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„In die Schwarzarbeit gedrängt“

Das Hintergrundgespräch mit einem profunden Kenner* des Berufsschulwesens in Südtirol über die Hungerlöhne der Fachlehrer.

TAGESZEITUNG Online: Herr (…), was sagen sie zu den Hungerlöhnen der Fachlehrer an den Landesberufsschulen?

(…): Das ist echt ein Problem. Wie soll jemand, der 800 Euro Miete bezahlt, mit 1.170 Euro Gehalt eine Familie weiterbringen? Mit diesen Gehältern bekommt man keine guten Leute, man bekommt vielleicht einen Elektriker, der – aus welchen Gründen auch immer – in der Wirtschaft nicht taugt, und sicher keinen Spitzenkoch.

Warum tun sich dennoch viele Fachlehrer den Job bei diesen Niedriggehältern an?

Du kriegst keinen guten Fachlehrer, außer du sagst ihm, dass er nebenbei arbeiten kann. Man sichert ihm zu, dass er seine Stunden in drei Tagen abarbeiten kann, den Rest der Woche arbeitet der Fachlehrer nebenbei …

Er darf bis zu 30 Prozent seines Gehaltes dazuverdienen …

Richtig, wobei diese Tätigkeit gemeldet und von der Direktion gemeldet werden muss. Am Ende des Jahres muss der Fachlehrer auch seine Steuererklärung vorlegen.

Der Präsident des Köcheverbands sagt, mit den niedrigen Gehältern dränge man die Fachlehrer förmlich in die Illegalität …

Das stimmt, man drängt sie in die Schwarzarbeit. Als es noch die Voucher gab, haben viele Betriebe, auch Gastbetriebe, Fachlehrer mit Vouchern arbeiten lassen. Die Vouchereinkünfte mussten in der Steuererklärung nicht angegeben werden, also schienen sie im Personalamt des Landes auch nicht auf.

Warum verdienen die Fachlehrer an den Berufsschulen so schlecht?

Weil die Fachlehrer keine Lobby haben. Die gesamte Berufsbildung hat keine Lobby. Auch der Landesrat (Philipp Achammer, Anm. d. R.) redet viel, tut aber nichts. In anderen Ländern hat die Berufsbildung einen viel höheren Stellenwert als in Südtirol. In anderen Ländern müssen die Fachlehrer zeitweise in Betrieben arbeiten, damit sie auf dem Laufenden sind. Bei uns in Südtirol gibt es viele Fachlehrer, die nicht mehr auf dem Laufenden sind.

Die Fachlehrer kommen faktisch nur über die Runden, wenn sie schwarz arbeiten?

Ja, um zu überleben. Das ist die traurige Realität.

Interview: Artur Oberhofer

* Der Gesprächspartner legte Wert darauf, dass sein Name nicht genannt wird, ansonsten könne er nicht Klartext sprechen.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (4)

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  • meintag

    Es ist eher so dass die Fachlehrer im Beruf eingesehen haben dass der Hotelier oder Restaurantbesitzer den Koch nur als Capo gesehen hat und auf dessen Kosten den Laden schmeissen musste. Wirklich angesehen war er weder beim Chef und schon gar nicht bei den Mitarbeitern.

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