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„Bin ein Machertyp“

Thomas Widmann

Von der Reizfigur zum beliebtesten Politiker des Landtags: Thomas Widmann hat in dieser Legislatur eine bemerkenswerte Wandlung vollzogen. Wie er den Machtkampf mit dem LH bestehen konnte – und warum ihn eine Wiederkandidatur reizen würde.

Von Matthias Kofler

Seit einigen Monaten steht in der Tiefgarage des Südtiroler Landtags ein elektrisches Fahrrad. Das E-Bike, das 1.890 Euro kostete, darf bisweilen nur von den Mitarbeitern der Poststelle, nicht aber von den Abgeordneten benutzt werden. Thomas Widmann will hier endlich Abhilfe schaffen. Der Landtagsvizepräsident plant, noch im Laufe dieser Legislaturperiode weitere E-Räder anzukaufen und einen eigenen Fuhrpark im Landtag einzurichten. „Warum sollen die Abgeordneten nicht mit dem E-Bike durch die Stadt fahren, statt ständig auf den Dienstwagen oder das eigene Auto zurückgreifen zu müssen?“, fragt sich der SVP-Politiker.

Der Aufbau des Fuhrparks ist ein weiterer Mosaikstein in einem großangelegten Projekt, das mittlerweile schon seit vier Jahren läuft. Thomas Widmann hat im Frühjahr 2014, als ihn der Landtag zu seinem Präsidenten gekürt hat, die neue Herausforderung mit einem klaren Ziel gestartet: nämlich den Südtiroler Landtag „aufzuwerten“. „80 Prozent von dem, was wir vorhatten, konnten wir bereits umsetzen – es fehlen uns noch 20 Prozent“, freut sich Widmann.
Die Liste der unter der Ägide des SVP-Politikers umgesetzten Reformen ist ellenlang: Sie reicht von der Aufstockung des Landtagspersonals über die Digitalisierung der Gesetzgebung bis hin zur seit Jahren geforderten Schaffung neuer Räumlichkeiten für die Mandatare. Ab der kommenden Legislaturperiode wird jeder Abgeordnete bereits mit dem ersten Tag im Hohen Haus vollumfassend mit den für die Landtagsarbeit notwendigen Geräten ausgestattet: PC, iPad, Kugelschreiber und Papier. Bisweilen hatten die Abgeordneten nicht einmal eine eigene Druckmaschine zur Verfügung. Stattdessen mussten sie zur Amtsdirektorin pilgern und diese um den Ausdruck der Unterlagen „betteln“. „Wir wollen den Landtag auf den Stand bringen, den ein normales Parlament, in dem seriös gearbeitet werden kann, erfüllen sollte“, sagt Widmann.

Vom technischen Standpunkt aus hat der SVP-Politiker die Aufwertung des Landtags so weit vorangetrieben, wie es ihm möglich war. Die gleichzeitig angestrebte Verbesserung der parlamentarischen Arbeit hängt aber nicht vom Präsidenten, sondern von den einzelnen Abgeordneten ab. Demnächst soll im Landtag eine Prüfstelle eingerichtet werden, die sämtliche Gesetzentwürfe – egal ob sie seitens der Mehrheit oder seitens der Opposition eingereicht werden – von vorneherein auf deren Umsetzbarkeit, Kosten und auf den Nutzen für die Bürger überprüft. „Es ist immer der Bürger, der von einem Gesetz profitieren muss“, betont Widmann.

Wenn der SVP-Politiker über die Aufwertung des Hohen Hauses spricht, kommt er schnell ins Schwärmen. Dabei war das vor vier Jahren alles andere als seine Wunschaufgabe. Der damalige Landesrat Widmann war bei den Landtagswahlen 2013 mit dem Ziel angetreten, Mitglied der Landesregierung zu bleiben. Doch bei der Stellenwahl fiel der Bozner der von Neo-Landeshauptmann Arno Kompatscher angestrebten „Erneuerung“ zum Opfer. Widmann stand sinnbildlich für das verkrustete „System Durnwalder“ und musste – frei nach Matteo Renzi – „verschrottet“ werden. Zudem lief gegen Widmann eine Gerichtsuntersuchung wegen eines mutmaßlichen Interessenskonflikts, die lange wie ein Damoklesschwert über ihn schwebte und schließlich archiviert wurde. Da er aber laut Vorzugsstimmenergebnis immer noch zu den erfolgreichsten Politikern der SVP gehörte, musste ihn Kompatscher mit dem Posten des Landtagspräsidenten „entschädigen“. Widmann bat um ein wenig Bedenkzeit – und sagte am Ende zu.

„Es stimmt. Ich wäre damals sehr gerne Landesrat für Mobilität und Wirtschaft geblieben“, sagt Widmann heute rückblickend. „Und am Anfang war es mich auch schwierig, mit dieser neuen Situation umzugehen.“
Doch mittlerweile hat der Landtagsvizepräsident seine Enttäuschung verarbeitet. Er hege keine Rachegelüste gegenüber irgendjemand, betont Widmann. Zu keinem Zeitpunkt habe er daran gedacht, Kompatscher eine Retourkutsche zu verpassen. „Ich habe ein sehr positives und offenes Naturell, bin ein grundsätzlich politischer Mensch, der nie eine bestimmte Position angestrebt hat“, sagt der Bozner, der in Afing einen Hof bewirtschaftet. Thomas Widmann ist überzeugt, dass man von jeder Position aus etwas für das Land und für die Bürger bewegen kann – auch als Präsident des Landtags. „Ich habe mich sehr schnell in meine neue Rolle eingelebt und mich damit voll und ganz identifiziert“, schwärmt der Vizepräsident.

