren ins Carabinieri-Labor nach Parma verschickt werden. Der Behälter und die gesamte B-Probe sollten in Köln bleiben, befand das Oberlandesgericht.

„Dies Entscheidung verunmöglicht es, das Beweissicherungsverfahren fortzuführen“, befand Richter Pelino nach Rücksprache mit seinem Gutachter Giampiertro Lago, dem Leiter des RIS-Labors. Anhand der geringen Menge und ohne Behälter ließen sich etwaige Manipulationen der Probe nicht feststellen.

Also startete Richter Pelino einen zweiten Anlauf in Köln. In seinem Antrag wies er noch einmal darauf hin, dass die Rechte Schwazers auf Verteidigung im Bozner Strafverfahren wegen Dopings Vorrang vor den Interessen des Internationalen Leichtathletikverbandes IAAF haben müssten. Die IAAF stellte sich bekanntlich mit allen Mitteln gegen die Auslieferung des Beweismittels.

Nicht nur für die Verteidigung Schwazers ein deutliches Indiz dafür, dass der mächtige Verband etwas zu verbergen hat.

Es besteht der massive Verdacht, dass das am 1. Jänner 2016 bei Schwazer genommene Urin manipuliert worden ist. Erst vier Monate nach der Entnahme wurden im Kölner Labor Spuren von Testosteron nachgewiesen, darüber informiert wurde Schwazer einen Monat später. Und Ende Juli, wenige Tage vor dem olympischen Wettkampf, sperrte ein CAS-Schiedsgericht Schwazer in Rio de Janiero für acht Jahre.

Gestern vertagte Richter Pelino die für heute angesetzte Verhandlung zur Vorlage des Lago-Gutachtens auf Ende Dezember. Wohl wissend, dass sich auch dieser Termin nicht zu halten ist. Dauert die Kölner Obstruktion weiter an, könnte die Urinprobe, so die Befürchtung des Richters, am Ende unbrauchbar sein.

Wegen Verdampfung ihrer Inhaltsstoffe.

 

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