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„Einzelfälle wird es immer geben“

Der tragische Malaria-Fall der kleinen Sofia hat auch in Südtirol für große Betroffenheit gesorgt. Die Tageszeitung hat den Innsbrucker Tropenmediziner Günter Weiss gefragt, wie das Kind sich angesteckt haben könnte. Und: Ob Malaria nun auch in Europa wieder auf dem Vormarsch ist.

TAGESZEITUNG Online: Herr Professor, der Fall der 4-jährigen Sofia aus Trient, die an Malaria verstorben ist, gibt Rätsel auf. Was sagen Sie zu diesem Fall?

Günter Weiss: Malaria hat es in Europa früher schon immer gegeben und die potentielle Überträger-Mücke, die Anopheles-Mücke, ist nach wie vor auch in Europa vorhanden. Es hat immer wieder einzelne Fälle in Europa gegeben, wo Menschen an Malaria erkrankt sind, die nicht in tropischen Gebieten waren, aber es handelt sich dabei wirklich um Einzelfälle. Es kann vorkommen, dass eine an Malaria erkrankte Person von einer heimischen Anopheles-Mücke gestochen wird und diese infizierte Mücke die Tropenkrankheit dann weiter verbreitet. Ich denke, dass dies möglicherweise auch der Grund für die Infektion in Trient sein könnte. Das heißt, dass die Anopheles-Mücke in diesem Gebiet heimisch ist und eine Person, die an Malaria erkrankt ist von dieser Mücke gestochen wurde. Die Mücke hat diese Krankheit dann tragischerweise an das Kind weitergegeben.

Aber direkter Überträger von Malaria ist nur die Anopheles-Mücke.

Genau.

Die Malaria-Mücke hat es in Europa und in Italien schon gegeben. Kann es sein, dass sich die Malaria-Mücke in Europa doch wieder ausbreitet? Wegen das Klimawandels? 

Generell hat man gesehen, dass Malaria auch in Europa wieder auftaucht – man hat beispielsweise seit 2008 wieder Fälle in Griechenland verzeichnet. Ursache sind wohl die klimatischen Veränderungen, die auch den Lebensraum dieser Mücken zum Positiven verändern. Die Anopheles-Mücke braucht um überleben und den Malaria-Erreger übertragen zu können, bestimmte Temperaturen – vor alle die Nachttemperaturen dürfen nicht unter 14 Grad Celsius sinken. Und das ist bei uns im Sommer der Fall. Dass Malaria bei uns wiederkommt, halte ich für relativ unwahrscheinlich, aber dass es zu derartigen Einzelfällen kommt, ist nichts Ungewöhnliches.

Das heißt, die Krankheit wird sich nicht großflächig ausbreiten, aber Einzelfälle kann es immer wieder geben. 

Genau. In bestimmten Gegenden, wo diese Mücke vorkommt, kann es durchaus zu einzelnen Infektionen kommen.

In Italien rätselt man gerade, ob sich die kleine Sofia an zwei anderen Malaria-Patienten angesteckt hat, die im Krankenhaus behandelt wurden. Wäre das möglich? Ist eine Übertragung von Person zu Person möglich?

Eine Übertragung von Person zu Person ist bei Malaria nur über Blut möglich. Zu einer derartigen Übertragung kann es beispielsweise kommen, wenn man eine infizierte Blutkonserve verabreicht bekommt, oder mit einer verunreinigten Nadel in Kontakt kommt oder sich die Kinder verletzt haben und es dadurch zum Austausch von Blut gekommen ist.

Also geht von einem Malaria-Patienten keine direkte Gefahr aus, wenn man sich mit ihm in einem Zimmer befindet?

Eine Übertragung der Krankheit nur weil man sich mit einem Malaria-Patienten in einem Zimmer befindet, ist praktisch ausgeschlossen – außer eben über Blutkontakte.

Aber es könnte eine Infektion über eine Malaria-Mücke im Krankenhaus stattgefunden haben…

Wenn Patient A, also die mit Malaria infizierte Person, von einer Mücke im Krankenhaus gestochen wird, dauert es ungefähr eine bis zwei Wochen, bis sich der Erreger in der Mücke weiterentwickelt hat und übertragen werden kann. Sollte dann eine Übertragung auf einen anderen Menschen stattfinden, dauert es noch einmal rund zwei Wochen, bis die Krankheit ausbricht. Die Inkubationszeit beträgt also zwei Wochen.

Gibt es außer der direkten Übertragung durch die Anopheles-Mücke und Blutkontakten noch andere Möglichkeiten einer Übertragung?

Eigentlich nicht. Es ist bisher auch keine andere Mücke identifiziert worden, die diesen Malaria-Erreger übertragen kann. Man muss bei den Übertragungen aber auch ergänzen, dass eine Übertragung von der Mutter auf das ungeborene Kind stattfinden kann – auch in diesem Moment handelt es sich um eine Blutübertragung.

Kann eine normale Tigermücke Transporteur von Malaria sein?