Nach dem gefühlten Abstieg hat Widmann versucht, aus der Not eine Tugend zu machen. Er nahm sich selbst den Druck von der Schulter. Viele seiner Vorgänger, etwa Sabina Kasslatter Mur oder Dieter Steger, wollten den Präsidiumsposten auch als Sprungbrett für höhere Aufgaben nutzen. Widmann ermutigte sich innerlich, indem er sich einredete, nicht mehr aufsteigen zu müssen. Der langjährige Landessekretär der Südtiroler Volkspartei hatte das Maximum, das er erreichen wollte, bereits erreicht – und Landeshauptmann wollte er nicht werden.

Zu Beginn seiner Amtszeit wurde Thomas Widmann nicht nur vonseiten des Landeshauptmanns mit großem Argwohn betrachtet. Für die meisten Oppositionspolitiker galt der egozentrische SVP-Abgeordnete, der in seiner Zeit als Landesrat gerne auf Zug- und Citybus-Shoppingtour ging und sich wenig um die klassische Landtagsarbeit scherte, als rotes Tuch.
Umso erstaunlicher ist der Wandel, den Widmann in seinen vier Jahren als Landtagspräsident bzw. –vizepräsident vollzogen hat. Ohne Übertreibung kann man heute sagen, dass der Bozner heute zu den beliebtesten und fachlich kompetentesten Politikern des Hohen Hauses zählt.

Viele Bürger ordnen Widmanns Arbeit heute anders ein, als noch vor ein paar Jahren. Nach vier Jahren der Regierung Kompatscher, der nachgesagt wird, mehr zu verwalten als zu gestalten, wächst die Sehnsucht nach Politikern, die anpacken und Entscheidungen treffen. Widmann sieht sich selbst als „Machertyp“. Südtirols Mobilität, die jahrelang sein persönliches Steckenpferd war, gilt heute europaweit als Vorzeigemodell. Auch wenn er es nie zugeben würde: Innerlich dürfte es Widmann ziemlich wurmen, wenn er mitansehen muss, wie sich sein Nachfolger Florian Mussner von ausländischen Delegationen nun für seine, also für Widmanns Erfolge feiern lässt.

Bei seiner Wahl zum Vizepräsidenten des Landtags erzielte Widmann im vergangenen Jahr ein Traumergebnis von 26 Jastimmen. Ein paar Stimmen waren zwar ungültig, doch kein einziger Abgeordneter stimmte gegen SVP-Politiker – was ein absolutes Novum im Hohen Haus war. Sogar die Grünen lobten seine Arbeit.

„Mich haben die positiven Rückmeldungen sehr gefreut“, sagt Widmann. Sein Ergebnis führt er darauf zurück, dass er zweieinhalb Jahre lang ein neutraler Präsident gewesen sei und die Sitzungen gut geleitet habe. „Ich gehe mit allen Abgeordneten gleich um, mache keine Lobbyarbeit für eine Partei und habe die Landesregierung nie bevorzugt“, lobt sich der SVP-Politiker selbst.

Den Landesräten war Widmanns Übereifer des Öfteren ein Dorn im Auge. Wenn ein Abgeordneter eine Abstimmung verpasst, im Plenarsaal schwätzt, laut telefoniert oder zu spät zur Sitzung eintrudelt, wird vom Landtagsvizepräsidenten gerügt – egal ob der Gerügte Arno Kompatscher heißt. Unter Widmanns Präsidentschaft wurde im Hohen Haus erstmals auch eine Benimmordnung eingeführt, die die unentschuldigte Abwesenheit der Landesräte nicht länger duldet. Der LH versuchte vergeblich, seinen Parteikollegen zu bremsen, als dieser vor einigen Monaten den Personalstand des Landtags gehörig aufstocken wollte. Die entscheidenden Abstimmungen in der Partei und im Landtag entschied Widmann für sich. Der einzige SVP-Abgeordnete in Schützenmontur ist überzeugt, mit der Aufwertung des Landtags nur das umzusetzen, was Arno Kompatscher im Landtagswahlkampf 2013 versprochen hat. Dass er damit unweigerlich auch in einem Machtkampf mit der Landesregierung steht, nimmt Widmann bewusst in Kauf.

Die spannendste Frage ist, ob der SVP-Politiker bei den Landtagswahlen 2018 erneut in den Ring steigen wird. Die Entscheidung hänge in erster Linie von familiären Faktoren ab, sagt der Vizepräsident. Seine Frau wohnt in Venedig, wo sie einen Hof besitzt. Widmann müsste also von Jenesien nach Venedig pendeln, wenn er beides – Familie und Politik – unter einen Hut bringen will. „Ich werde im November entscheiden, ob ich noch einmal antrete. Aber grundsätzlich reizt mich eine Kandidatur immer“, sagt der SVP-Politiker.

Sollte Widmann kandidieren – und davon ist auszugehen – und bei den Wahlen ein ähnlich gutes Ergebnis wie 2013 erzielen, dürfte sich Kompatscher schwertun, bei der Besetzung der Regierungsposten erneut auf den erfahrenen Politiker zu verzichten. Auch nach vier Jahren im Präsidium hat Widmann die Lust auf Regierungsarbeit nicht verloren. Am meisten, so gibt er unumwunden zu, würde ihn das Gesundheitsassessorat reizen. „Die Sanität hat mich immer schon gereizt, weil man dort sehr viel bewegen kann: Es geht in den kommenden Jahren vor allem darum, die Effizienz zu steigern, Geld einzusparen und die Dienste zu verbessern, so wie es teilweise bereits gemacht. Ja, die Sanität würde mich auf jeden Fall reizen.“

Ist das eine elegant verpackte Kampfange?

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