Nein. Das wurde bisher nicht nachgewiesen. Eine Tigermücke kann alles möglich übertragen, aber Malaria nicht. Es gibt auch bei der Anopheles-Mücke verschiedene Sub-Spezies, die den Erreger besser oder schlechter übertragen können.

Kann man jetzt im Nachhinein überhaupt noch feststellen, ob sich das Mädchen an den beiden Malaria-Patienten im Krankenhaus angesteckt hat?

Den Mückenstich kann man nicht mehr nachweisen, aber theoretisch könnte man das Blut der beiden Patienten mit jenem des Mädchens molekularbiologisch vergleichen und so feststellen, ob es sich um den gleichen oder einen ähnlichen Erreger handelt. Natürlich können diese Tests keine absolute Sicherheit geben, aber wenn die Analysen unterschiedlich sind, kann man diesen Infektionsweg wenigstens ausschließen.

Thema Flughafen-Malaria: Könnte es sein, dass diese infizierten Anopheles-Mücken über Reisende oder Gepäck eingeschleppt werden und sich hier weiter verbreiten?

Die Anopheles-Mücken sind eigentlich schon da – es gibt verschiedene Regionen auch in Europa, wo diese Mücke durchaus vorkommt. Natürlich ist es theoretisch möglich, dass eine infizierte Mücke über Flugzeuge im Passagierraum (im Gepäckraum wäre es zu kalt) importiert wird, aber normal versucht das Flughafen-Personal im Flieger mit eigenen Mückensprays dieses Phänomen zu unterbinden. Die höhere Wahrscheinlichkeit ist aber, dass eine an Malaria erkrankte Person hier von einer heimischen Anopheles-Mücke gestochen wird und diese infizierte Mücke die Tropenkrankheit weiterverbreitet.

Noch einmal zur Spezifizierung: Es gibt diese sogenannten Anopheles-Mücken auch bei uns in Europa, aber sie müssen nicht zwingend mit Malaria infiziert sein und dadurch die Krankheit übertragen. 

Bei uns sind Anopheles-Mücken eigentlich nie mit Malaria infiziert, da man diese Überträger recht erfolgreich ausgerottet und die Population reduziert hat, indem man beispielsweise Sümpfe trockengelegt hat.

Welche Symptome zeigen Patienten, die an Malaria erkrankt sind?

Die Symptome sind relativ unspezifisch: Meist klagen Patienten über hohes Fieber und Gelenkschmerzen – ähnlich wie bei einer klassischen Grippe. Es gibt aber verschiedene Formen der Malaria und auch fünf verschiedene Erreger, die wiederum verschiedene Symptome hervorrufen. Das tragische oder schwierige ist aber, dass wenn so eine schwere Erkrankung nur sehr selten vorkommt, sie oft nicht sofort erkannt wird.

Sie haben vorhin schon einmal angesprochen, dass Malaria nicht immer tödlich ist. Wie sieht es mit den Überlebenschancen aus?

Die WHO geht davon aus, dass jährlich rund eine Million Personen an der gefährlichsten Form von Malaria, der Malaria tropica, versterben. Die Malaria-Erreger gelangen über die Leber in das Blut und je länger man die Erkrankung nicht behandelt, desto mehr Blutzellen werden befallen und je mehr Blutzellen befallen sind, umso höher ist auch das Risiko, dass man daran verstirbt, weil über das Blut auch andere Organe geschädigt werden. Wenn man Malaria frühzeitig behandelt, hat man beinahe eine einhundertprozentige Chance, dass man die Tropenkrankheit unbeschadet übersteht.

Eine Impfung gegen Malaria, die man als Reisender vor einem Besuch machen kann, gibt es derzeit aber noch nicht?

Es gibt ein paar Studien mit Impfstoffen, aber derzeit ist noch kein Impfstoff zugelassen. Es gibt aber einige Ansätze, die recht vielversprechend sind. Wenn man in eine Region reist, wo Malaria noch vorhanden ist, sollte man die entsprechenden Kleidervorschriften einhalten und sich auch mit empfohlenen Sprays einsprühen. Eine Beratung vor einer Reise wäre sicher angebracht.

Herr Weiss, um noch einmal auf die Tigermücke zurückzukommen, die sich in den letzten Jahren auch recht stark verbreitet hat: Welche Gefahren gehen von der Tigermücke aus? 

Bei der Tigermücke muss man sicher damit rechnen, dass Infektionen, die über die Tigermücke übertragen werden, in Zukunft in Europa stärker zu finden sein werden. Die Tigermücke überträgt beispielsweise das Denguefieber und Chikungunya-Fieber und auch heuer schon hat es in Frankreich und Spanien Infektionen gegeben. Es ist sicher damit zu rechen, dass man derartige Erkrankungen im Sommer auch in Südtirol und Italien findet. Aber auch in diesem Moment gehe ich davon aus, dass die Übertragung ähnlich verlaufen wird, wie bei den bisherigen Malaria-Fällen in Europa: Jemand schleppt diese Krankheiten ein und die heimischen Tigermücken geben diese Infektion dann weiter.

Interview: Lisi Lang

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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